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Die Seite 3
The Winner Is: Jens Spahn
Dieser Apothekertag hat das Zeug, die Apothekenlandschaft in Deutschland grundlegend zu verändern. Zum Schlechteren – ist zu befürchten. Anders als nach der Regierungsbildung explizit angekündigt, war der neue Gesundheitsminister ohne konkrete Vorschläge zur Lösung drängender Probleme angereist (vor allem Rx-Versandverbot, Honorargutachten). Einzige Ausnahme: am Fremdbesitzverbot werde nicht gerüttelt – „solange ich Gesundheitsminister bin“. Er sei gekommen, um zu diskutieren. Deshalb habe er – ganz schön raffiniert – kein fertiges Konzept mitgebracht. Machiavelli lässt grüßen.
Unübersehbar war, dass Spahn von einem Rx-Versandverbot, mit dem sich die wettbewerbsverzerrende Privilegierung ausländischer Versandapotheken (eine Folge des EuGH-Urteils vom Oktober 2016) bekämpfen ließe, nichts hält. Immerhin konstatierte er, der Versandhandel sei derzeit „ungerecht“, man werde sich deshalb auch das Rx-Versandverbot „ansehen“. Aber es gebe da europa- und verfassungsrechtliche Probleme. Kein Wort dazu, dass diese von seinem Ministerium unter seinem Vorgänger Hermann Gröhe sowie vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages und etlichen hochkarätigen juristischen Experten in mehreren Gutachten längst sorgfältig geprüft und für beherrschbar gehalten wurden.
Viel spricht dafür, dass der ABDA-Spitze schon im Vorfeld des Apothekertages signalisiert worden war, dass mit Spahn ein Rx-Versandverbot nicht zu machen sei. Richtig ist: Spahn pflegt gute Kontakte zu führenden Köpfen der ausländischen Arzneiversender-Szene (zum Beispiel zum DocMorris-Vorstand Max Müller). Und er ahnt nicht ohne Grund, dass er mit einem Versandverbot seiner Karriereplanung schaden würde. Er müsste gegen den Zeitgeist in der Bevölkerung argumentieren. Versand ist „in“. Auch die Wirtschaftspresse würde er gegen sich aufbringen. Gröhe war bereit, dies der Sache wegen durchzustehen. Nicht aber ein Jens Spahn mit seinen Ambitionen!
Die ABDA stand vor einem Dilemma. Sollte sie einknicken? Sie hatte nach dem EuGH-Urteil entschieden und hartnäckig die Auffassung vertreten, der unerträgliche Zustand ließe sich allein dadurch beenden, dass der Gesetzgeber die Erlaubnis zum Arzneiversandhandel auf das europarechtlich vorgegebene Maß, also auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, begrenzt. Würde unsere Berufsvertretung nicht bei all denen, die sie bisher unterstützt hatten, sämtliche Glaubwürdigkeit verspielen, wenn sie eine „neue Lage“ konstatierte, nur weil Spahn sich auch bei seiner Apothekertagsrede erneut stur gezeigt hat? Er sei entsetzt, meinte der saarländische Kammerpräsident Saar. Kann die ABDA nach Aufgabe der Forderung nach einem Rx-Versandverbot über hochkomplexe Paketlösungen in aller gebotenen Eile zu vergleichbar tragfähigen (oder besseren?) Lösungen in Bezug auf Rolle und Honorierung der Apotheker kommen? Zweifel sind angebracht, nicht nur weil die ABDA öffentlich bisher nichts über einen Plan B verlauten ließ. Das kann sogar klug sein. Gefährlich wäre, wenn es ihn gar nicht gibt – einen ausgearbeiteten Plan B, den man zur Not („hilfsweise“, sagen Juristen) ziehen könnte. Eine Auffanglinie könnte sein, Spahn selbst beim Wort zu nehmen: Ja, wir verzichten mit Ihnen auf ein Rx-Versandverbot – und Sie, Herr Minister, sorgen dafür, dass Rx-Rabatte an Patienten inländischen und ausländischen Apotheken verboten bleiben; und dass sie im Einkauf nur nach gleichen Regeln erlaubt werden. Wenn das gelingt: d’accord. Wenn nicht, reden wir dann doch über die Gestaltung eines Rx-Versandverbotes.
Spahn macht jetzt mächtig Druck. Innerhalb von sechs Monaten soll ein Gesetzentwurf mit einem komplexen Maßnahmenpaket fertig sein – wenn es nach ihm geht unter Verzicht auf ein Rx-Versandverbot, aber unter Einbeziehung des 2HM-Gutachtens, eines Folterinstrumentes also, das Spahn (sic) auffällig oft erwähnte. Wenn sie überhaupt Einfluss auf den Prozess haben will, wird sich die ABDA dazu äußern müssen – was sie bisher immer abgelehnt hat.
Dr. Klaus G. Brauer
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