Deutscher Apothekertag 2018

Die Spahn-Falle

Ein Kommentar von Christian Rotta

Dr. Christian Rotta, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags

Es ist ein beliebter Trick, um als Politiker ungeliebte Projekte zu torpedieren: „Rechtliche Bedenken“ heißt das Zauberwort, mit dem sich lästige politische Debatten „elegant“ abwürgen lassen – wahlweise unter Hinweis auf „unkalkulierbare Risiken“ in Karlsruhe (Bundesverfassungsgericht) oder in Luxemburg (Europäischer Gerichtshof). Auch Jens Spahn spielte in München auf dieser Klaviatur und seine „warnenden“ Kassandrarufe schienen hier und da durchaus erhört und für ­bare Münze genommen worden zu sein: nicht nur bei den üblichen Freunden des Versandhandels, sondern auch bei manchen Delegierten auf der Hauptversammlung. Selbst der eine oder andere Online-Kommentator ließ sich in ad hoc verfassten Posts von Spahn aufs Glatteis führen.

Was dabei übersehen wird: Wer sich jetzt noch einmal auf das Spahnsche „Totschlagargument“ rechtlicher Unwägbarkeiten einlässt, hat den Kampf um Versandhandels­verbot und arzneimittelrechtliche Gleichpreisigkeit schon verloren.

Die von Spahn reklamierten Rechtsfragen sind nämlich längst und weitestgehend geklärt: Bereits 2016 hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags in zwei Expertisen überzeugend festgestellt, dass ein Versandhandelsverbot bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sowohl mit deutschem Verfassungsrecht als auch mit geltendem Unionsrecht in Europa in Einklang steht (nachzulesen auf DAZ.online unter dem Webcode T8FX9). Wer nimmt Jens Spahn ab, dass er juristisch (!) der DocMorris-Allzweckwaffe, ihrem Auftragsgutachter Professor Christian Koenig, eher glaubt als den Rechtsexperten im ­eigenen Haus? Wo doch selbst der polnische Generalanwalt Macij ­Szpunar in seinem Schlussantrag zum EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 nicht infrage gestellt hat, dass es unionsrechtlich zulässig ist, auch in Deutschland – wie in 21 von 28 EU-Mitgliedstaaten – den Versandhandel mit Rx-Arzneimitteln gesetzlich und in toto zu verbieten. Zum gleichen Ergebnis kommen im Übrigen auch zwei weitere Expertisen, die sich mit den rechtlichen Dimensionen eines Versandhandelsverbots beschäftigen: das von der Noweda und dem Deutschen Apotheker Verlag initiierte May/Bauer/Dettling-Gutachten sowie die ausführliche und vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg zu verantwortende Expertise von Heinz-Uwe Dettling. Lag der Umstand, dass all dies in München unerwähnt blieb, daran, dass die Initiative für diese Rechtsgutachten (leider) nicht von der ABDA ausging und dass externer ­Expertenrat in der ABDA-Zentrale ganz allgemein nur widerwillig zur Kenntnis genommen wird?

Wie auch immer: In die von Spahn aufgestellte Falle eines vermeint­lichen unionsrechtlichen Risikos sollten wir nicht tappen. Stattdessen müssen wir die „rechtlichen Bedenken“ als das entlarven, was sie sind: nämlich ein durchsichtiger Vorwand, um auch weiterhin und über zwei Jahre nach dem folgenreichen EuGH-Urteil zur Arzneimittelpreisverordnung die Vorgaben des Koalitionsvertrags zum Rx-Versandhandelsverbot aussitzen zu können.

Ob Spahn damit durchkommt?

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