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Erhebliche Risiken und gewaltige Chancen

Dr. Peter Froese analysiert die Situation nach dem Apothekertag

tmb | Eine umfassende Analyse zur Situation nach dem Apothekertag und zu den Folgen der Digitalisierung bot Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, bei der Mitglieder­versammlung des Verbandes am 27. Oktober in Kiel (s. auch Artikel S. 74). Froese sieht die Apotheken „am Scheideweg zwischen erheblichen Risiken und gewaltigen Chancen“. Außerdem propagierte Froese vier Vorschläge gegen die Überbürokratisierung und er präsentierte neue Fakten: Aufgrund einer neuen Vereinbarung mit der Kassenärzt­lichen Vereinigung Schleswig-Holstein kann die digitale AMTS von Ärzten und Apothekern dort vor der Telematikinfrastruktur starten.
Foto: DAZ/tmb
Dr. Peter Froese

Für Froese steht fest, dass die Apotheken sich „vernetzt und heilberuflich“ präsentieren müssen. Die Politik sei offenbar bereit, „auch weitreichende Veränderungen mit uns zu verwirk­lichen“, erklärte Froese und deutete zugleich an, dass nicht jede Idee umsetzbar sei. Froese bekräftigte die Gleichpreisigkeit für Rx-Arzneimittel als erstes Ziel der Apotheker. Das ­Rx-Versandverbot sei eine einfache Maßnahme dafür. Doch die Apotheker seien selten von einem Thema so blockiert worden wie von diesem. Gespräche über andere Themen kämen dadurch nicht voran.

„Wirkgleiche“ Alternativen zum Rx-Versandverbot

Das Rx-Versandverbot werde in einer Gesellschaft des Bestellens per Klick als „Tabubruch“ wahrgenommen. „Die Leute finden das chic“, ganze Welten seien so organisiert, konstatierte Froese. Sachliche Gegenargumente würden nicht wahrgenommen. Darum müssten die Apotheker überlegen, ob es „wirkgleiche“ Alternativen zum Rx-Versandverbot gebe. Doch „Wirkgleiches ist ungleich schwieriger“. „Es bedarf eines Bündels von Maßnahmen“, erklärte ­Froese und deutete zugleich an, dass die ABDA daran arbeite.

Dabei müsse auch die Qualität der Versorgung beachtet werden. Versand sei letztlich Selbstbedienung. „Erst der Apotheker vor Ort kann Sicherheit im Umgang mit Arzneimitteln schaffen“, erklärte Froese und forderte, dieses Dogma konsequent zu beachten. Zur Versorgung würden auch der Botendienst und der Versand von Spezial­rezepturen gehören. Unabhängig von den rechtlichen Grenzen zwischen Versand und Botendienst gelte es, insgesamt eine sachgerechte Organisation der Versorgung zu schaffen. Dies alles sei seit Kurzem noch komplizierter geworden, weil die digitale Verschreibung so sehr an Dynamik gewonnen habe und daher ebenfalls ­berücksichtigt werden müsse. Um die Digitalisierung zu finanzieren, sei ­zudem mehr Geld nötig.

Regeln für digitale Plattform

Als Beispiel für die schnelle Entwicklung berichtete Froese, der GKV-Spitzenverband, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung hätten eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit bei der Digitalisierung getroffen. Außerdem mache Minister Spahn immer wieder deutlich, dass eine Übertragung der Daten von der elektronischen Gesundheitskarte auf Smartphones die langsame Entwicklung abkürzen könne. Doch dann stelle sich die Frage, wer die Regeln für eine solche Plattform bestimmt. Es drohe, dass privatwirtschaftliche Unternehmen „definieren, wie und wo Sie mit Ihren Patienten kommunizieren“, und dafür Geld kassieren, warnte Froese. Er forderte daher, der Betreiber einer solchen Plattform müsse zur Neutralität verpflichtet werden. Nur die Patienten dürften über die Verteilung ihrer E-Rezepte entscheiden und auch sie dürften dafür nicht honoriert werden, weil sonst Vergleichsportale für die Meistbietenden entstehen würden. Solche Forderungen, wie die diesbezüglichen Anträge beim Apothekertag, zu formulieren, sei wichtig, damit sich die Politik überhaupt mit dem Thema beschäftige. Außerdem würden die Apotheker darüber nachdenken, die nötige neutrale Plattform gemeinschaftlich in Apothekerhand zu betreiben, berichtete Froese. Die Apothekerverbände würden sich intensiv mit der digitalen Kommunikation zwischen Apothekern und Kunden beschäftigen.

Digitale AMTS im Norden

Zudem könnten Modellversuche entscheidende Bedeutung erlangen. Darum zeigte sich Froese erfreut über einen Beschluss, den die schleswig-holsteinische Interessengemeinschaft der Heilberufe zwei Tage zuvor gefasst habe. Demnach soll Ärzten und Apothekern in Schleswig-Holstein eine neue Möglichkeit zur digitalen Kommunikation über die AMTS angeboten werden. Vor dem Anschluss der Apotheken an die Telematikinfrastruktur sollen Apotheken einen Sicherheitsrouter für ihren Internetanschluss erhalten können. Damit könnten sie sich an das KV-Safenet der Ärzte anschließen und mit den Ärzten sichere E-Mails austauschen. Dies sei datenschutzkonform und dafür sei ein Honorar zu erwarten. Froese appellierte an die Apothekerkammer, standardisierte AMTS-Berichtsbögen als E-Mail-Anhänge zu entwickeln. Künftig könnten zudem elektronische Medikationspläne integriert werden, erwartet Froese.

Honorierung und Bürokratieabbau

Außerdem bekräftigte Froese, dass die Anpassung des Apothekenhonorars nötig sei. Doch die derzeitigen ­betriebswirtschaftlichen Daten der Apotheken würden es schwer machen, beeindruckend zu argumentieren. Denn die Durchschnittsumsätze würden auch durch die „Kannibalisierung“ – also die Umverteilung der ­Umsätze schließender Apotheken – ­erhöht. Daher sei eine differenzierte Honorierung eine gute Idee.

Zudem könnte der Apothekenalltag viel effektiver gestaltet werden, wenn die Überbürokratisierung abgebaut werde. Froese forderte eindringlich, dieses Thema endlich anzugehen. Er schlug dazu vier Maßnahmen vor (s. Kasten), die die Krankenkassen kaum oder gar nicht belasten, die Apotheken aber sehr entlasten würden. |

Vier mögliche Maßnahmen zur Entlastung der Apotheken

Apotheken leiden unter Überbürokratisierung. Doch mit diesen vier Maßnahmen, die für die Krankenkassen praktisch kostenneutral wären, könnte viel Last von den Apotheken genommen werden, sagt Dr. Peter Froese:

1. Rabattverträge mit Quoten
Rabattverträge sollten weiterentwickelt werden, „um quälende Auseinandersetzungen über Banalitäten auf Formblättern zu vermeiden“. Die „Rabattverträge 2.0“ sollten eine Rabattvertragserfüllungsquote enthalten. Geringfügige Unterschiede in der Umsetzungsquote würden die Verhandlungsposition der Krankenkassen gegenüber den Arzneimittelherstellern nicht verändern, aber die Bürokratie gewaltig verringern. Die Apotheken könnten dann gegenüber den Patienten freier agieren.

2. Festbeträge für Hilfsmittel
Für Apotheken sollten wieder Hilfsmittelfestbeträge gelten. Für Flächenversorger sei es angebracht, die Gemeinschaft mit anderen Versorgern aufzukündigen. Kompliziertes könne weiter ausgeschrieben werden, aber für die Grundversorgung aus den Apotheken seien Festbeträge mit der Möglichkeit zur Aufzahlung viel effektiver.

3. Zweistufiges Retax-Verfahren
Da der Klageweg über die Sozialgerichte so langsam und aufwendig ist, sollte ein zweistufiges Retaxationsverfahren eingeführt werden. Wenn sich Krankenkassen und Apotheken in einer Schiedsstelle gegenüberstünden, herrsche endlich „Waffengleichheit“.

4. Keine privatwirtschaftlichen ­Retax-Prüfungen
Privatwirtschaftliche Retax-Prüfungen sollten verboten werden, denn sie würden nur Unruhe schaffen und das Honorar für die Prüfer ziehe Geld aus dem Solidarsystem. Das Verbot wurde bereits in einem Antrag beim Deutschen Apothekertag gefordert.

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