Wirtschaft

Zeit zu handeln!

Kostendruck als Treiber für viele Entscheidungen

Foto: Svea Pietschmann
Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika e. V.

Generikaunternehmen verfügen in Deutschland über zwei der EU-weit leistungsfähigsten und größten Produktionsstätten für Arzneimittel. Das ist ein enorm wichtiges Pfand für die Versorgungssicherheit in Deutschland. Gleichzeitig hat sich in den letzten Jahren auch die Arzneimittelproduktion globalisiert.

Für den Standort Deutschland sprechen nach wie vor das Qualifikationsniveau der Fachkräfte, eine – im Regelfall – gute Infrastruktur und die Nähe zum deutschen Maschinenbau. Schwieriger wird die Betrachtung der Kostenseite. Wenn Krankenkassen und Kliniken im Durchschnitt nur einige wenige Cent für eine Tagestherapiedosis aufzuwenden bereit sind – lassen sich diese Medikamente dann hierzulande auch für Unternehmen wirtschaftlich herstellen?

Der von der AOK gelegentlich vorgebrachte Hinweis, Produktionsverlagerungen hätten alle vor Einführung der Rabattverträge stattgefunden, bleibt nicht nur ohne jede Evidenz, er hilft hier auch nicht weiter. Denn die Situation ist komplexer: „Verlagerung“ bedeutet ja nicht ausschließlich im Wortsinn den Abbau von Produktion hierzulande (auch wenn es diese gegeben hat/gibt), sondern meint den vielfältigen globalen Prozess der Entscheidungen, wo in welche Produktionsanlagen investiert wird bzw. an welchen Standorten welche Medikamente hergestellt werden. Was spricht dabei für den Standort Deutschland? Diese Frage muss von Unternehmen immer wieder neu und aktuell beantwortet werden. Der Kostendruck auf Generika, der in Deutschland im Vergleich zur restlichen EU mit am höchsten ist, ist einer der Treiber für Entscheidungen zugunsten der Produktion im Ausland. Das hat zuletzt auch eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger ergeben. Zeitgleich konnte die Studie zeigen, dass z. B. in China gezielt gewaltige Summen in den Aufbau von Produktionskapazitäten für Antibiotika investiert worden sind.

„Das System des Schutzes geistigen Eigentums ist ein Förderprogramm für Produktionsstandorte außerhalb Europas!“

Neben diesen Subventionen durch die öffentliche Hand werden dort große Mengen Antibiotika hergestellt, so dass dies zu Kosten geschieht, zu denen in Deutschland nicht wettbewerbsfähig produziert werden kann. Wie gehen wir als Gesellschaft mit dieser Abhängigkeit um? Es wäre ein erstes Signal, wenn sich auch der Pharmadialog der Bundesregierung dieser Frage stellt. Die aktuelle Ausgestaltung des Patentschutzes ist ein weiterer Treiber für Investitionsentscheidungen in Produktionsstandorte außerhalb der EU. Das bestehende gesetzliche Verbot, in Deutschland/der EU Generika und Biosimilars herzustellen, um sich auf den Tag 1 nach Patentablauf vorzubereiten (Vorratsproduktion oder „Day 1 launch“), führt dazu, dass die gesamte Markteinführungsproduktion systematisch ins Non-EU-Ausland verlagert werden muss. Und findet sie erst einmal dort statt, wird sie erfahrungsgemäß nicht nach Deutschland zurückverlegt. Zugespitzt könnte man sagen, das aktuelle System des Schutzes geistigen Eigentums ist ein Förderprogramm für Produktionsstandorte außerhalb Europas.

Dabei liegen die Argumente, die für die Vorratsproduktion sprechen, dass also hierzulande auch für den Bedarf in Deutschland für die Zeit nach Patentablauf produziert (aber vor Patentablauf nicht verkauft!) werden darf, denkbar klar auf der Hand: Die Bundesregierung kann einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Produktion in Deutschland/Europa leisten – und das völlig subventionsfrei. Es würde ein Anreiz gesetzt, mehr Medikamente nach deutschen bzw. europäischen Sozial- und Umweltstandards herstellen zu können. Es würden vor allen Dingen alle Unternehmen profitieren, die in Deutschland Produktionsstätten betreiben. Das sind nicht nur Gene­rika- und Biosimilarunternehmen, sondern natürlich auch Originalhersteller sowie Biotechunternehmen, Auftragshersteller und die gesamten Zulieferer.

Das Resultat einer Ermöglichung der Vorratsproduktion wäre: Generika und Biosimilars, die am Tag 1 nach Patentablauf in die deutsche Apotheke gelangen, könnten endlich hierzulande hergestellt werden – und müssten nicht länger aus Ländern außerhalb der EU importiert werden. Auch wenn der SPC Waiver nicht die „magische Formel“ zur Stärkung heimischer Produktion ist, kann die Bundesregierung hier mit etwas politischem Willen einen substanziellen Beitrag leisten – ohne die in der EU sehr hohen Schutzstandards geistigen Eigentums einzuschränken.

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