Arzneimittel und Therapie

Problemzone Pharynx bei der Gonorrhö

Auf eine schwierige Diagnose folgt eine nicht ganz so einfache Therapie

(Foto: Birgit Reitz-Hofmann / stock.adobe.com)
rr | Daran, dass Gonorrhö auch oral übertragen werden kann, wird oft nicht gedacht. Wir fragten Frau Dr. med. Petra Spornraft-Ragaller vom Universitätsklinikum Dresden, Klinik für Dermatologie, was sie von der Idee hält, eine Mundspüllösung zur Prophylaxe einzusetzen.
PD Dr. Petra Spornraft-Ragaller

DAZ: In Sachsen herrscht anders als im Rest der Bundesrepublik eine Labormeldepflicht für Gonorrhö. Es ist eine steigende Tendenz erkennbar. Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?

Spornraft-Ragaller: Tatsächlich beobachten wir in Sachsen den Trend, dass die Inzidenz von Gonokokken-Infektionen zunimmt. Im Jahr 2005 waren es noch etwa 10 Fälle pro 100.000 Einwohner, zehn Jahre später waren es schon doppelt so viele. Europaweit liegt die Zahl etwa bei 17 Fällen pro 100.000 Einwohner, sodass Deutschland damit durchaus im Durchschnitt liegt, wenn man die gemeldeten Fälle aus Sachsen betrachtet. Die steigende Inzidenz in den letzten Jahren lässt sich vermutlich auf das verstärkte Screening zurückführen.

DAZ: Welche Personen werden regelmäßig einem Screening unterzogen?

Spornraft-Ragaller: Grundsätzlich ist Gonorrhö eine Erkrankung des jungen Erwachsenenalters. Der Altersgipfel liegt bei Menschen zwischen 15 und 25 Jahren. Wir beobachten vor allem bei jüngeren Männern, die Sex mit Männern haben, eine Zunahme von Gonokokken-Infektionen. Ein Screening auf sexuell übertragbare Krankheiten (STI) umfasst vorrangig Marker­erkrankungen bei HIV-Koinfektion, darunter vor allem Syphilis, aber auch Chlamydien und Gonorrhö. In unserer HIV-Sprechstunde empfehlen wir STI-Abstriche mindestens einmal im Jahr, bei Patienten, die aufgrund ihres Sexualverhaltens ein hohes Risiko haben, sich anzustecken, sogar alle drei Monate. Im Rahmen einer Präexpositionsprophylaxe (PreP) gehört ein STI-Screening auch bei HIV-negativen Personen zum Programm. Wir würden es deshalb sehr begrüßen, wenn die Kosten von PreP von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, damit noch weitere Personen von diesem Schutz profitieren können.

DAZ: Wird routinemäßig auch auf eine pharyngeale Gonorrhö gescreent?

Spornraft-Ragaller: Wir konzentrieren uns anamnestisch auf den Ort des Geschehens, das heißt bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), in erster Linie anal, bei Verdacht aber auch urethral oder pharyngeal. Tatsächlich ist die pharyngeale Gonorrhö aber besonders trickreich, weil sie in der Regel symptomlos verläuft, über eine orale oder orogenitale Übertragung aber zur Ansteckung führen kann. Zudem ist bei dieser Form der Gonorrhö am ehesten mit einem Therapieversagen zu rechnen.

DAZ: Inwiefern?

Spornraft-Ragaller: In der Therapie der Gonorrhö verfolgen wir einen dualen Ansatz: Es werden zwei Antibiotika mit unterschiedlichen Angriffspunkten gegeben. Die Leitlinie empfiehlt derzeit Azithromycin p. o. und Ceftriaxon i. m./i. v. Falls eine parenterale Gabe nicht möglich ist, kann bei Besiedelung von Urethra, Zervix und Rektum auch Cefixim p. o. plus Azithromycin gegeben werden. Diese alternative Therapieoption ist bei pharyngealer Gonorrhö nicht ausreichend, weil die Bioverfügbarkeit in dieser Lokalisation zu gering ist. Hier muss unbedingt eine parenterale Antibiose erfolgen.

DAZ: Die Antibiotika-Empfindlichkeit von N. gonorrhoeae nimmt ab. Welche Alternativen haben wir für die Antibiotika Azithromycin und Ceftriaxon?

Spornraft-Ragaller: Es ist richtig, dass in Europa eine zunehmende Resistenzentwicklung von Gonokokken gegen Azithromycin registriert wird, dafür aber ein abnehmender Trend in Bezug auf Cephalosporine der 3. Generation. Das ist möglicherweise eine Konsequenz der Intensivierung der Leitlinie und lässt hoffen. Natürlich befinden sich aber auch andere Antibiotika in der Erprobung, wie das alte Gentamicin. Auf keinen Fall sollten Fluorchinolone ungezielt zum Einsatz kommen.

DAZ: Der präventive Ansatz ist sicher der beste, die Verwendung von Kondomen kann aber keinen 100%igen Schutz bieten. Was halten Sie von dem Vorschlag, zusätzlich regelmäßig eine Mundspüllösung anzuwenden, um das Risiko einer Infektion zu senken?

Spornraft-Ragaller: Die zitierte Arbeit über die Wirkung einer alkoholhaltigen Mundspülung hat offenbar in vivo eine Keimreduktion bei pharyngealer Gonorrhö gezeigt, auch in vitro eine Reduktion koloniebildender Einheiten. Es ist zwar denkbar, dass die Übertragungsrate hierdurch gemindert wird, eine Sicherheit bietet dies jedoch in keinem Fall. Unter Umständen könnten eventuelle Symptome einer pharyngealen Gonorrhö hierdurch sogar verschleiert werden.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch! |

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