Management

Die Kundenbeschwerde als Chance

Teil 2: Wenn der Kunde in der Apotheke reklamiert

Nicht lieferbare Arzneimittel, Zu- und Aufzahlungen, Rabattverträge, defekte Geräte – das sind typische Anlässe für leidige Diskussionen bis hin zu lautstark geäußerten Beschwerden. Finden solche meist emotionalen Gespräche zudem vor Publikum statt, also vor wartenden Kunden, ist die Situation extrem unangenehm. Wie aber kann es gelingen, ein Beschwerde­gespräch souverän und erfolgreich zu führen? Von Conelia Tromm

Ganz generell zählen Beschwerdegespräche zu den recht schwierigen Momenten im Apothekenalltag. Der Kunde ist verärgert oder gar empört und das lässt er sein Gegenüber spüren. Die Kommunikation ist gestört und wird zudem dadurch erschwert, dass die Erklärungs- oder auch Rechtfertigungsversuche des freundlichen Chefs oder Mitarbeiters auf Unverständnis stoßen.

Argumentieren Sie laiengerecht

Was soll sich der Laie beispielsweise unter der „Änderung der Festbetragsregelung“ vorstellen? Nichts! Verständlicher ist die Information, dass „die Krankenkasse dieses Arzneimittel nicht mehr vollständig bezahlt“. Oder denken Sie an das leidige Thema „Rabattverträge“. Ein Rabatt ist per Definition ein Preisnachlass. So führt alleine dieser Begriff zu einem fatalen Missverständnis: Da der Kunde nicht von diesem Rabatt profitiert, sieht er als Begünstigten – na klar – den Apotheker. Statt also diesen kritischen Terminus zu nutzen, sprechen Sie besser von dem Vertrag zwischen seiner Krankenkasse und dem Pharmahersteller. Mit einer vergleichbaren Information besänftigen Sie im Übrigen auch den Ärger des Kunden darüber, dass sein bisher verordnetes und gut wirkendes Medikament plötzlich oder schon wieder ausgetauscht wird: Ihre Krankenkasse hat inzwischen von einem anderen Hersteller einen Preisnachlass bekommen.

Empfehlung

Mit einer einleuchtenden und für den Laien verständlichen Erklärung „verbünden“ Sie sich mit Ihrem Kunden, anstatt mit ihm einen Disput zu führen.

Wenn Sie eine erneute Diskussion mit diesem Kunden bei einem seiner nächsten Besuche vermeiden wollen, dann geben Sie ihm doch einfach einen Handzettel mit den entsprechenden Informationen mit. Anregungen dazu finden Sie reichlich im Netz, beispielsweise auf der Seite des Gesundheitsministeriums (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/?id=447).

Foto: etotparen – stock.adobe.com
Kein Tauziehen Beschwert sich ein Kunde, ist das Gespräch mit ihm oft eine Herausforderung. Es sollte dabei jedoch nie darum gehen, wer der Stärkere ist.

Die typischen Phasen eines Beschwerdegespräches

Es hilft, wenn Sie einmal genauer die drei Phasen betrachten, die ein Beschwerdegespräch erfahrungsgemäß durchläuft. Denn in jeder dieser Phasen können Sie aktiv dazu beitragen, dass der Kundenkontakt trotz negativer Vorzeichen einen für beide Seiten positiven Verlauf nimmt.

  • Phase 1: Die Abreagierphase

Die Abreagierphase hat ihren Namen aus gutem Grund. Denn der Kunde macht zu Beginn eines Beschwerdegespräches genau das – er reagiert sich ab. Je nach Typ tut er das in einem ruhigen oder aufgebrachten Ton. In jedem Fall braucht er einfach die Möglichkeit, ungebremst das zu sagen, was er unbedingt loswerden will. Lassen Sie ihn also reden, bis er ausge­redet hat. Erst dann ist er in der Lage, Ihnen zuzuhören. Bleiben Sie möglichst ruhig, stellen Sie sich vollkommen auf Ihren Gesprächspartner ein und hören Sie ihm konzentriert zu.

Empfehlung

Für die eigene Einstellung diesem Kunden gegenüber gibt es einen Königsweg: Es gilt, sich weder überlegen noch unterlegen zu fühlen.

Falls der Kunde laut wird, führen Sie ihn in einen diskreteren Bereich der Apotheke oder bitten Sie ihn in den Beratungsraum. So signalisieren Sie Ihrem Gesprächspartner, dass Sie sich bewusst Zeit für ihn nehmen, und verhindern gleichzeitig, dass andere Kunden die Beschwerde mithören.

Was der Kunde von Ihnen erwartet, ist Verständnis für seine Situation. Er möchte mit seinem Problem von Ihnen angenommen werden. Daher auch die Bezeichnung der zweiten Phase: „Annahmephase“.

  • Phase 2: Annahmephase

Die „Annahme“ eines reklamierenden Kunden zeigen Sie durch Empathie. Empathie bedeutet „einfühlendes Verstehen“ und meint nichts anderes, als dass Sie sich für einen Moment in die Situation Ihres Gegenübers versetzen und die Dinge aus seinem Blickwinkel sehen. Erlebbar wird Empathie durch Sie-Formulierungen anstelle von Ich-Aussagen und Sätzen, die Verständnis zeigen, wie: „Ihren Ärger kann ich gut verstehen“ oder „Das ist ja wirklich unangenehm für Sie“.

Empfehlung

Streiten Sie nicht mit einem Kunden!

Entweder Sie verlieren den Streit oder den Kunden.

  • Phase 3: Lösungsphase

Nun erfolgt der Wechsel von der Erlebens- auf die Sachebene. Stellen Sie in dieser letzten Phase wenn überhaupt nur noch solche Fragen, die Sie für eine objektive Klärung des Sachverhaltes benötigen. Und dann sorgen Sie für eine Lösung – unmittelbar oder nach kurzer interner Rücksprache.

Grundsätzlich lassen sich Kundenbeschwerden, je nach Beschwerdeanlass, auf drei verschiedene Arten lösen:

  • immateriell: Erklärung, Information, Entschuldigung
  • materiell: Präsent/Geschenk, Reparatur, Austausch
  • finanziell: Preisnachlass, Geld­rückgabe, Schadensersatz

Zeigen Sie sich nach Möglichkeit kulant und überraschen Sie den Kunden mit einer Kleinigkeit als Sahnehäubchen. Das ist schlichtweg eine Investition in die Kundenbindung.

Gut, wenn apothekenintern eine Art „Verhaltenskodex“ für den Beschwerdefall vereinbart ist und die Mitarbeiter einen finanziellen Rahmen haben, innerhalb dessen sie ohne Rückfragen entscheiden können. Denn:

Ein zufriedengestellter Beschwerdekunde wird fast immer zu einem rundum netten und treuen Stammkunden.

Wenn der Kunde im Unrecht ist

Kompliziert wird die Situation dann, wenn der Kunde subjektiv glaubt, Anlass für eine Beschwerde zu haben, obwohl das objektiv nicht zutrifft. Auch dieser Kunde will angenommen und angehört werden.

Gegenbeschuldigungen wie: „Da müssen Sie irgendetwas falsch gemacht haben“ oder „Das haben Sie sicher falsch verstanden“führen das Gespräch in eine Sackgasse. Auch in einem solchen Fall sollte das Bestreben sein, eine Lösung zu finden, die für den Kunden und für die Apotheke akzeptabel ist.

Falls das im Einzelfall aus juristischen Gründen nicht möglich ist,

  • verweisen Sie durchaus auf Ihre gesetzlichen Rahmenbe­dingungen („Wir haben da sehr strenge Regeln, wie wir vorzu­gehen haben“),
  • erläutern ergänzend kurz den Hintergrund und
  • setzen das Verständnis des Kunden demonstrativ voraus („Sie verstehen sicherlich, dass ...“, „Sie möchten bestimmt auch nicht, dass ...“).

Wenn nichts mehr hilft, haben Sie den Mut, freundlich aber bestimmt ein „Nein“ auszusprechen.

Wenn der Kunde Sie persönlich angreift

Besonders schwierig ist die Situation, wenn ein Kunde ungerechtfertigte Vorwürfe erhebt oder Sie beschimpft. Dagegen müssen Sie sich schützen. Doch nur wenn es Ihnen gleichzeitig gelingt, den anderen friedlich zu stimmen, haben Sie die Chance, Ihr inhaltliches Ziel zu erreichen und den Kunden zu behalten. Schlagen Sie also keinesfalls zurück. Das mag Ihnen zwar in der akuten Situation gut tun, aber Sie laufen Gefahr, dass Sie diese Schlacht verlieren, zumindest emotional.

Empfehlung

Bilden Sie das Kontrastprogramm, indem Sie den Emotionen Ihres Gesprächspartners mit freundlicher Sachlichkeit begegnen.

Hier einige Hilfestellungen dafür, wie Sie persönliche Angriffe parieren können:

  • Verschaffen Sie sich Zeit

Tun Sie einfach so, als hätten Sie einen Vorwurf oder eine Anschuldigung nicht richtig verstanden. Sie können Ihren Gesprächspartner bitten, das Gesagte zu wiederholen oder zu konkretisieren:

  • „Ich habe Sie akustisch nicht ganz verstanden.“
  • „Ich fürchte, ich habe Sie nicht richtig verstanden.“
  • „Wie meinen Sie das genau?“

Damit gewinnen Sie Zeit, um sich zu sammeln und Ihre Emotionen in den Griff zu bekommen. Zudem fällt die Wiederholung des Gesagten meist erheblich weniger aggressiv aus.

  • Lassen Sie den Angriff ins Leere laufen

Niemand kann Sie dazu zwingen, auf eine Provokation einzugehen oder sich zu verteidigen. Verzichten Sie also auf einen Gegenangriff und nutzen Sie stattdessen eine oder mehrere der folgenden Empfehlungen:

  • Reagieren Sie mit einem Satz, der die Situation entschärft, wie:

„Es tut mir leid, dass Sie so ver­ärgert sind“ oder

„Ich merke, dass Sie das sehr geärgert hat“.

  • Finden Sie einen Gesprächs­aspekt/eine Einzelaussage, dem/der Sie weitgehend zustimmen können.

  • Zeigen Sie eine klare Haltung

Sollte ein Kunde in der Apotheke laut werden, ist es wichtig, die Balance zu finden und zu wahren zwischen einem freundlichen Ton und einer klaren, unmissverständlichen Haltung. Sprechen Sie ihn fest und deutlich mit seinem Namen an, wenn nötig auch mehrmals. Das wirkt als „Stopper“ und sichert Ihnen zumindest für einen kurzen Moment seine Aufmerksamkeit. Sagen Sie dann im ruhigen Ton beispielsweise:

  • „Können wir das nicht in einem netteren Ton miteinander besprechen?“
  • „Es will mir nicht gelingen, mich auf diese Weise mit Ihnen zu unterhalten.“

Oder fragen Sie ihn: „Ist Ihnen bewusst, dass Sie gerade sehr laut werden/mich anschreien?“ Viele Menschen erschrecken sich dann über ihr Verhalten und entschul­digen sich.

  • Wenn nichts mehr hilft: Ziehen Sie die „Notbremse“

Falls es nicht möglich ist, einen Gesprächspartner zu beruhigen und ein sinnvolles Gespräch zu führen, bleiben Ihnen noch fol­gende Optionen:

  • Sie bieten „den Chef“ oder „den Spezialisten“ als Gesprächs­partner an.

„Es ist sicher auch in Ihrem Sinne, wenn ich bei diesem Sachverhalt unsere Fachfrau für … hinzuziehe.“

„Ich denke, es ist besser, wenn Sie das Gespräch mit meiner ­Chefin fortsetzen.“

Durch das Einbinden einer dritten Person versachlicht sich die Diskussion zudem häufig schnell.

  • Sie beenden das Gespräch sachlich.

„Da handelt es sich möglicher­weise um ein Missverständnis. Ich kläre das schnellstmöglich intern (mit dem Chef, dem Lieferanten, unserem Experten für …). Wie erreiche ich Sie am besten?“

„Ich habe Zweifel, dass wir jetzt ein gutes Ergebnis erzielen. Wir sollten das Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt fort­setzen.“

Foto: DragonImages – stock.adobe.com
Im allerbesten Fall hat man den reklamierenden Unzufriedenen mit Empathie und Freundlichkeit als Stammkunden gewonnen.

Die Begründer der Motivierenden Gesprächsführung, William R. Miller und Stephen Rollnick, nannten ein wirksames Prinzip für schwierige Kommunikations­situationen, das ich Ihnen hier gerne weitergebe: Tanzen statt Tauziehen. |

Cornelia Tromm, Kommunikations­beraterin, -trainerin und -coach, www.cornelia-tromm.de

Teil 1 „Wenn der Kunde tele­fonisch reklamiert“ finden Sie in der AZ 2018, Nr. 31, S. 6.

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