Wirtschaft

Dettling entlarvt juristische Fehlschlüsse

Rechtliche Stellungnahme zum Honorargutachten

tmb | „Das Honorargutachten springt zu kurz. Es ist in seiner Argumentation zu oberflächlich und in vielen Punkten widersprüchlich“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Heinz-Uwe Dettling in seiner rechtlichen Stellungnahme zum BMWi-Honorargutachten. Schon mit dem Titel seiner Expertise „Ganzheitlicher Versorgungsauftrag als Maßstab der Arzneimittelpreisregulierung“ betont Dettling, dass die Apotheken für ihre komplexe Gesamtleistung und nicht nur für die Zahl der abgegebenen Packungen honoriert werden müssen.

Nachdem das Honorargutachten in der DAZ bereits in mehreren Beiträgen aus pharmazeutischer und betriebswirtschaftlicher Sicht analysiert wurde, betrachtet Dettling das Gutachten nun aus juristischer Perspektive. Seine ausführliche Stellungnahme ist bei DAZ.online zu lesen. Dettling betont darin, dass die Gutachter schon jetzt 47 Prozent aller Apotheken-Unternehmen als wirtschaftlich gefährdet an­sehen. Dennoch schlagen sie vor, die Vergütung massiv zu reduzieren, ohne zu untersuchen, wie diese Maßnahme auf das gesetzliche Ziel einer sicheren und flächendeckenden Arzneimittelversorgung wirken würde. So entferne sich das Gutachten vollständig vom Ziel der gesetzlichen Arzneimittelpreisregulierung und damit von seinem eigentlichen Thema, folgert Dettling. Sicher seien nur die Einsparungen der Kostenträger, die damit zum einzigen Nutznießer der Vorschläge würden. Doch es gehe um die Versorgung der Bevölkerung.

Foto: oppenländer

Dr. Heinz-Uwe Dettling ist Gründungspartner der Kanzlei Oppenländer Rechtsanwälte, Stuttgart, und liest als Lehrbeauftragter der Universität Hohenheim zum „Gesundheitswirtschaftsrecht“. Er ist Mitglied des Rechtsausschusses des BAH - Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e. V., Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Gesundheitsrecht und hat u. a. Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zum Impfstoffversand an Ärzte und vor dem Europäischen Gerichtshof zum Fremdbesitzverbot bei Apotheken geführt.

Ganzheitlicher Ansatz fehlt

Dettling moniert die „zu oberflächliche Gedankenführung“. Das Gutachten verkenne, „dass es ohne Apotheken und ohne Großhandel auch keine Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gibt“. Auch die Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln setze die wirtschaftliche Existenzfähigkeit dieser Institutionen insgesamt voraus. Daher könne das Honorar nicht über einen durchschnittlichen Aufwandsanteil einzelner Arten von Packungen ermittelt werden. Das tragende Argument des Honorargutachtens, die „Quersubventionierung“ anderer Produkte aus Rx-Arzneimitteln sei rechtlich (!) unzulässig, beruht daher bei richtiger rechtlicher Analyse „auf einer zu oberflächlichen Betrachtung und zu starken Vereinfachung“ der juristisch offenbar nicht ausgebildeten Gutachter, erläutert Dettling. Er kritisiert die ­packungsbezogene Ermittlung der Vergütung als „reduktionistischen ­Ansatz“, der dem selbst gesetzten Anspruch eines „allgemein anerkannten theoretischen Konzepts“ nicht gerecht werde. Rechtliche Normgebung sei als soziale Gestaltungsaufgabe viel komplexer als die bloße Kalkulation von Durchschnittskosten pro Packung und müsse einem ganzheitlich-systemischen Ansatz folgen. Dettling zeigt auch die Komplexität des Versorgungsauftrags der Apotheken. Dieser gehe weit über die Logistik hinaus und müsse die individuellen Aspekte der Patienten berücksichtigen, wobei vielfältige arzneimittelbezogene Probleme auftreten können.

Unangemessener Umgang mit dem rechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot

Den gravierendsten rechtlichen Fehler des Gutachtens sieht Dettling in der Anwendung des sozialrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots, dem eine falsche Bedeutung zugemessen werde. Entgegen der Auffassung der Gutachter sei das Wirtschaftlichkeitsgebot nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Programmsatz, der jeweils durch spezielle Normen konkretisiert werden muss. Das Gutachten verkenne auch das zweistufige Regelungskonzept des Gesetzgebers, nach dem die Arzneimittelpreisverordnung eine allgemeine Regelung auch für privat Versicherte und auch für nicht erstattungsfähige verschreibungspflichtige Arzneimittel enthält. Die GKV-Preisregulierung setzt u. a. mit dem Apothekenrabatt auf diese allgemeine Regelung auf. Demgegenüber reduziere das Gutachten die ­Rolle des Verordnungsgebers auf die eines GKV-Preisregulierers.

In diesem Zusammenhang stellt Dettling auch fest, dass OTC-Arzneimittel vielfach die rechtlich gebotene zweckmäßige Versorgung darstellen, Apotheken nach ihrem Versorgungsauftrag also mit OTC-Arzneimitteln versorgen müssen und dennoch die GKV eine Erstattung nur in manchen Fällen vorsehe. Das Gutachten betone selbst, dass die Apotheke eine Einheit bildet und die isolierte Zuordnung von Kosten auf einzelne Packungsarten nicht möglich ist. Das Honorargutachten mache damit zugleich ungewollt auf die Unstimmigkeiten aufmerksam, die sich aus dem Ausschluss der Preisbindung und Erstattungsfähigkeit von OTC-Arzneimitteln ergeben. Weitere rechtliche Kritikpunkte findet Dettling in den Ausführungen des Gutachtens zur flächendeckenden Versorgung und zum Unternehmerlohn.

Unbrauchbare Methode

Dettling folgert, dass die Preise verschreibungspflichtiger Arzneimittel die wirtschaftliche Existenzfähigkeit von Apotheken und Großhandel sichern müssen. Letztlich diene dies alles dem Finalziel, das Leben und die Gesundheit der Menschen zu schützen. Doch die packungsorientierte Verrechnung sei nicht geeignet, den gesetzlichen Auftrag des Wirtschaftsministeriums zur Preisregulierung für Arzneimittel zu konkretisieren. Damit sei das Honorargutachten rechtlich unbrauchbar. Es biete keine Lösung.

Sie finden die Stellungnahme bei DAZ.online unter dem Webcode S6KC6. |

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