DAZ aktuell

Versender außer Kontrolle

Niemand fühlt sich für „Grenzapotheken“ verantwortlich

eda | Seit September 2017 gelten für Versandapotheken in den Niederlanden offenbar neue gesetzliche Regelungen. Unternehmen, die vor allem ins europäische Ausland versenden, gelten demnach als sogenannte Grenzapotheken und müssen Bescheinigungen derjenigen Mitgliedstaaten vorlegen, in die sie hauptsächlich versenden. DAZ-Recherchen zufolge hat diese Regelung aber praktisch keine Relevanz.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will auf dem Apothekertag im Oktober sein „Maßnahmenpaket“ für die Apotheken vorstellen. Neben der Honorarfrage und der Zukunft der PTA-Ausbildung hat der CDU-Minister auch vor, den sogenannten Versandhandelskonflikt zu lösen. Spahn will im Bereich der verschreibungspflich­tigen Arzneimittel eine Rabattschlacht vermeiden und die Preisbindung beibehalten. Offen bleibt, was er konkret plant. Rechtsexperten sehen für dieses Vorhaben einzig das Rx-Versandverbot als europa- und verfassungsrechtlich unbedenklich an. Dazu äußert sich Spahn jedoch skeptisch.

Ausländische Arzneimittelversender, vor allem aus den Niederlanden, profitieren seit vielen Jahren davon, dass es in der deutschen Politik offenbar keine Einigkeit darüber gibt, wie genau mit ihnen verfahren wird. Eigentlich müssten durch die sogenannte Länderliste des Bundesgesundheitsministe­riums (BMG) und mit dem Rahmenvertrag zwischen Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband (DAV) klargestellt sein, wer deutsche Patienten unter welchen Voraussetzungen mit Arzneimitteln beliefern darf. So gibt die Länderliste beispielsweise vor, dass Arzneimittel aus den Niederlanden nur von Versandapotheken mit gleichzeitiger Präsenzapotheke verschickt werden dürfen. Darüber hinaus legt der Rahmenvertrag fest, dass auch für ausländische Apotheken das sogenannte Rabattverbot gilt. Doch eine Überwachung und Sanktionierung bei Verstößen findet praktisch nicht statt. Versender gewähren ihren Kunden Boni auf Rezepte ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

Prof. Harald Schweim wies in seinem Beitrag „Auf gute Nachbarschaft?“ (DAZ 2018, Nr. 24, S. 17) darauf hin, dass die Niederländer seit 2017 eine Grenzapotheken-Regelung haben. Sie erwarten demnach eine Bescheinigung desjenigen EU-Mitgliedstaates, in das die Arzneimittel versendet werden. Auf Nachfrage beim nordrhein-westfälischen Sozialministerium verweist ein Sprecher auf die Länderliste des BMG und ergänzt, dass die Bundesländer „aufgrund mangelnder Rechtsgrundlage keine Inspektionen in niederländischen Apotheken durchführen“. Auch das BMG bestätigt, dass „deutsche Behörden durch niederländisches Recht grundsätzlich nicht zu Überwachungsmaßnahmen in den Niederlanden verpflichtet werden können“. Entsprechende Inspektionen hätte es daher bislang nicht gegeben. Man wolle sich aber „diesbezüglich im Rahmen der institutionalisierten Zusammenarbeit mit den Ländern austauschen“. Die in den Niederlanden für das Apothekenwesen zuständige Behörde, die Inspectie Gezondheidszorg en Jeugd (IGJ), kann den Widerspruch zwischen der Grenzapotheken-Regelung und der fehlenden Gesetzesgrundlage für deutsche Behörden, niederländische Versender zu kontrollieren, auch nicht erklären. Bisher hätte es diesbezüglich keinen informellen Austausch mit Ministerien in Deutschland gegeben. Es wäre ohnehin nur der IGJ möglich, Inspektionen in den Niederlanden durchzuführen. Offen bleibt also, nach welchen Kriterien die EU-Mitgliedstaaten den niederländischen Grenzapotheken die geforderten Bescheinungen ausstellen können. |

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