Die Seite 3

Struktur oder Wandel

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Was bis vor Kurzem noch als unlösbar galt, soll nun innerhalb weniger Wochen geklärt werden: Der Versandhandelskonflikt. Sowohl intern als auch im Austausch mit dem Bundesgesundheitsministerium arbeitet die ABDA an Vorschlägen für einen Plan B. Gesucht werden Alternativen zum Rx-Versandverbot – also zu jener Maßnahme, die schon im Vorfeld des EuGH-Urteils von 2016 als Königsweg angesehen wurde, um der Rabattschlacht durch ausländische Versender Einhalt zu gebieten.

Doch die Standesvertretung musste diesen Pfad verlassen. Minister Spahn hatte auf dem Deutschen Apothekertag im Oktober angekündigt, die Ungleichbehandlung zwischen Apothekern und Versendern auf andere Weise beenden zu wollen. Wie genau, blieb er allen schuldig. Damals machte er deutlich, dass es ihm um die flächendeckende Versorgung geht sowie um Erreichbarkeit und Identität. Das Apotheken-A sei ein Stück Heimat, so Spahn wörtlich.

Gerade dieses Bekenntnis zusammen mit der Absicht, das deutsche Gesundheits­wesen mit inländischen Leistungserbringern wieder auf ein wirtschaftlich solides Fundament zu stellen, müsste konsequenterweise in ein Rx-Versandverbot münden. Derzeit scheinen aber die Zweifler und Gegner eines solchen Verbots die Befürworter zu übertönen. Immerhin geht es nicht mehr um den Vorwand der „rechtlichen Bedenken“, sondern darum, was unter Digitalisierung und Deregulierung verstanden wird.

So hat sich ausgerechnet Dorothee Bär, Politikerin der CSU und Deutschlands erste „Digitalisierungsministerin“, in einem Interview vehement gegen ein Rx-Versandverbot ausgesprochen (s. S. 16). „Besitzstandswahrer“ seien die Apotheker, die sich dafür einsetzen und „versuchen hier noch die Politik ranzunehmen“. Verkennt sie dabei, dass es gerade ihre Partei war, die zum Bundestagswahlkampf 2017 verstärkt um die Gunst der Apotheker warb? Damals sollten durch Stimmen und Spenden aus der Apothekerschaft die ­Positionen der CSU gestärkt werden. Nun verfügt Bär über Mandat und Posten und bricht mit ihren Unterstützern.

Unabhängig davon, wer hier von wem rangenommen wurde, sollte von einer christlich-konservativen Digitalisierungsbeauftragten doch mehr erwartet werden können als die rege Nutzung von Instagram, Twitter und Co. Gerade im Hinblick auf Bärs Zuständigkeitsbereich muss die Politik Leitplanken vorgeben, innerhalb derer sich alle – vom Start-up bis zum Großkonzern – tummeln dürfen. Doch die Grenzen der sozialen Marktwirtschaft werden momentan eher proaktiv aufgeweicht als im Interesse der Gesellschaft vor neoliberalen Kräften bewahrt.

Der Versandhandel mit Arzneimitteln stellt – was die Versorgung, Erreichbarkeit und Identität angeht – ohne Zweifel einen Rückschritt dar. Zugleich ist er nur Mittel zum Zweck für die ausländischen Arzneimittelversender, die sich gerne als Vertreter der Digitalwirtschaft sehen. Es geht um die Zerstörung eines bewährten Systems, um es im Anschluss unter eigener Marktführerschaft wieder aufzubauen. „Alte Geschäftsmodelle“, wie Bär im Interview die Apotheke vor Ort bezeichnet, sind nämlich gerade für die Digitalwirtschaft die ideale und erstrebenswerte Vertriebsform ihrer jeweiligen Waren und Dienstleistungen.

So ist Flixbus nach Umwegen über die Autobahnen auch wieder auf der Schiene unterwegs (s. DAZ 2018, Nr. 37, S. 71), Airbnb baut neben der Vermittlung von privaten ­Unterkünften nun eigene Hotels und Amazon will Ladengeschäfte bald auch in Deutschland eröffnen.

Zwei Jahre nach dem EuGH-Urteil gerät die Apothekerschaft in die heiße Phase der Entscheidung, an deren Ende hoffentlich keine Katastrophe, sondern eine Sensation stehen wird.

Armin Edalat

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