Wirtschaft

Vom „Prinzip Apotheke“ lernen

Ein Kommentar von Thomas Müller-Bohn

Dr. Thomas Müller-Bohn, Apotheker und Dipl.-Kfm., Redakteur der DAZ

Fernbusse sind ein Beispiel für ein neues Geschäftsfeld, das ohne Testphase plötzlich entstanden ist – in diesem Fall durch die Abschaffung des Personenbeförderungsmonopols im Jahr 2013. Die Branche liefert damit fast wie in einem künstlich geschaffenen Modell Erfahrungen über die Funktionsweise von Märkten.

Die unregulierte Situation hat hier nur kurz zu vielen Anbietern und einem funktionsfähigen Wettbewerb geführt. Schon nach wenigen Jahren hat sich ein Anbieter weitgehend durchgesetzt und ist quasi zu einem Monopolisten geworden. Nach hartem Preiswettbewerb steigen die Preise inzwischen wieder an. Schnäppchenpreise sind also kein Dauerzustand, sondern nur ein Vergnügen für Kurzsichtige. Bemerkenswert erscheint hier, wie schnell diese Entwicklung abgelaufen ist. Gewonnen hat ein Anbieter mit zunächst sehr niedrigen Preisen, starkem Marketing, einer konsequent genutzten digitalen Angebotsplattform und einer bemerkenswerten Arbeitsteilung. Den Kern der Leistung, den Transport der Reisenden, übernehmen „Partner“. Der Anbieter, der nach außen wahrgenommen wird, organisiert bzw. vermittelt dies eigentlich nur. So kann er schnell wachsen, ohne große Investitionen zu tätigen, also bevor große Gewinne entstehen. Das ist vermutlich ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg und es führt dazu, dass die Gewinne langfristig auf der Ebene des Organisators anfallen werden. Die ausführenden regionalen Busunternehmen und deren Mitarbeiter müssen seine Bedingungen akzeptieren und haben selbst keine Gestaltungsmöglichkeiten.

Zum (Beinahe-)Monopol als Busreiseanbieter kommt also das (Beinahe-)Monopson als fast einziger Nachfrager von Bussen für solche Fahrten. Das widerspricht dem marktwirtschaftlichen Ideal gleich doppelt. Der Markt hat sich praktisch selbst abgeschafft. Darum sollte dies eine Mahnung an alle sein, die Liberalisierung als Wundermittel oder gar als Garant für niedrige Preise betrachten.

Alternative: Regulierter Markt

Die regionalen Busunternehmer hätten vermutlich eine bessere Wett­bewerbsposition, mehr Aussicht auf einen nachhaltigen Betrieb und angemessenere Gewinnaussichten, wenn sie ihre Leistungen jeweils auf eigene Rechnung auf einer gemeinsam organisierten Plattform anbieten würden. Dafür bietet das Internet großartige Möglichkeiten. Doch offensichtlich wurde die Chance nicht gesehen oder nicht gut genug genutzt. Das „Prinzip Apotheke“ hätte dabei als Anregung dienen können. Denn es betont die Leistungsfähigkeit regionaler eigenverantwortlicher Anbieter, die mit ihren Leistungen nahe bei den Kunden sind und flexibel auf deren Bedürfnisse reagieren können. Die Vorteile der inhabergeführten Apotheken in einem sinnvoll geregelten Versorgungssystem habe ich im Buch „Das Prinzip Apotheke“ beschrieben (s. u.). Dies hätte nicht nur als Inspiration für Busunternehmer getaugt, sondern auch für den Gesetzgeber.

Als konstruktives Konzept zwischen dem früheren Verbot und der ungeregelten Marktfreiheit hätte sich bei einer Dienstleistung mit öffentlichem Versorgungsinteresse auch ein regulierter Dienst angeboten. Eine Plattform mit klaren Bedingungen für Anbieter und Nachfrager hätte regionalen Busunternehmen einen attraktiven neuen Markt und den Kunden eine neue nachhaltige Dienstleistung mit der Aussicht auf dauerhaft faire Preise geboten.

Lehren für das E-Rezept

Mit Blick auf die Apotheken erscheinen die Erfahrungen von den Fernbussen vor allem für ein Thema relevant, das in absehbarer Zeit sehr wichtig werden dürfte: das elektronische Rezept. Denn auch dies ist eine praktisch neue Leistungsvariante. Die Fernbus-Liberalisierung lehrt, dass eine umfassend nutzbare und gut angelegte Plattform für die Organisation der Leistung entscheidend sein kann. Sie lehrt auch, dass der Markt keineswegs die Anbietervielfalt sichert. Und das obige Gedankenspiel einer (öffentlich rechtlich) geregelten Plattform zeigt, wie es besser als bei den Fernbussen gehen kann: Nachfrager (hier: Patienten) und Anbieter (hier: Apotheken) sollten direkt zusammengeführt werden. Eine staatliche oder in der Selbstverwaltung organisierte Netzagentur muss dabei die technischen Bedingungen vorgeben und den Zugang sichern.

Nur echte Leistungserbringer sollten Zugang haben, aber nicht Vermittler, die an den Leistungen anderer verdienen, am Ende die Preise diktieren und eigentlich nur die Arbeit machen, die ein neutraler Netzbetreiber besser machen würde. (Elektronische) Rezepte dürfen also kein handel- oder vermittelbares Gut werden. Kritische Beobachter warnen bereits vor einem solchen Szenario. Darum gilt es jetzt, die Weichen für den Umgang mit E-Rezepten richtig zu stellen.

Literaturtipp

Thomas Müller-Bohn

Das Prinzip Apotheke - Ein Manifest

150 S., kartoniert

Format 15,3 × 23,0 cm

16,80 Euro

ISBN 978-3-7776-2560-7

S. Hirzel Verlag 2016


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