Gesundheitspolitik

Schmidt bricht das Schweigen

Regulierter Versand oder Kompensation für fehlende Umsätze

KIEL (tmb) | ABDA-Präsident Friede­mann Schmidt hat bei der Kam­mer­versammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am 28. November erstmals ausführlich über Alternativen zum Rx-Versandverbot gesprochen.

Dabei offenbarte er Ein­schät­zungen zu verschiedenen Lösungswegen. Demnach können die Apotheker eine sozialrechtliche Regulierung des Versandes oder ein neues Strukturhonorar als Kompensation für abwandernde Umsätze erwarten – vielleicht sogar beides. Dagegen sollten sich die Apotheker keine Illusion bezüglich des Rx-Versandverbots machen, mahnte Schmidt. Juristisch sei das kein Problem, aber „das Hauptproblem ist die politische Unterstützung“. Minister Spahn sehe sich als „Exponent der Jungen“, die solche Verbote nicht verstehen würden. Spahn wolle den Versand als Möglichkeit erhalten, aber die Apotheken nicht bewusst dem Preiswettbewerb aussetzen. Zugleich wolle der Minister eine Lösung, die nicht beklagt wird. Doch das Rx-Versandverbot könne an vielen Stellen scheitern.

Schmidt machte deutlich, dass die ABDA sich intensiv mit dem Gesundheitsministerium austausche: „Wir sind tief im Diskussionsprozess.“ Als Reaktion auf die Rede von Minister Spahn beim Deutschen Apothekertag habe die ABDA Möglichkeiten für den unbürokratischen Ablauf der AMTS erarbeitet. Außerdem habe die ABDA Vorschläge für die Begleitung Pflegebedürftiger gemacht. Dabei gehe es um vertragsgebundene und honorierte Leistungen, die heute ohnehin unstrukturiert erbracht würden.

Foto: AZ/tmb
ABDA-Präsident Schmidt: „Aussitzen ist keine Option.“

Sozialrechtliche Lösung

Als Reaktion auf das EuGH-Urteil erwarte Schmidt einen Vorschlag vom Minister, der den Versand nicht verbiete, aber ein Regelwerk schaffe, sodass die Apotheker damit gut leben könnten. Zur Regulierung des Versandes nannte Schmidt insbesondere den Ansatz, die Preisbindung im SGB V als Zugangsvoraussetzung zur Ver­sorgung festzuschreiben. Einige Politiker würden hoffen, der EuGH würde eine solche sozialrechtliche Regelung anders werten als die bisherige Preisbindung. Doch für die ABDA erklärte Schmidt: „Wir waren immer dagegen, weil es vom EuGH genauso angegriffen wird.“

Kompensation für Versand

Ausführlicher ging Schmidt auf den Ansatz ein, die Folgen des Versandes zu kompensieren. Dabei sollten die Gemeinwohlaufgaben, die nur vor Ort wahrgenommen werden können, durch ein strukturgebendes Vergütungsmodell finanziert werden. „Wenn der Versand bleibt, bleiben die Aufgaben“, erklärte Schmidt und diese müssten finanziert werden. In der ABDA sei viel über ein solches Honorierungsmodell nachgedacht worden. Schmidt deutete an, dass eine Honorierung mit regelmäßiger Anpassung sowie Struktur- und Regionalkomponenten wie bei den Ärzten denkbar sei. Denn die Politik wolle „keine Honorarverbesserung mit der Gießkanne“. „Ich sehe in der Politik momentan keine Unterstützung für eine signifikante Erhöhung des Fixums“, erklärte Schmidt und folgerte: „Wir müssen über eine Vergütungsmechanik mit ganz anderen Mechanismen reden.“ Allerdings könne er sich eine neue Honorierung für Strukturen nur additiv vorstellen. Teile des bisherigen Honorars wegzunehmen, erzeuge bei den Apothekern Angst, mahnte Schmidt. Doch „als Lösung für Teilhonorare ist es charmant“, folgerte Schmidt.

Boni in Deutschland erwähnte Schmidt mit keinem Wort. Offensichtlich sieht er die Preisbindung im Inland nicht in Gefahr. Das erklärt, weshalb Schmidt über eine Kompensation für wegbrechende Umsätze, aber nicht über im Wettbewerb nötige Boni sprach.

Keine Perspektive für Rx-Versandverbot

Schmidt zeigte sich zudem überzeugt, dass ein Rx-Versandverbot ohnehin nur einige Jahre wirken könnte. Denn die technische Entwicklung werde so voranschreiten, dass ein solches Verbot schon bald nicht mehr greifen würde. Diesen neuen Entwicklungen der Digitalisierung müssten sich die Apotheken stellen. Doch bei einem Rx-Versandverbot würden sich die Apotheken in dieser Hinsicht nicht weiterentwickeln, fürchtet Schmidt.

Letztlich ist auch Schmidt gespannt, welches der diskutierten Konzepte Spahn bei der ABDA-Mitgliederversammlung am 11. Dezember präsentieren wird. Die dort vorgestellten Pläne könnten von grundsätzlicher Bedeutung für die Apotheken sein, erklärte Schmidt. Darum solle am 17. Januar eine weitere ABDA-Mitgliederversammlung stattfinden, bei der über die Antwort der ABDA entschieden werden solle. Insgesamt sieht Schmidt Anlass für schnelles Handeln. Das Zeitfenster für aktive sichere Politik reiche wegen der Europawahl nur bis zum Frühsommer 2019. „Aussitzen ist keine Option“, folgerte Schmidt. Dies gelte auch für andere Themen wie das E-Rezept.

Als langfristiges Problem beschrieb Schmidt die fortgesetzte Deregulierung auf europäischer Ebene. „Wir kommen immer wieder unter Druck“, prognostizierte Schmidt und verwies auf die Apothekenpflicht und das Fremd- und Mehrbesitzverbot. Daraufhin forderte Schmidt, die Apotheker müssten mutig genug sein, um die Apotheken so stark zu machen, dass sie auch unter veränderten Bedingungen bestehen könnten. Bei diesen Risiken könnten die Apotheken nicht allein auf Ordnungspolitik setzen, sondern mehr auf ihre Kompetenz. „Wir müssen auf das setzen, was wir können“, forderte Schmidt.

Risikoeinschätzung gefragt

Zum Abschluss der Diskussion in Kiel wurde Schmidt gefragt, ob er die Entwicklung zum Rx-Versandverbot als „Ablasshandel“ empfinde. Dies verneinte Schmidt mit dem Hinweis, er verspreche nicht das Paradies, wie es beim Ablass geschehen sei. Doch die Apotheker sollten sich darauf einstellen, dass sie nach dem 11. Dezember nicht vor einer Situation stehen, die nach naturwissenschaftlichen Maßstäben eindeutig bewertet werden könne. „Am Schluss ist es eine Risikoeinschätzung“, erklärte Schmidt. |

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