- DAZ.online
- DAZ / AZ
- AZ 23/2018
- Zuweisungsverbot gilt ...
Gesundheitspolitik
Zuweisungsverbot gilt nicht in Holland
BGH lässt Applikationsarzneimittel-Werbung beim Arzt unbeanstandet
Der 20. Zivilsenat des OLG Düsseldorf hatte am 8. Juni 2017 in einem Rechtsstreit des Verbands Sozialer Wettbewerb (VSV) gegen die niederländische Apotheek Bad Nieueschans B.V. entschieden, ohne dass dies in der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Der Wettbewerbsverein wollte der Versandapotheke gerichtlich untersagen lassen, bei deutschen Gynäkologen mit einem „Informationsschreiben“ für den Bezug von Intrauterinpessaren und anderen rezeptpflichtigen Verhütungsmitteln, die vom Arzt zu applizieren sind, zu werben.
Das Landgericht Düsseldorf entschied in 1. Instanz noch zugunsten des VSV. Es ging davon aus, dass das beanstandete Werbeschreiben eine Erstbegehungsgefahr für einen Verstoß gegen das Zuweisungsverbot in § 11 ApoG begründet. Doch das OLG kassierte diese Entscheidung (Az.: I-20 U 38/16). In ihrem Urteil prüfen die Richter alle in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte: Sind Verbraucherschutzgesetze oder das Marktverhalten regelnde Vorschriften verletzt, sodass ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch zu bejahen ist? Ihr Ergebnis: Nein.
Keine Veranlassung zur EuGH-Wiedervorlage
Dabei ist ihr erster Prüfungspunkt ein etwaiger Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung. Der sei nicht gegeben, weil die deutschen Preisbindungsvorschriften auf niederländische Versandapotheken laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 nicht anwendbar sei. Ausführlich geht der 20. Zivilsenat auf die Möglichkeit einer erneuten Prüfung durch den EuGH ein. Dazu ist anzumerken, dass es eben jener 20. Zivilsenat des OLG Düsseldorf war, der den Streit zwischen der Wettbewerbszentrale und der Deutschen Parkinsonvereinigung über die Rx-Preisbindung seinerzeit vor den EuGH gebracht hatte. So verwundert es kaum, dass aus Sicht der OLG-Richter keine Veranlassung für eine erneute Vorlage bestand – auch wenn der BGH dies in seiner „Freunde werben Freunde“-Entscheidung von Ende 2016 für nicht ausgeschlossen hielt, wenn neue Tatsachen vorgetragen werden. Die Schlussfolgerung des EuGH, die deutschen Preisbindungsvorschriften seien nicht geeignet, das Ziel der Sicherstellung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung zu erreichen, beruhten „nicht auf ungenügenden Feststellungen“, konstatiert das OLG. Die Bundesregierung habe im Vorabentscheidungsverfahren umfassend zur Rechtfertigung des Festpreissystems vorgetragen. „Diesen Vortrag haben der Generalanwalt und der Gerichtshof auch berücksichtigt, er reichte indes nicht aus, um die von der Bundesregierung angeführten Argumente zu belegen bzw. zu untermauern“, heißt es im Urteil. Und weiter: „Es waren demnach nicht verfahrensbedingt unzureichende Tatsachenfeststellungen, sondern unzureichender Sachvortrag der beteiligten Bundesregierung, der die Entscheidung des EuGH begründet“.
§ 11a ApoG adressiert nur deutsche Apotheken
Das Gericht prüft zudem weitere potenzielle Verstöße, die es jedoch allesamt verneint. Hervorzuheben ist dabei das Zuweisungsverbot. Während der BGH schon einmal entschieden hat, dass eine Abrede zwischen Arzt und Apotheker über die Zuweisung von Verschreibungen unzulässig ist, wenn es um Applikationsarzneimittel geht, ist eine niederländische Apotheke den Düsseldorfer Richtern zufolge nicht an diese Norm gebunden. § 11 ApoG richte sich nämlich allein an deutsche Apotheken. Die Regelung habe einen klaren Wortlaut und richte sich an „Erlaubnisinhaber und deren Personal“. Die beklagte Apotheke sei aber keine Inhaberin einer deutschen Betriebserlaubnis. „Ihr Verhalten unterliegt damit nicht nur der Aufsicht der niederländischen Behörden, es richtet sich allein danach, was in den Niederlanden zulässig ist“, heißt es im Urteil.
Die Entscheidung des OLG hat nun Bestand – denn der BGH hat die Revision des VSV zurückgewiesen. Zwar liegen die Gründe noch nicht vor, aber von Prozessbeteiligten ist zu hören, dass die Karlsruher Richter in der mündlichen Verhandlung durchblicken ließen, dass sie die Auffassung nicht teilen, die Unionsrechtswidrigkeit der Preisbindung auch für EU-ausländische Apotheken stehe durch die EuGH-Rechtsprechung fest (es handelt sich übrigens um denselben BGH-Zivilsenat, der im o. g. Fall eine erneute Vorlage zum EuGH nicht ausgeschlossen hat). Darauf komme es aber nicht an, weil beide Parteien des Rechtsstreits keinen Verstoß angenommen hatten.
Im Hinblick auf § 11 ApoG hält der BGH es dem Vernehmen nach zwar für nach Sinn und Zweck geboten, diese Norm auch auf ausländische Versandapotheken anzuwenden. Im Hinblick auf den Wortlaut sei dies jedoch problematisch. Auf die Urteilsgründe darf man nun gespannt sein. Einmal mehr könnte der Gesetzgeber gefragt sein – sofern er diese Ungleichbehandlung von EU-ausländischen und deutschen Apotheken vermeiden will. |
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.