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Marketing

Premium-Apotheken

So gelingt Differenzierung

Bei Markenartikeln oder hochwertigen Dienstleistungen stößt der Verbraucher unweigerlich auf den Begriff „Premium“. Es gibt Premium-Bier, Premium-Partner, teure Autos findet man im Premium-Segment und in der Modewelt sprechen Designer von Premium-Marken. Gelegentlich wird Premium auch mit Begriffen wie Selection, Very Special, Platinum oder Gold ergänzt. Kann es denn auch Premium-Apotheken geben? Wenn ja, was genau macht diese Apotheken aus? | Von Frank Weißenfeldt

Unter dem Begriff Differenzierung versteht man, dass Kunden ein angebotenes Produkt oder eine Dienstleistung als einzigartig und besonders verstehen. Tatsächlich kann es sich um ein Angebot handeln, das konkurrenzlos ist. Oder es handelt sich um einen Service, der nicht erwartet wird oder zu einem hohen Grad an Zufriedenheit führt. Schließlich ist es vielleicht auch die nette und sehr persönliche Geste, die ein Lächeln auf die Lippen des Kunden zaubert.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Woher stammt der strategische Ansatz der Differenzierung bzw. die Idee, etwas „Premium zu machen“? Und – bezogen auf die Apotheke – was bedeutet die Herausstellung von Leistungsmerkmalen für den Alltag in der Offizin?

Differenzierung als Wettbewerbsstrategie

Die Wurzeln der Differenzierung liegen in den USA. Die Wettbewerbsstrategien von Michael E. Porter, langjähriger Professor für Unternehmensführung an der Harvard Business School, sind Studierenden der Betriebswirtschaft – seit Ende der 80er-Jahre – so geläufig wie die Strukturformel der Acetylsalicylsäure Studierenden der Pharmazie.

Mit seinem Konzept versucht Porter, die möglichen strategischen Ausrichtungen zu systematisieren, die ein Unternehmen verfolgen kann, um sich im Markt einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Der Professor aus Boston ordnet die Strategie-Typen nach dem möglichen Ziel („Was will ich mit meinem Unternehmen tun?“) und nach dem vom Unternehmen angestrebten strategischen Vorteil („Wie kann das Unternehmen das Ziel erreichen?“) ein.

Laut Porter gibt es grundsätzlich drei strategische Ausrichtungen eines Unternehmens im Wettbewerb. Die drei Strategie-Typen sind:

  • Kosten- und Preisführerschaft bzw. Discounterstrategie
  • Differenzierung bzw. Premiumstrategie und
  • Fokussierung auf ein Segment bzw. auf eine Marktnische.

Es fällt uns leicht, Marken aus dem Lebensmitteleinzelhandel diesen drei Strategie-Typen zuzuordnen. Edeka (Slogan: „Wir lieben Lebensmittel“) und Rewe („Einkauf bis zur Wohnungstür liefern lassen oder am Wunschmarkt abholen“) verfolgen eine glasklare Strategie der Differenzierung, während die Brüder Karl und Theo Albrecht mit Aldi (Süd und Nord) als die Erfinder des Discount-Prinzips gelten. Neben Aldi gibt es heute bekanntlich mit Lidl, Netto, Norma und Penny eine Reihe weiterer Discountmärkte. Eine lukrative Nische im Lebensmitteleinzelhandel ist das Segment der Biolebensmittel, das u. a. durch Alnatura und durch die Reformhäuser abgedeckt wird.

Drei Apotheken-Typen

Deutlich schwieriger gestaltet sich die Zuordnung dieser drei Strategie-Typen im Apothekenmarkt. Grundsätzlich stellt sich z. B. vorab die Frage, ob sich Discountstrategie und Apotheke nicht per se ausschließen. Apothekenmarkt­experte Jan Tittelbach von der Marketingagentur „permanent. Wirtschaftsförderung“ betreut rund 300 Apotheken und vertritt die These: „Man kann nicht auf der einen Seite eine medizinisch-komplexe Dienstleistung anbieten und als qualitativer Teil der Versorgungslandschaft angesehen werden und gleichzeitig Discount-Niveau kommunizieren. Denn das Versprechen hinter dem Discount ist universell und erzeugt ja eine Erwartungshaltung. Kein Kunde erwartet z. B. bei Aldi eine Verkäuferin, die eine profunde Ernährungsberatung gibt, nur weil Aldi Bananen verkauft. Im Gegenteil.“

Selbstverständlich gibt es Apotheken, die sich auf bestimmte Indikationen und Patientengruppen spezialisiert haben, auch die Fokussierung auf ältere Menschen oder junge Mütter ist der Apothekenbranche nicht fremd. Letztendlich erhält aber der Patient in der Apotheke jedes benötigte Arzneimittel und die Beratung dazu. Die ausschließliche Fokussierung auf eine Nische kann und darf es daher im Apothekenmarkt nicht geben.

Es bleibt also die strategische Ausrichtung der Differenzierung bzw. die Premiumstrategie. Eine Zielsetzung, die sowohl eine Gruppe von Apotheken im Rahmen eines Franchise bzw. einer Kooperation verfolgen kann als auch die einzelne Apotheke vor Ort, im Stadtteil, in der Gemeinde oder im Dorf.

In den folgenden Beispielen konzentrieren wir uns auf die einzelne Apotheke bzw. auf einen überschaubaren Filialverbund. Die Entwicklung im Apothekenmarkt und aktuelle Studien zeigen insbesondere drei „Spielarten“ der Differenzierung bzw. der Premiumstrategie:

  • Die „24/7 Apotheke“ mit Öffnungszeiten von z. B. 8 bis 24 Uhr an 365 Tagen im Jahr und einem Botendienst und/oder der Teilnahme an einem Lieferservicenetzwerk (z. B. Pillentaxi) von und für Apothekerinnen und Apotheker.
  • Die „Wohlfühlapotheke“ mit besonderem Service in exklusiver Atmosphäre (z. B. Aktionstage und individuelle Beratung). Eigene Zubereitungen bzw. apothekeneigene Marken runden ggf. das Leistungsspektrum ab.
  • Die Apotheke als „lokale Marke“. Die Apotheke identifiziert sich mit der Stadt, dem Viertel, dem Kiez oder dem Dorf und fühlt sich verbunden mit dem lokalen Fußball- oder Handballverein, der Karnevalsgesellschaft, der Schützenbruderschaft oder der freiwilligen Feuerwehr. Im Kern geht es darum, das Marketing der Apotheke auf das regionale bzw. lokale Umfeld zu konzentrieren und mit einem Markenversprechen zu agieren, sowie bei der Kommunikation eine wiedererkennbare Absenderschaft zu vermitteln. Die Markenbasis kann sich aus allem rekrutieren was trägt (z. B. Engagement für den lokalen Sportverein) und zur Etablierung der lokalen Marke beiträgt.

Die drei Spielarten können miteinander in Verbindung stehen. Selbstverständlich gibt es keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sicherlich gibt es weitere strategische Ausprägungen im Kontext der Differenzierung.

Foto: BerlinApotheke
Attraktive Standorte und Öffnungszeiten bieten die Apotheken der „BerlinApotheke“ ihren Kunden und Patienten

Die 24/7-Apotheke

Amazon, Lieferando und Co. verändern unser Konsumverhalten. Der gemeinsame Familieneinkauf gehört der Vergangenheit an. Produkte für den täglichen Bedarf werden verstärkt online bestellt und Essen bringt der Pizza­bote oder Fahrradkurier. Welche Bedeutung hat diese Entwicklung für die Apotheke und welche Möglichkeiten bietet ein Botendienst, lange Öffnungszeiten?

Für 80 Prozent der Kunden ist die günstige Lage und damit die Verfügbarkeit des Produkts entscheidend für die Apothekenwahl. Wie lange dieses Argument jedoch standhalten kann, bleibt abzuwarten. Schließlich kann sich bereits jeder Dritte vorstellen, rezeptfreie Produkte bei Onlinehändlern wie Amazon zu bestellen. Für Apotheken, die lediglich auf den Standortfaktor setzen, könnte dies zum Problem werden.

Nach einer Forsa-Umfrage steht der Botendienst auf Platz zwei der Top-Fünf-Serviceleistungen der Apotheke. Lediglich der Notdienst wird von den Kunden noch höher angesehen. Etwa 88 Prozent der Befragten halten den Botendienst für wichtig. Daher bietet den Vor-Ort-Apotheken ein guter Lieferservice die Chance, sich im Wettbewerb gegenüber der lokalen Konkurrenz – aber auch gegenüber den Arzneimittelversendern und weiteren Dienstleistern – zu differenzieren.

Amazon dominiert mit rund 50 Prozent Marktanteil des Onlinehandels in Deutschland. Drei wesentliche Gründe für diese Marktmacht: Die 100-prozentige Kundenorientierung (u. a. schnelle und sichere Lieferung), die Bequemlichkeit und der hohe Bekanntheitsgrad.

Foto: BerlinApotheke
Fast 90 Prozent der Apothekenkunden halten den Botendienst für wichtig - wie den von der BerlinApotheke.

Lieferando-Mitbegründer Philipp Hartmann sagte in diesem Kontext: „Wir wachsen nach wie vor. Es hat sich ausgezahlt, dass wir in den vergangenen Monaten extrem viel Wert auf Branding gelegt haben. Jetzt ernten wir bereits die Früchte: Lieferando ist mittlerweile bei 40 Prozent der Befragten ‚Top of Mind‘. Lieferheld kommt auf 20 Prozent, Pizza.de auf 13 Prozent.“ Von diesem Bekanntheitsgrad sind lokale Botendienste natürlich weit entfernt.

Mit rund hundert „Pillentaxis“ ist das von einem Kölner Apotheker gegründete gleichnamige Unternehmen allerdings heute bereits ein „Local Hero“ im Rheinland und auf dem besten Weg sich zu einer überregionalen Marke zu entwickeln. „Leider gibt es noch einige weiße Flecken auf der Landkarte, aber wir arbeiten hart daran, auch diese Straßen zu befahren. Wir entwickeln uns zu der Plattform für Belieferungen von Medikamenten. Lieferando und Co. sind dort gute Vorbilder. Sie alle unterstützen den lokalen Markt“, sagt Geschäftsführer Michael Walter.

Ausgesprochen attraktive Öffnungszeiten hat die Apothekengruppe der „BerlinApotheke“ in der Metropole an der Spree. Begeistert erzählt die Inhaberin, Apothekerin Anike Oleski: „Die Formel ‚365 + 8 bis 24‘ – also von 8 bis 24 Uhr geöffnet an 365 Tagen – funktioniert sehr gut. Insbesondere junge Leute aus der Start-up-Szene sprechen wir mit unseren unorthodoxen Öffnungszeiten an. Diese Zielgruppe – die per se ja eher internetaffin ist – geht gerne nach 20 Uhr in die Apotheke.“

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Auf Eigenmarken setzt die Edelweiß-Apotheke in Schladming.

Die Wohlfühlapotheke

2017 führte das Start-up „POSpulse“ mit knapp 700 Verbrauchern eine Befragung zum Status quo sowie zu Zukunftsthemen im Apothekenmarkt durch.

„Wir haben die Apothekenkunden vor die Qual der Wahl gestellt“ – berichtet Elena Bergmann von „POSpulse“. „Die Teilnehmer der Studie mussten sich für ein Szenario entscheiden: Einer 24/7-Apotheke, in der alle rezeptfreien Medikamente sofort und überall verfügbar sind oder einer Wohlfühlapotheke mit individueller Gesundheitsberatung und interaktiven Erlebnissen. Fast die Hälfte der Befragten entschied sich für die Wohlfühlapotheke. Für mich ein überraschend positives Ergebnis. Die Frage ‚Wie wahrscheinlich ist es, dass Du zukünftige Gesundheitsberatung in privater Lounge-Atmosphäre nutzt?‘ beantworteten 55 Prozent der Befragten mit sehr oder eher wahrscheinlich. Nur 19 Prozent sagten, dass sie ein solches Angebot eher nicht an­nehmen würden.“

Foto: Ramona Kottke
Die Apotheke am Paulinenplatz ist seit vielen Jahren eine feste und bekannte Größe im Kiez von St. Pauli.

Ein Beispiel für eine „Wohlfühlapotheke“ ist die Edelweiß-Apotheke in Schladming, Österreich. „Wenn man Ihre Edelweiß-Apotheke betritt – ist man bereits ein wenig gesünder“,

sagte mal ein Patient zu Inhaberin Vera Ottowitz. In der Tat überzeugt die Edelweiß-Apotheke durch eine helle und lichtdurchflutete Offizin, ein ausgesprochen freundliches Apothekenteam und apothekeneigene, hochwertige Naturprodukte sowie eine Kosmetiklinie.

Die in Dermakosmetik ausgebildeten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beantworten den Patienten alle Fragen rund um die Pflege der Haut. Alle Produkte werden in einem eigenen Onlineshop angeboten. Ferner können Patienten – z. B. mit Hautproblemen – individuelle Beratungstermine ver­einbaren.

Die Apotheke als lokale Marke

Auch wenn es vielen Menschen in Deutschland heute materiell so gut geht wie noch nie, leben wir in „unruhigen Zeiten“. Globalisierung und Digitalisierung schreiten voran. Sicherheit und Vertrauen sind daher emotionale Schlüsselreize die „hoch im Kurs stehen“. Es sind menschliche Grundbedürfnisse, für die insbesondere auch die Apotheken vor Ort steht. Der lokale Bezug wird tendenziell immer wichtiger. Und in jedem Apotheker steckt somit ein „Local Hero“.

Ein erfolgreiches Beispiel für eine starke lokale Apothekenmarke ist die Apotheke am Paulinenplatz in Hamburg–St. Pauli. Wahrscheinlich ist es die bekannteste Apotheke im berühmtesten Stadtteil der Freien und Hansestadt Hamburg. Nicht alles, aber vieles in der Apotheke am Paulinenplatz dreht sich um den Kiez und den FC St. Pauli. Begonnen hat es mit dem Fußballtagebuch von Egbert Waschulewski, dem Ehemann der früheren Inhaberin Brigitte Henrich-Waschulewski. Auch die neue Inhaberin der Apotheke am Paulinenplatz – Dr. Ramona Kottke – ist eine glühende Anhängerin des Kultvereins vom Millerntor. Bei Heimspielen wird die Fahne vor der Apotheke gehisst und Vereinsmitglieder erhalten auf alle frei verkäuflichen Produkte Rabatt.

Das Fußballtagebuch auf der Apothekenhomepage ist nicht die einzige Verbindung zum Lokalverein FC St. Pauli.

Das Engagement des Teams der Apotheke am Paulinenplatz geht aber deutlich über das Thema Fußball hinaus. „Unser Anspruch ist, die Apotheke und der Ansprechpartner für alle Fragen rund um Gesundheit und Arzneimittel hier im Viertel zu sein“, erläutert Dr. Ramona Kottke. Die Apotheke im Kiez unterstützt u. a. die Hamburger Tafel und die Aktion „Kinderlachen“. Einen kleinen Seitenhieb auf den Lokalrivalen, den Hamburger Sportverein, kann sich die Apothekerin mit dem sympathischen Lachen dann doch nicht verkneifen: „Vor meiner Apotheke weht niemals die Fahne mit der Raute. Auch nicht auf Halbmast, selbst wenn der vermeintlich große HSV absteigen sollte.“

Foto: BerlinApotheke
Einen Seitenhieb gegen den „Bundesliga-Dino“ HSV stellt dieses Plakat der Apotheke am Paulinenplatz dar.

Fazit

Welche Apotheken sind wirklich „Premium“? Das Rennen ist längst eröffnet. Die gute Nachricht: Es wird nicht nur ein „Winning Horse“ geben. Dennoch ist entscheidend auf welches Pferd man setzt bzw. in welches Geschäftsmodell man investiert. Unverzichtbar ist dabei, dass stets das gesamte Apothekenteam dahinter steht und die Patienten bzw. Kunden vom Angebot begeistern kann. |

Autor

Frank Weißenfeldt ist Associate Director bei IQVIA in Frankfurt am Main, einem führenden internationalen Anbieter von integrierten Informations- und Technologielösungen. Dort leitet er u. a. das Apotheken-Panel-Management. Weißenfeldt ist Dozent an der Hochschule Schmalkalden, Autor zahlreicher Fachpublikationen und regelmäßiger Referent zu Themen mit gesundheitspolitischem, volks- bzw. betriebswirtschaftlichem Bezug.

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