Arzneimittel und Therapie

Revolution im Notfallkoffer?

Mit Naloxon-Nasenspray bei Opioid-Überdosis rasch Hilfe leisten

Eine Opioid-Vergiftung wird durch den Notarzt standardmäßig mittels einer intravenösen, intramuskulären oder subkutanen Naloxon-Gabe therapiert. Seit dem 1. September 2018 gibt es eine neue Darreichungsform, die auch geschulten Laien die Anwendung ermöglicht: ein Naloxon-haltiges Nasenspray.

Nyxoid® ist das erste auf dem deutschen Markt erhältliche Naloxon-haltige Nasenspray. Es ist zur Notfallbehandlung bei bekannter oder vermuteter Opioid-Überdosierung bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 14 Jahren zugelassen. Bei Naloxon handelt es sich um einen kompetitiven Opioid-­Rezeptor-Antagonist, der Opioid-Wirkungen wie Atemdepression und Schmerzlinderung aufhebt. Aufgrund seines hohen First-Pass-Effekts ist Naloxon nur parenteral verfügbar. Nasal wird es rasch resorbiert und gelangt innerhalb einer Minute in den systemischen Blutkreislauf. Es konnte gezeigt werden, dass durch die Gabe von 2 mg Naloxon nasal der gleiche Wirkspiegel erreicht wird wie durch die Gabe von 0,4 mg Naloxon intramuskulär. In einer Packung befinden sich zwei Einzeldosis-Nasensprays, die je 1,8 mg Naloxon enthalten. Da sich nur eine Dosis in jedem Nasenspray befindet, darf vor der Anwendung keinesfalls ein Probestoß abgegeben werden! Der Preis für eine Packung liegt derzeit bei 45,72 Euro (Stand: 24. September 2018).

Foto: ekr/Mundipharma GmbH
Ein Anwendungsvideo sowie Schulungsmaterialien für Ärzte und Patienten stehen auf der Webseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Verfügung.

Anwendung des Nasensprays

Wird eine Person mit Verdacht auf Opioid-Überdosierung aufgefunden, wird die Dosis eines Nasensprays in ein Nasenloch gesprüht. Sollte es sich um eine Fehldiagnose handeln, ist nicht mit Nebenwirkungen zu rechnen, da Naloxon praktisch keine pharmakologische Wirkung zeigt, wenn keine Opioide vorhanden sind. Tritt nach zwei bis drei Minuten keine Besserung ein oder verschlechtert sich der Zustand nach anfänglicher Besserung erneut, kann das zweite Spray in das andere Nasenloch verabreicht werden. Unbedingt zu beachten ist, dass das Nasenspray niemals die Behandlung durch einen Notarzt ersetzt. Nicht zuletzt, weil es bei abhängigen Patienten zu einer lebensbedrohlichen Entzugssymptomatik kommen kann, da die Opioid-Wirkung nach Naloxon-Gabe schlagartig nachlässt. Entzugssymptome äußern sich durch Unruhe, Übelkeit, Herzrasen sowie Schwitzen und müssen unbedingt von einem hinzugerufenen Notarzt weiter überwacht werden, um gegebenenfalls entsprechend reagieren zu können. Da die Wirkung einiger Opioide länger andauert als die des Naloxons, kann es nach Abflachen des Naloxon-Spiegels erneut zu einer Atemdepression kommen, die weitere Naloxon-Dosen erfordert.

Opioid-Vergiftung

Eine Überdosis an Opioiden äußert sich in Form folgender typischer Trias:

  • Atemdepression (unregelmäßige und flache Atmung)
  • Bewusstlosigkeit (keine Reaktion auf Berührung oder Geräusche)
  • Miosis (verengte Pupillen)

Des Weiteren können eine Zyanose, kalte Haut sowie Hypothermie auftreten.

Die letale Dosis von Morphin beim nicht Opioid-gewöhnten Erwachsenen beträgt 0,1 g bei parenteraler Applikation bzw. 0,3 – 1,5 g bei peroraler Einnahme.

Traurige Bilanz

1272 Drogentote hatte die Bundesrepublik 2017 zu verzeichnen, ein Großteil davon in Zusammenhang mit Opioiden, meist aufgrund einer Überdosis. Durch die neue Darreichungsform erhofft man sich, diese Zahl reduzieren zu können, da das Nasenspray auch von Laien gut verabreicht werden kann. Diese scheinen lieber ein Nasenspray anzuwenden als einen Autoinjektor. Dieser ist in den USA bereits seit 2014 im Rahmen eines Notfallkits erhältlich. Hier schrecken jedoch viele Ersthelfer zurück, aus Angst eine Nadelstichverletzung zu erleiden. Immerhin besteht durchaus das Risiko, sich mit einer über das Blut übertragbaren Krankheit anzustecken. Aber nicht nur in der Drogen­szene kommt es zu Überdosierungen. Auch im häuslichen Umfeld von Schmerzpatienten sind Opioid-Ver­giftungen aufgrund von Anwendungsfehlern nicht selten. Daher sollten neben den Konsumenten selbst auch die Angehörigen in der Verabreichung des Nasensprays sowie dem Erkennen einer Opioid-Vergiftung geschult sein. |

Aus der Forschung: Nebenwirkungsarmes Opioid

Ein bifunktionales Opioid, das sowohl am µ- als auch am Nociceptin-Rezeptor partialagonistisch wirkt, hat sich in der präklinischen Forschung als vielversprechender Ansatz erwiesen. Die gleichzeitige Aktivierung des Nociceptin-Rezeptors soll die µ-Rezeptor-vermittelte analgetische Wirkung verstärken und Nebenwirkungen, die auf der Aktivierung des µ-Rezeptors beruhen (z. B. Atemdepression, Hypersensitivitätsreaktionen und Abhängigkeitspotenzial), abschwächen. Bei Primaten hat sich dieses Wirkprinzip schon bewiesen: Bei den Menschenaffen war die analgetische Wirkung des dualen Agonisten AT-121 etwa 100-mal höher als bei Morphin. Zudem wurde die suchterzeugende Wirkung von Oxycodon durch AT-121-Gabe unterdrückt. Die üblichen Nebenwirkungen einer Opioid-Therapie blieben aus. Zudem zeigte das bifunktionale Opioid ähnliche Eigenschaften wie Buprenorphin. Sollte sich der neu entwickelte Wirkstoff in klinischen Studien bewähren, könnte er in Zukunft nicht nur in der Schmerztherapie, sondern auch in der Behandlung von Opioid-Abhängigkeit Anwendung finden.

Quelle: Ding H. et al. A bifunctional nociceptin and mu opioid receptor agonist is analgesic without opioid side effects in nonhuman primates. Sci Transl Med 2018;10(456)

Quelle

Presseinformation Mundipharma GmbH vom 04. September 2018

Nyxoid. EPAR summary for the public. www.ema.europa.eu; Abruf am 04. September 2018

Bastigkeit M. Opiatüberdosis: Erste Hilfe wird Antidotensicher. DocCheck News vom 3. Februar 2015. www.news.doccheck.com; Abruf am 04. September 2018

National Institute on Drug Abuse. Opioid Overdose Reversal with Naloxone (Narcan, Evzio). www.drugabuse.gov; Abruf am 04. September 2018

Naloxon (Nyxoid, Nexodal, Narcanti).

www.arznei-news.de; Abruf am 04. September 2018

Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung 2018

Mutschler E et al. Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 10. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2013

Apothekerin Amelie Rösner

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.