Foto: momius - stock.adobe.com

Management

„Showrooming“ erfolgreich kontern

Beratung in der Apotheke, Kauf im Internet

Anschauen und ausprobieren im Geschäft, kaufen im Internet – „Showrooming“ heißt dieses Verbraucherverhalten, das im stationären Handel beträcht­liche Umsatzeinbußen verursacht. Eine aktuelle Studie zeigt, dass „Showrooming“ auch in der Offizin eine Rolle spielt. Die gute Nachricht: Stationäre Apotheken können gezielt gegensteuern.

Basis der Studie, die der Medizinökonom Moritz Bayer im Rahmen seiner Masterarbeit im Studiengang Consumer Health Care durchgeführt hat, sind 45 computergestützte persönliche Befragungen sowie 90 Web-Interviews mit pharmazeutischem Personal in der Offizin. Hinzu kamen 195 Onlineinterviews mit Kunden, die in den letzten zwölf Monaten Arznei- und Gesundheitsmittel oder Körperpflegeprodukte im Internethandel gekauft hatten. Das Er­gebnis der Studie ist eindeutig: „Showrooming“ gibt es auch im Apothekenmarkt.

Bayer nennt folgenden Grund für dieses Verhalten: „Die Kunden wollen eine verlässliche Beratung und ihre Produkte zum günstigen Preis. Ersteres bekommen sie in der Apotheke um die Ecke, Letzteres nicht. Da wiegt das Kostenbewusstsein höher als die Loyalität zur stationären Apotheke.“ Bayers Studiendaten verdeutlichen in diesem Zusammenhang eine Sonderform des „Showroomings“: Kunden kaufen Arznei- und Gesundheitsmittel bzw. Körperpflege beim ersten Mal in der Apotheke vor Ort und wechseln dann zum Onlinehändler – des Preises wegen.

Kaufabbruch in der Offizin

Auch in Apotheken lassen sich offenbar Kunden ohne Kaufabsicht zu Selbstmedikation und Artikeln in der Freiwahl beraten. Gut die Hälfte der befragten Mitarbeiter erlebt dies gelegentlich, mehr als ein Viertel sogar häufig. Rund einem Drittel passiert es zudem häufig, dass Kunden vom Kauf absehen, sobald sie den Preis der Präparate kennen. Und rund 40 Prozent der Befragten geben an, dass häufig Kunden nicht vorrätige OTC-Produkte nicht bestellen möchten. Bayers Untersuchungsergebnisse belegen außerdem, dass Kunden während der Beratung in der Apotheke online Preise recherchieren und zur Verhandlung nutzen. Nicht zuletzt geben sie an, vor dem Kauf lieber noch mal im Internet nachsehen zu wollen. Darüber hinaus wird (seltener) beobachtet, dass Kunden beim Einkauf in der Offizin Sicht- bzw. Freiwahlartikel mit dem Smartphone fotografieren, Barcodes einscannen oder sogar gleich im Internet bestellen.

Kaufabbrüche der Kunden nimmt das Offizinpersonal eher gelassen hin. Lediglich rund 11% sollen „auch schon mal etwas genervt” reagiert haben. Nach dem Grund für den ausbleibenden Kauf fragen nur zwei von zehn Mitarbeitern in der Apotheke.

Uneinheitliches Vorgehen

Die Apothekenmitarbeiter begegnen einem solchen Kundenver­halten bislang uneinheitlich. Sie stellen Preisnachlässe in Aussicht oder schlagen günstigere Produkt­alternativen wie Generika vor. Entscheidend hierbei ist immer das Beratungsgespräch, der direkte Dialog mit dem Kunden. In diesem Zusammenhang wünschen sich die beratenden Apothekenmitarbeiter Fortbildungsangebote zur Steigerung der Verkaufskompetenz. Als wirksame Gegenstrategie zum Onlinekauf gilt auch die Verbesserung des Einkaufserlebnisses. Rund die Hälfte sieht Chancen im Ausbau der Marketingaktivitäten, und etwa jeder Fünfte (22%) hält die Einführung einer Beratungsgebühr, d. h. die Bezahlung der Beratung durch den Kunden unabhängig vom Kauf eines Produkts, für effektiv. Eigene Versandhandelsstrukturen aufzubauen, sehen hingegen nur wenige Befragte als Chance.

Das Beste aus beiden Welten

Wie sollten Apotheken mit dem Phänomen „Showrooming“ um­gehen? Bayer ist überzeugt: „Showrooming“ wird die Kundenfrequenz in den stationären Apotheken nicht abreißen lassen. Die meisten Verbraucher kaufen immer noch gerne in der Apotheke vor Ort ein. „Gute Beratung und eine gute Preiswahrnehmung – wer das Beste aus beiden Welten für sich nutzt, ist klar im Vorteil.“ Bayer rät, die Vorzüge des Internets auf die Offizin zu übertragen. „Große Auswahl, umfangreiche Infos wie etwa Kundenbewertungen und Bequemlichkeit. Was die Kunden am Onlinekauf lieben, wird mit den Pluspunkten der stationären Apotheke verbunden. Das sind vor allem die sofortige Verfügbarkeit, das sensorische Produkterlebnis und die fachkundige Beratung. Gelingen kann dies durch eine konsequente Transformation von der traditionellen Apotheke vor Ort zu einem Omni-Channel-Geschäftsmodell in Kombination mit ausgewählten Digitalisierungsinitiativen.“ Neu sind diese Strategien allesamt nicht. Flächendeckend jedoch, so Bayer, werde Apothekenkunden ein solches Angebot derzeit nicht unterbreitet.

Was zählt, ist die passende Kombination der Maßnahmen. Auch wenn es kein Patentrezept gegen „Showrooming“ gibt, können stationäre Apotheken doch einiges tun, damit Kunden die eigene Offizin nicht mit leeren Händen verlassen. Bayer rät vor allem, das Thema Digitalisierung aktiv anzugehen. Hier einige Handlungsempfehlungen für die Praxis:

Internetpräsenz ausbauen

Ein gut gemachter Auftritt im Internet ist für zahlreiche Apotheken noch immer nicht selbstverständlich, und nur ein Bruchteil der Apotheken nimmt bei der Erstellung und Pflege der eigenen Homepage professionelle Hilfe in Anspruch. Um dem erhöhten Informationsbedürfnis der Kunden, die „Showrooming“ betreiben, zu entsprechen, sollten Apotheken vor Ort relevante Informationen zum Serviceangebot, insbesondere zum Botendienst, zur Qualifika­tion der pharma­zeutischen Mitarbeiter, zum Sortiment und zu Beratungsschwerpunkten auf der eigenen Homepage bereithalten.

Digitale Shop-Strukturen

Ist die eigene Homepage erstellt, sollten digitale Shop-Strukturen errichtet werden. Auch wenn ein Versand vorerst nicht forciert wird, ist damit die Voraussetzung für Cross-Channel-Verkaufsstrategien wie Click & Collect geschaffen. Damit nutzen Konsumenten die Vorteile von Onlineshopping und die Stärken des stationären Einkaufs gleichermaßen. So lässt sich vor dem Gang in die Apotheke die Verfügbarkeit gewünschter Produkte prüfen. Die Abholung erfolgt flexibel während der Öffnungszeiten – ohne Versandkosten. Andere Kunden recherchieren online und kaufen vor Ort wegen der sofortigen Verfügbarkeit. Sie möchten die Einkaufskanäle flexibel wechseln.

Beobachten Sie Kaufabbrüche

Moderne Warenwirtschaftssysteme bieten zahlreiche Möglichkeiten, jede Nachfrage in der Apotheken-EDV zu dokumentieren und auszuwerten. Durch die konsequente Erfassung von Nicht-Verkäufen können Sie das Ausmaß des Phänomens in Ihrer Apotheke selbst feststellen und Artikel sowie Sortimentsbereiche mit einem erhöhten Kaufabbruchrisiko identifizieren. Stellen Sie sich insbesondere bei jüngeren Apothekenkunden auf dieses Verhalten ein.

Investition in die Qualifikation des Personals

Sobald Sie ein geändertes Konsumentenverhalten erkennen und wahrnehmen, sollten Sie Ihre Beratungs- und Verhandlungskompetenzen weiter trainieren und ausbauen. Nehmen Sie dazu externe professionelle Unterstützung in Form von Verkaufstrainings in Anspruch. Ziel sollte sein, den Dialog mit „Showroomern“ nicht zu scheuen und eine Nutzenargumentation für den Sofortkauf vor Ort vorzubereiten. Zudem sollten in der Apotheke neue Bonusprogramme zur Förderung der Mitarbeiterloyalität besprochen werden.

Verbessern Sie das Preis-Leistungs-Verhältnis

Vermitteln Sie Ihrem Kunden während des Kaufprozesses einen schnell erkennbaren Mehrwert, sodass die Kaufmotivation für das präferierte Arznei- oder Gesundheitsmittel vor Ort gesteigert wird. Bieten Sie sinnvolle Pakete (individuelle Angebote) an, indem Sie z. B. Kosmetikprodukte in Kombination mit Produktzugaben oder Services (z. B. Hauttest) als Mittel zur Verkaufsförderung bündeln und entsprechend auspreisen. Stationäre Apotheken können hier mit pharmazeutischen Unternehmen kooperieren. Diese bieten neben Abgabeartikeln teilweise auch exklusive Handelseinheiten (d. h. Gebindegrößen) zu gesondert vereinbarten Konditionen an.

Digitalisierung des Point of Sale

Digitale Bildschirmtechnologien bringen den Kunden Mehrwert beim Aufenthalt in der Apotheke. Die gezeigten Bildschirminhalte lassen sich – flexibel nach Tageszeit und Saison – an unterschied­liche Zielgruppen anpassen. So sieht die Bildschirmwerbung für Mütter und Senioren am Vormittag anders aus als für Berufstätige in den Abendstunden. Mit Digital-Signage-Installationen wie interaktiven Schaufenstern lässt sich dieser Effekt auch nach Betriebsschluss nutzen.

Kundendatenbanken

Kundendaten sind die Grundlage jedes personalisierten Einkaufs­erlebnisses. Sie geben Auskunft über die Einkaufsgewohnheiten der Konsumenten – auch in der Offizin. Erfasst, zusammengeführt und ausgewertet über eine CRM-Software, bieten diese Daten stationären Apotheken umfassende Möglichkeiten, individuelle Angebote zu unterbreiten, Service und Kundenorientierung zu verbessern – vorausgesetzt, die Datenschutzfrage ist geklärt.

Tablets für die Mitarbeiter

Trumpf der stationären Apotheke ist und bleibt die persönliche Beratung. Eine geschickte Verzahnung von Off- und Online erhöht ihre Wirksamkeit. Ausgestattet mit Tablets, könnten die Mitarbeiter die Kunden z. B. auch in der Freiwahl noch gezielter und individueller ansprechen. Im Austausch mit Kundendaten ließen sich in diesem Falle auch Angebote, Kundenbindungsprogramme und Dienstleistungen bewerben, die sonst nicht wahrgenommen würden. |

Moritz Bayer, M.Sc. Consumer Health Care (CHC), moritzbayer@icloud.com

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.