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Gesundheitspolitik
Zyto-Prozess in der Schlussphase
Knapp 20 weitere Beweisanträge lehnte das Landgericht Essen vergangene Woche ab. Es will nun bald die Plädoyers im Verfahren um mutmaßlich unterdosierte Zyto-Zubereitungen hören. Allerdings will es am heutigen Montag auf Antrag der Verteidigung einen von ihm beauftragten Gutachter zur Schuldfähigkeit von S. befragen. Nach Einschätzung des Psychiaters Pedro Faustmann gab es offenbar vor gut zehn Jahren infolge einer schweren Hirnverletzung eine Persönlichkeitsveränderung bei Peter S., die womöglich mit einer verminderten Schuldfähigkeit einhergeht. Auch eine Kindheitsfreundin und spätere Scheidungsanwältin von S. unterbreitete dem Gericht per Fax, sie habe Auffälligkeiten festgestellt: Er habe sich vollkommen verworren verhalten und sei emotional verschlossen gewesen. Ein anderer vom Gericht bestellter Psychologe hatte Peter S. zuvor volle Schuldfähigkeit attestiert (AZ Nr. 25, 2018, S. 3). Auch die Nebenklage schloss sich nun teilweise dem Antrag an, Faustmann zu hören – um ein revisionssicheres Urteil zu erhalten.
Ansonsten lehnte das Gericht vergangene Woche zahlreiche Anträge ab: Beschlagnahmte Proben will die Strafkammer nicht erneut testen lassen. Ebenso wenig will es mehr als 20 Presseberichte verlesen, aus denen sich laut Verteidigung eine mediale Vorverurteilung ihres Mandanten ergeben soll. Ferner glaubt das Gericht zwar der Verteidigung, dass S. am Tag vor seiner Verhaftung bei einer Ärztin war, will diese aber nicht als Zeugin laden. Die Verteidigung hatte argumentiert, dass S. die beschlagnahmten und laut amtlichen Untersuchungen unterdosierten Zytostatika gar nicht habe herstellen können – doch dauerte der Arzttermin offenbar nur eine Stunde.
Zweitmarkt für Zytostatika ohne Auswirkung
Außerdem hält es die Strafkammer für zutreffend, dass es einen Zweitmarkt für Zytostatika-Apotheker gibt – die Verteidigung sprach über einen Mail-Verteiler. Offenbar haben Zyto-Apotheker untereinander eine Kommunikationsplattform eingerichtet, auf der sie sich über den An- und Verkauf von Zytostatika austauschen. Doch Vertreter des Verbands der Zytostatika herstellenden Apotheker (VZA) könnten nichts darüber aussagen, inwiefern S. darüber eingekauft habe, argumentierte der Vorsitzende Richter. Des Weiteren hat diese Erkenntnis nach Ansicht des Richters auch keine größeren Auswirkungen auf das Verfahren.
Einen Apotheker, der teils Zytostatika für S. hergestellt und der bereits als Zeuge ausgesagt hat, will er ebenfalls nicht erneut befragen: In einem Telefonat mit dem Vorsitzenden Richter habe der Apotheker gesagt, dass er maximal an zwei Tagen Krebsmittel für Peter S. hergestellt habe, was die angeklagten Dosisunterschiede offenbar nicht erklären kann.
Die Verteidigung hatte laut Recherchemagazin „Correctiv“ zudem beantragt, einen Sachverständigen zu hören, der bestätigen soll, dass Alltagskleidung im Labor keine Kontaminationsgefahr birgt – offenbar da Zeugen S. eben dies vorgeworfen hatten. Das Gericht sah es zwar als wahr an, dass der Keimgehalt der Raumluft bei der Arbeit an entsprechenden Werkbänken keine Auswirkungen auf die Kontaminationsgefahr hätte, doch wies es den Antrag ab. Gleichzeitig wies es Nebenkläger an, sich umzuziehen: Mehrere Personen hatten im Gerichtssaal T-Shirts mit dem Aufdruck „Wer schweigt, macht sich mitschuldig” getragen. Der Richter verwies auf die Unschuldsvermutung. Nur noch bis Mittwoch will das Gericht Beweisanträge zulassen. Für Juli setzte es drei weitere Verhandlungstermine an. |
Maria-Elisabeth Klein und Martin Porwoll, die als frühere Angestellte von Peter S. den Strafprozess ins Rollen gebracht haben, sind hierfür mit dem Whistleblower-Preis ausgezeichnet worden. Dazu ist nun ein Buch erschienen, das ihre Enthüllungen, sowie die des ebenfalls ausgezeichneten Journalisten Can Dündar dokumentiert.
„Whistleblower-Enthüllungen zu Krebsmittel-Panschereien und illegalen Waffengeschäften“,
Berliner Wissenschafts-Verlag,
ISBN 978-3-8305-3786-1,
zu beziehen über www.deutscher-apotheker-verlag.de
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