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Videoüberwachung: Urteil zu Löschfristen

Neues aus dem Arbeitsrecht

Die Datenschutz-Grundverordnung und die geltende Rechtsprechung widersprechen sich mitunter. Ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts erlaubt es Arbeitgebern, Aufzeichnungen so lange zu archivieren, wie ihre möglichen Ansprüche gehen.
Foto: Maksim Kabakou – stock.adobe.com

Eigentlich gelten durch die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) strenge Vorgaben. Art. 5 legt als Ma­xime die Datenminimierung fest. Das heißt speziell für Kameras in Apotheken: Inhaber müssen prüfen, ob sie nicht durch andere Maßnahmen als die Videoüberwachung einen ähnlich hohen Schutz erzielen. Nachweisbarer Diebstahl in der Vergangenheit (Az.: OVG 14-12-2017) oder Sicherheitsbedenken durch schlecht einsehbare Hintertüren für Boten können Kameras rechtfertigen. Im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist vom Tatbestand der „Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke“ die Rede. Nicht zuletzt muss eine angemessene Löschfrist für Videodateien festgelegt werden (DSGVO Art. 17). Das Bundesarbeitsgericht überrascht jetzt mit einer ganz anderen Interpretation (BAG, Az.: 2 AZR 133/18).

Durch die Instanzen

Worum ging es in der gerichtlichen Auseinandersetzung? Die Klägerin arbeitete als Verkäuferin in einem Zeitschriften- und Tabakeinzelhandel mit offener Videoüberwachung. Ab Juli 2016 gab es mehrfach Differenzen zwischen dem Warenbestand und der Abrechnung. Ihr Arbeitgeber wertete die Kameraaufzeichnungen erst im August 2016 aus. Er sah, dass seine Angestellte mit einer Geldkassette aus dem Blickwinkel der Kamera verschwand und kurz darauf erneut auftauchte. Daraufhin kündigte er ihr fristlos.

Die Arbeitnehmerin hatte mit ihrer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Iserlohn (Az.: 4 Ca 1501/16) und vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (Az.: 2 Sa 192/17) Erfolg. In den Urteilen hieß es, Erkenntnisse aus den Videoaufzeichnungen unterlägen einem Verwertungsverbot. Ihr Chef hätte Bildsequenzen unverzüglich, jedenfalls deutlich vor dem Datum seiner Auswertung, löschen müssen. Dies sei nicht geschehen.

Am BAG kam es schließlich zur Kehrtwende. Der Arbeitgeber müsse Bild­material nicht sofort auswerten, hieß es bei der Verhandlung. Vielmehr könne er solange warten, bis er einen berechtigten Anlass sehe. Einer gerichtlichen Verwertung stünden Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung jedenfalls nicht im Wege. Voraussetzung ist aber, dass die offene Videoüberwachung rechtmäßig war. Um dies festzustellen, wurde das Verfahren zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Kasse ein häufiges Ärgernis

Ob die Arbeitnehmerin tatsächlich Geld unterschlagen hat, ist unklar. Das Arbeitsgericht Iserlohn fand als Vorinstanz im Videomaterial keine Beweise. Und die Beklagte bestreitet alle Vorwürfe. Weder das Landesarbeits­gericht Hamm noch das Bundesarbeitsgericht äußerten sich zum Sachverhalt. Der Arbeitgeber wollte vor allem erreichen, dass sein wirtschaftlicher Schaden von 80,50 Euro und 430 Euro plus Zinsen für die Video-Auswertung ersetzt wird.

Minou Hansen, Rechtsanwältin bei ADEXA, kennt das Thema Kassen­differenzen aus der Rechtsberatung: „Gibt es Fehlbestände, drohen Arbeitgeber gelegentlich, den Betrag allen Angestellten anteilig vom Lohn abzuziehen.“ Dafür gebe es rechtlich keine Handhabe. Sie rät allen ADEXA-Mitgliedern, in solchen Fällen umgehend mit der Rechtsberatung Kontakt aufzunehmen. |

Quelle: Pressemeldung BAG, online unter: https://bit.ly/2MXJ4ur

Michael van den Heuvel

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