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Gesundheitspolitik
Hexal-Vertreter unter Druck
Zeuge verweigert Aussage, um sich nicht womöglich selbst zu belasten
Apotheker Ingo E., der von April 2009 bis September 2010 in der Bottroper Apotheke arbeitete, sollte das Zyto-Labor übernehmen, damit S. sich auf die anstehende Übertragung der Apotheke von seinen Eltern auf ihn konzentrieren könnte. Doch habe er wie ein PTA ganz viel Herstellungsarbeit leisten müssen und deshalb später gekündigt.
Wirkstoffe habe es immer ausreichend gegeben, erklärte der Apotheker. Doch es habe Momente gegeben, an denen er gedacht habe, ob aus dem Kühlschrank nicht mehr hätte „weg sein müssen“, erklärte er. „Wo kommt die Ware her, wo geht sie hin“ – das habe er nicht beurteilen können.
Nicht angewendete Rückläufer seien umetikettiert worden, wenn sie weiterhin haltbar und nicht angestochen waren und die Dosis bis auf wenige Prozent Abweichung stimmte. Auf die Frage, ob dies erlaubt sei, sagte der Apotheker: „Das kann ich nicht beantworten.“
Auf die Frage der Verteidigung, ob er von seinem Chef mal eine Anweisung erhalten habe, Krebstherapien unterzudosieren, antwortete E. klar „nein“. Die PTAs sowie er selber hätten nie falsche Dosen verwendet. Auch sei er nie „ausdrücklich oder stillschweigend in einen Tatplan eingeweiht worden, unterzudosieren“, erklärte der Apotheke auf Nachfrage eines Verteidigers.
Hexal-Referent: Keine Verkäufe aus dem Kofferraum
Als zweiten Zeugen hatte das Gericht den Pharmareferenten Wilfried H. geladen, der für Hexal tätig ist und S. seit gut sechs Jahren kennt. „Es ist so, dass ich mit den Präparaten außer den Preisverhandlungen nichts zu tun habe“, erklärte er – Muster der großteils toxischen Krebsmittel habe er daher nicht dabei. Konfrontiert mit einem Statement der Verteidigung, er habe S. „zu deutlich unter Marktpreisen liegenden Konditionen Wirkstoffe aus dem Kofferraum heraus“ verkauft, bestritt H. Es sei in dieser Form auch gar nicht möglich, da die Einkaufskonditionen eh so gut seien: Bestimmte Wirkstoffe mit einem offiziellen Preis von z. B. 600 Euro würden teils für 40 oder 50 Euro verkauft, „weil einfach der Markt kaputt ist“. Angesichts der Marktpreise stelle sich kein Apotheker ins Parkhaus, um Zytostatika schwarz einzukaufen, sagte der Zeuge.
In Schriftsätzen hatten die Verteidiger im Zusammenhang mit den mutmaßlichen Schwarzmarkteinkäufen vorgebracht, dass S. Bargeld im sechsstelligen Bereich entnommen habe. Eine derartige Summe hieße, dass es um 30.000 Packungen gehen könnte, erklärte H. – Lieferungen per Kofferraum hätten dann mehrfach wöchentlich erfolgen müssen.
Die Verteidigung versuchte, H. mit ihren Fragen zur Entlastung zu nutzen – Schwarzmarkteinkäufe könnten schließlich ein Indiz dafür sein, dass S. womöglich mehr Wirkstoff verwendet hat, als ihm vorgeworfen wurde. Die Fragen zielten zunächst offenbar darauf ab zu zeigen, dass fragwürdige Verkäufe möglich seien: Nach der Inhaftierung von S. habe der Hexal-Referent gegenüber dessen Vater erklärt, er würde auf einem Hamburger Zyto-Kongress „jede Menge Zyto-Apotheker“ treffen und könne schauen, ob er nach Schließung des Zyto-Labors die „Restware unters Volk“ bringen könne. Er selber könne keine Arzneimittel vertreiben, erklärte H.: „Ich kann nur einen Kontakt zwischen zwei Apothekern herstellen.“
Was floss vom Angeklagten an den Pharmavertreter?
Auf die Frage, ob er mal Bargeld von S. erhalten habe, erwähnte der Zeuge zunächst nur Fortbildungen für Praxismitarbeiter, für die der Apotheker die Fahrtkosten erstattet habe, „um die Aktivität zu erhalten“. Doch auf Nachfrage, ob er sonst mal Bargeld oder sonstige Leistungen erhalten habe, zögerte H. zunächst lange – und erklärte nach Rücksprache mit seinem als Zeugenbeistand tätigen Anwalt, er wolle vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen, um sich nicht womöglich selbst zu belasten.
Nach der Vernehmung beantragte die Verteidigung, einen weiteren Zeugen hören zu lassen. Dieser könnte aussagen, dass S. Gegenstände im Wert von mehreren Tausend Euro an die Privatadresse von H. habe liefern lassen. Zudem erneuerte die Verteidigung den Vorwurf, der Angeklagte habe Zytostatika auch von anderen von H. vertretenen Firmen bezogen. Offenbar wollen die Verteidiger trotz des Dementis des Zeugen so weiter Zweifel an den von der Staatsanwaltschaft verwendeten Einkaufsmengen streuen, da Einkäufe auf dem Schwarzmarkt „nicht in die Berechnung der Einkaufsquoten einbezogen“ worden seien.
Auf Nachfrage von DAZ.online zu den Aussagen vor Gericht erklärte ein Hexal-Sprecher, dass die Firma die neuen Vorwürfe gegen ihren Mitarbeiter intern prüfen werde. Die wichtigste und von H. bestätigte Aussage sei jedoch gewesen, dass es keine Schwarzmarkteinkäufe gegeben habe. „Das ist ja exakt das, was wir von Anfang an gesagt haben“, sagte der Sprecher. Er ließ jedoch weiterhin offen, inwiefern die Firma womöglich rechtlich gegen die Aussagen der Verteidigung vorgehen wird. |
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