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„Wir brauchen 14 Digitalministerien“

Interview mit Dorothee Bär (CSU), Staatsministerin für Digitalisierung

eda | 135 Tage nach der Bundestagswahl 2017 war ­die lange und aufregende Zeit der Regierungsbildung endlich vorbei: Am 13. März unterzeichneten Union und SPD ihren Koalitionsvertrag und legten damit den Grundstein für die künftige Zusammenarbeit in einer neuen Großen Koalition. Im Hinblick auf die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch Apotheken vor Ort ist das Rx-Versandverbot wohl die wichtigste Stelle im Papier. Doch aus Sicht der Apotheker lohnt es sich, auch andere Kapitel genauer unter die Lupe zu nehmen. Themen wie Innovation und Digitalisierung werden im aktuellen Koalitionsvertrag so häufig genannt wie noch in keiner Vereinbarung einer Vorgängerregierung. Der digitale Wandel soll auch das Gesundheitssystem weitreichend verändern. Für die ressortübergreifende Abstimmung wurde ein neues Amt im Bundeskanzleramt erschaffen: Dorothee Bär (CSU) ist nun Deutschlands ­erste Staatsministerin für Digitalisierung. Im Interview mit der DAZ gibt sie einen Einblick in ihre Arbeit und verrät, welche Veränderungen die Patienten als Erstes wahrnehmen werden.
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Seit März 2018 ist Dorothee Bär (CSU) Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung.

DAZ: Frau Bär, nun hat Deutschland mit Ihnen endlich eine Digitalministerin – zwar ohne eigenes Ministerium, dafür aber ganz nah bei der Regierungschefin im Kanzleramt. Wieso ist dieses Amt im vierten Kabinett Merkel geschaffen worden?

Bär: In der letzten Wahlperiode haben zwar alle Ministerien Digitalthemen vorangebracht, aber einige Häuser haben nicht ganz das Tempo der Digitalisierung einhalten können. Nun gibt es das Amt der Digitalstaatsministerin, um einerseits die Koordination zu verbessern und andererseits die Übertragung von Best-Practice-Beispielen von einem Ressort ins andere zu fördern. Persönlich sehe ich aber meine Aufgabe auch darin, den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes Mut zu machen, die Digitalisierung selbst zu gestalten.

DAZ: Heftig wurde nach der Bundestagswahl öffentlich darüber debattiert, ob ein Digitalministerium notwendig ist und wenn ja, wer dieses neue Ressort leiten könnte. Was macht Sie für diesen Posten geeignet?

Bär: Ich bin Digitalstaatsministerin bei der Bundeskanzlerin, ein eigenes Ministerium gibt es nicht. Aber mit dem Thema Digitalisierung befasse ich mich parlamentarisch, seit ich 2002 in den Bundestag gekommen bin. Damals war das Thema noch leicht anrüchig und war in den Unterausschuss „Neue Medien“ des Kulturausschusses verbannt. Wie sich die Zeiten ändern …

DAZ: Mit welchen Themen werden Sie sich vorrangig in den nächsten Monaten beschäftigen?

Bär: Mit allen. Wir können es uns nicht erlauben, jetzt der Reihe nach eine Checkliste abzuarbeiten. Heute Breitbandausbau, morgen automatisiertes Fahren, übermorgen E-Health. Alle Ressorts müssen Digitalministerien sein und in ihrem Bereich die Digitalisierung aktiv mitgestalten und zum Besten der Bürgerinnen und Bürger vorantreiben.

DAZ: Die Erwartungen sind hoch: Die Digitalwirtschaft wünscht sich einen Fürsprecher im Kabinett, die digitale Infrastruktur wartet auf ihren Ausbau, Bildungsangebote und die öffentliche Verwaltung sollen digitaler werden ... Prallen da nicht sehr viele Interessen und Hoffnungen aufeinander? Ist es klug, dies alles in einem Ressort zu bündeln?

Bär: Ist es ja nicht, wir brauchen 14 Digitalministerien. Und im Bundeskanzleramt wird koordiniert.

DAZ: Das Gesundheitswesen ist eine weitere „digitale Baustelle“. Einige Projekte wurden in den letzten Jahren angekündigt, zum Teil begonnen oder direkt wieder beerdigt. Die elektronische Gesundheitskarte ist dafür ein gutes Beispiel. Was hat für Sie im Gesundheitswesen nun oberste Priorität? Welchen digitalen Wandel werden die Patienten als Nächstes wahrnehmen?

Bär: Wir müssen mit den Dingen anfangen, die das Leben der Bürgerinnen und Bürger fühlbar verbessern. Zum Beispiel die Möglichkeit schaffen, den Mutterpass oder den Impfpass zu digitalisieren und einen Hinweis aufs Handy zu bekommen, wenn eine Impfung aufgefrischt werden muss. Mit solchen lebenspraktischen Anwendungen nehmen wir den Menschen die Scheu vor der Digitalisierung.

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Aus dem Bundeskanzleramt wird zukünftig die Digitalisierung koordiniert.

DAZ: Inwiefern wird sich die jetzige Versorgungslandschaft verändern müssen? Oder anders gefragt: Soll die Digitalisierung das jetzige System langfristig ersetzen oder mit dem System reifen und da für Lösungen sorgen, wo es notwendig ist?

Bär: Digitalisierung ist ein Prozess, der alle Lebensbereiche beeinflusst und verändert. Er ersetzt allerdings keine hochwertige medizinische und pharmazeutische Versorgung, sondern ergänzt sie. Gerade bei chronischen Erkrankungen ist das Potenzial für eine Steigerung der Lebensqualität enorm. Wir müssen die neuen Möglichkeiten als Chance begreifen und dort für Patienten nutzen, wo es den Menschen hilft.

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Vor allem Dokumentationen sollen durch die Digitalisierung zusammengefasst werden. Hierzu gehören Medikationspläne, Impfpässe oder Röntgenbilder.

DAZ: Wo sehen Sie in der Arzneimittelversorgung Digitalisierungspotenzial?

Bär: Ein enormes Potenzial sehe ich in der Zusammenführung von Dokumentationen wie z. B. im Medikationsmanagement, Impfpass, Röntgenaufnahmen, Diagnosen, etc. Die Bündelung der Patientendaten auf sicheren Portalen ist eine Einsatzmöglichkeit, um Heilberuflern eine valide Basis für ihre Arbeit zu geben. Außerdem können wir unter Anwendung sicherer Anonymisierungsmethoden so Datenbasen schaffen, die ausgewertet und so bei der Entwicklung neuer Therapien helfen können.

DAZ: Arzneimittelversandhändler argumentieren, dass ihr Geschäftsmodell ein Paradebeispiel für Digitalisierung wäre. Die ehemalige SPD-Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries war hiervon offensichtlich auch überzeugt und ließ sich in einem medial inszenierten Besuch bei DocMorris herumführen. Wie stehen Sie dazu? Lässt sich Digitalisierung nicht mit den Leistungsträgern vor Ort umsetzen?

Bär: Sicherlich! Die Arzneimittelversorgung vor Ort ist entscheidend für eine hochwertige Versorgung und Betreuung der Bevölkerung. Die inhabergeführten Apotheken in Deutschland sind seit vielen Jahren sehr gut digital aufgestellt und im Alltag vertraut. Sie sind der optimale Partner, sich digital und persönlich um die Menschen vor Ort zu kümmern.

DAZ: Die Herausforderung für Sie als Digitalministerin wird sein, zu erkennen, ob die Start-ups von heute die ­Arbeitsplätze von morgen sein werden, inwiefern die Wirtschaftskraft Deutschlands durch Digitalisierung gestärkt oder geschwächt wird. Glauben Sie, dass genau diese Beurteilung im Kanzleramt besser gelingt als in einem eigenen Ministerium?

Bär: Die Prognosen über Arbeitsplatzentwicklungen nehmen weiterhin die Fachleute im Bundesministerium für Arbeit und Soziales und im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vor. Sie kommen übrigens zu dem Ergebnis, dass es so schlimm nicht aussieht und der Wegfall in manchen Sektoren des Arbeitsmarkts durch Zugewinne in anderen Sektoren mindestens ausgeglichen wird. Aber wichtig ist, dass digitale Arbeitsplätze ja nicht nur in Start-ups entstehen. Gerade in innovativen mittelständischen Unternehmen sehe ich ein großes Potenzial, die Digitalisierung in Deutschland zu gestalten.

DAZ: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für Ihre Arbeit! |

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