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Interpharm 2018 – ApothekenRechtTag
Neue EuGH-Vorlage wahrscheinlich, Ausgang ungewiss
Ist bei der Preisbindungsfrage das letzte Wort gesprochen?
Mand beleuchtete in seinem Vortrag die Chancen für einen zweiten Anlauf in Sachen Rx-Preisbindung vor dem EuGH. Denn es ist keinesfalls ausgeschlossen, dass sich die Europa-Richter nochmals mit den Rezept-Boni EU-ausländischer Versandapotheken beschäftigen müssen. Wünschenswert wäre dies sicherlich – denn dass das Urteil der 1. Kammer vom Oktober 2016 in seiner Begründung sehr zweifelhaft ist, kann auch Mand nur unterstreichen. „Es ist ein schlechtes Urteil“, sagte er mit Blick auf die Ausführungen seines Vorredners Dr. Heinz-Uwe Dettling hierzu. „Aber wir müssen es beachten“. Das heißt: Die Rx-Preisbindung gilt im grenzüberschreitenden Versand nicht – wohl aber für deutsche Apotheken. Das Stichwort lautet Inländerdiskriminierung. Diese ist für sich unionsrechtlich gar nicht und auch verfassungsrechtlich schwerlich erfolgreich angreifbar. Wenn man gegen sie vorgehen möchte, muss der nationale Gesetzgeber aktiv werden.
OLG Düsseldorf auf EuGH-Linie
Einzelne deutsche Gerichte haben jedoch bereits auf das Urteil des EuGH reagiert. Zunächst war dies das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, das die Luxemburger Richter in dem Rechtsstreit zwischen Deutscher Parkinsonvereinigung und Wettbewerbszentrale überhaupt erst eingeschaltet hatte. Nachdem die Parkinsonvereinigung nach der EuGH-Entscheidung zu ihren Gunsten überraschend erklärt hatte, sie wolle bei ihren Mitgliedern künftig nicht mehr für DocMorris-Boni werben und der Streit damit erledigt war, mussten die Düsseldorfer Richter nur noch eine Kostenentscheidung treffen. Normalerweise fallen solche Beschlüsse knapp aus. Doch in diesem Fall holte der OLG-Senat ungewöhnlich weit aus. Er nutzte dabei keinesfalls das Hintertürchen, das die 1. Kammer des EuGH offengelassen hatte: An mehreren Stellen hatten die Luxemburger Richter nämlich erklärt, sie vermissten Belege, dass die Rx-Preisbindung erforderlich und geeignet sei, die flächendeckende Arzneimittelversorgung zu sichern – und solche Belege hätten auch die Düsseldorfer Richter, die für „unorthodoxe“ Entscheidungen bekannt sind, nachfordern können. Aber weit gefehlt: Der zuständige Senat des Oberlandesgerichts bekräftigte in seinem Kostenbeschluss wortreich das EuGH-Urteil und verdonnerte die Wettbewerbszentrale zur Erstattung sämtlicher Kosten des Rechtsstreits.
BGH: Segelanweisung ans Berufungsgericht
Ganz anders reagierte kurz nach der EuGH-Entscheidung der Bundesgerichtshof (BGH): Bereits am 24. November 2016 wies er einen Rechtsstreit zwischen der Apothekerkammer Nordrhein und DocMorris um Freundschaftsprämien der niederländischen Versandapotheke an das OLG Köln zurück. Die Kölner Richter hatten DocMorris im Juli 2015 in einem sogenannten Teilurteil untersagt, Kunden für die Werbung eines neuen Kunden, der ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel erwirbt, eine Bankgutschrift von 10 Euro zu versprechen bzw. zu gewähren. Im Hinblick auf einen weiteren Klageantrag wollten die Kölner Richter zunächst das damals noch ausstehende Urteil des EuGH abwarten. Der BGH hob das Urteil vordergründig aus prozessualen Gründen auf – er hielt das Teilurteil für unzulässig. Zugleich gaben die Bundesrichter eine klare „Segelanweisung“, welche Gesichtspunkte das OLG Köln im wiedereröffneten Berufungsverfahren aus seiner Sicht beachten sollte. Sie verweisen darauf, dass nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden könne, ob das OLG Köln zu Recht gegen die beklagte Versandapotheke geurteilt habe. „Der BGH ist offensichtlich pikiert über die EuGH-Haltung“, erklärte Mand. Schließlich hatte die 1. Kammer des EuGH die Rechtsprechung der (höchsten) deutschen Gerichte nicht im Geringsten gewürdigt. Der BGH mahnt in seiner Entscheidung die konsequente Beachtung des Wertungsspielraums der Mitgliedstaaten an. Dazu heißt es in dem Urteil: „Dabei ist darauf hinzuweisen, dass diese Zuständigkeit der Mitgliedstaaten [für die Organisation des Gesundheitswesens] von der Union nicht nur formal, sondern auch im Geist einer loyalen Zusammenarbeit zu beachten ist“.
Noch hat das OLG Köln nicht erneut entschieden. Doch Mand rechnet damit, dass es zu einer weiteren Beweiserhebung kommen wird. Dagegen hat das OLG München kürzlich das BGH-Urteil aufgegriffen. In einem wegen der EuGH-Vorlage lange ausgesetzten Verfahren hat es Ende Februar einen Beweisbeschluss erlassen: Die Münchener Richter ersuchen die Bundesregierung um amtliche Auskunft, ob und unter welchen Umständen die Anwendung des einheitlichen Apothekenabgabepreises auf ausländische Versandapotheken geeignet und erforderlich ist, die flächendeckende, sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Rx-Arzneimitteln sicherzustellen.
Auf die Antwort der Bundesregierung kommt es an
„Unionsrechtlich ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, ist Mand sicher. Er hält es für sehr wahrscheinlich, dass die Preisbindungsfrage wieder vor dem EuGH landet – und das vielleicht schneller als gedacht. „Wünschenswert“ wäre dann die Entscheidung einer Großen Kammer des EuGH. Welche Entscheidung das Gericht bei einer erneuten Vorlage treffen würde, vermochte Mand nicht zu prognostizieren: „Das wäre Kaffeesatzleserei“, gibt sich Mand vorsichtig. Die Entscheidung der 1. Kammer habe ihn in dieser Hinsicht belehrt – vor dem 19. Oktober 2016 hatte er ein solches Urteil für nicht möglich nicht gehalten. Doch so viel wagt der Jurist zu sagen: Der Erfolg wird entscheidend davon abhängen, wie gut die Antwort der Bundesrepublik auf die Anfrage des OLG München ausfällt.
Mand räumt ein, dass offene Richtungskorrekturen in der europäischen Rechtsprechung eher selten sind. Allerdings geben neuere Urteile wieder Hoffnung: So etwa das EuGH-Urteil vom 1. März 2018, in dem das in Rumänien geltende Fremdbesitzverbot bei der Abgabe von Tierarzneimitteln durch Tierärzte als unionrechtskonform anerkannt wird (siehe DAZ 2018, Nr. 10, S. 20). Darin vertreten die Luxemburger Richter wieder die altbekannte Linie: Es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, auf welchem Niveau sie den Gesundheitsschutz gewährleisten wollten – den nationalen Gesetzgebern stehe ein politischer Gestaltungs- und Wertungsspielraum zu. Dies zeige, dass es offenbar divergierende Ansichten innerhalb des EuGH gebe. Jedenfalls begründe die Entscheidung der 1. Kammer keine klare neue Rechtsprechungslinie. Deshalb gelte die alte Sepp Herberger-Weisheit in leicht abgewandelter Form: Nach dem EuGH-Verfahren ist vor dem EuGH-Verfahren. Freilich auch hier mit ungewissem Ausgang. |
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