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Interpharm 2018 – ApothekenRechtTag
Kommt das Rx-Versandverbot?
Schlagabtausch zwischen Max Müller (DocMorris) und Dr. Heinz-Uwe Dettling
Rotta fragte Müller zunächst nach seiner Gefühlslage, nachdem der Koalitionsvertrag unterzeichnet und Jens Spahn zum Bundesgesundheitsminister ernannt ist. Müller gab sich entspannt: Diese habe sich seit dem 19. Oktober 2016 nicht geändert, erklärte Müller. Ob das Rx-Versandverbot wirklich komme, könnten weder er noch Herr Dettling beantworten. Die spannende Frage sei eher: „Wenn das Verbot kommt – würde es dann auch bleiben?“ Dazu gebe es höchst unterschiedliche Ansichten. Müller sieht dies gelassen: „Es kommt, wie es kommt. Wir haben in den letzten 18 Jahren mit jeder Situation zu leben und zu arbeiten gelernt“.
Was den neuen Gesundheitsminister betrifft, so räumte Müller ein, dass er Jens Spahn schon viele Jahre kenne – das sei kein Geheimnis. Aber: „Kluge Unternehmer und kluge Politiker können Politik, Geschäft und Privatleben exzellent trennen“.
In der Politik in Gottes Hand
Auch Dettling gab sich vorsichtig mit seiner Einschätzung, ob der Koalitionsvertrag mehr als eine Absichtserklärung zum Rx-Versandverbot ist. Er verwies auf den gern zitierten Spruch: Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand. Doch auf hoher See, so Dettling, sei man mittlerweile sehr sicher – vor Gericht und in der Politik dagegen weniger. Dennoch bleibt Dettling dabei, dass ein flexibles Rx-Versandverbot mit wenigen, rechtlich erforderlichen Ausnahmen die richtige Antwort auf das EuGH-Urteil ist. Nicht nur im eigenen Gutachten hat er das bereits begründet.
Er verwies auch auf das Gutachten zur Arzneimittelpreisverordnung im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums: Dieses zeige ebenfalls, dass die Situation ernst und zahlreiche Apotheken gefährdet seien. Dettling sieht es so: „Jedes Mal, wenn eine Solitärapotheke schließt, entsteht ein Loch in der flächendeckenden Versorgung“. Da verletze der Staat seine Pflicht, für eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Noch sei die Flächendeckung weitgehend gegeben – bislang dank des einheitlichen Abgabepreises. Doch seit dieser vor 1,5 Jahren weggefallen sei, werde das „Durchlöchern“ dramatisch beschleunigt.
Strukturprobleme haben nichts mit dem Versand zu tun
Müller räumte ein, dass es Apotheken gebe, die wirtschaftliche Schwierigkeiten haben. Dies liege aber zum Teil an der ungleichen Verteilung. Selbst innerhalb Berlins sei diese zu finden: So gebe es etwa in Charlottenburg eine sehr viel höhere Apothekendichte als in Lichtenberg. Und auf dem Land sei das Problem in der Regel strukturell: Die Nachfolgersuche sei schwer, die Ärzte fielen weg, Kinderbetreuung sei ein Problem – aber all dies habe „null Komma null mit dem Versandhandel zu tun“, so Müller. Und es gebe einige Möglichkeiten der Kompensation: den Botendienst, Rezeptsammelstellen und den Versandhandel. Dettling entgegnete, dass eine gute Patientenversorgung durchaus die Apotheke vor Ort benötige: Versandhandel und Rezeptsammelstellen könnten das nicht leisten.
Dettling erklärte weiterhin, dass mit dem EuGH-Urteil die „Geschäftsgrundlage“ für den 2004 eingeführten Versandhandel weggefallen sei – nämlich, dass „gleich lange Spieße“ für Vor-Ort- und Versandapotheken gelten sollen. Dem wiederum widersprach Müller: Es habe nie einen Deal gegeben, für den sich Versandapotheken und ABDA mit Ulla Schmidt und Horst Seehofer 2003 an einen Tisch gesetzt haben, um eine „Geschäftsgrundlage“ für den Versand zu schaffen.
Höchstpreise: Alternativer Weg oder Atombombe?
Der DocMorris-Vorstand las vielmehr einen Auszug aus einem Kabinettsbeschluss aus dem Jahr 2006 für das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vor: Damals sollten Höchstpreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel eingeführt werden. Die Einsparungen sollten Kostenträgern und Patienten zugutekommen. Zudem sollte die Umstellung für eine „Harmonisierung“ zwischen Versand- und Vor-Ort-Apotheken sorgen. Für Müller zeigt dies: Es ist falsch, zu sagen, es gebe keinen anderen Weg als das Rx-Versandverbot. Man müsse den Weg nicht gut finden – aber es gebe ihn.
Dettling betonte, dass diese Idee seinerzeit glücklicherweise verworfen wurde und sich Müller auf einen überholten Kabinettsbeschluss beziehe. Denn aus seiner Sicht wären Höchstpreise die „Atombombe für die flächendeckende Versorgung“. Denn wovon sollte die Apotheke vor Ort und auf dem Land wirtschaftlich existenzfähig sein, wenn wir Höchstpreise haben und Versandapotheken sich rauspicken könnten, welche Rx-Arzneien sie versenden und welche nicht? Der Anwalt räumte ein, dass auch er noch einen weiteren Weg als Alternative zum Rx-Versandverbot sehe: Das Modell, wie es vor dem EuGH-Urteil bestand – Versandhandel mit Festpreisen für rezeptpflichtige Arzneimittel. Bliebe es dabei, brauche man auch kein flexibles Rx-Versandverbot.
Müller ließ es sich nicht nehmen, noch darauf hinzuweisen, dass die Höchstpreise, mit denen Apotheken 500 Millionen einsparen sollten, damals zugunsten eines erhöhten Kassenabschlags fielen. Das Fazit des Schlagabtauschs: Man spricht miteinander, doch die Meinungen kommen weder näher zusammen, noch entfernen sie sich weiter voneinander. Das war allerdings auch nicht anders zu erwarten, wie Rotta einräumt. |
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