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Wirtschaft
Komplex und mit manch Überraschungen
Der GKV-Verordnungsmarkt 2017
Rund 44,8 Mrd. € Bruttoumsatz („Rezept-Taxsumme“ vor allen Abzügen), etwa 407 Mio. € davon aus dem Versandhandel, wurden 2017 auf die hier ausgewerteten 485 Mio. GKV-Rezeptblätter aufgetragen. Umfasst sind dabei sämtliche Arzneimittel, Hilfsmittel und Rezepturen aus Apotheken vor allen Rabatten, Eigenanteilen und einschließlich der Mehrwertsteuer. Privatverordnungen bleiben demzufolge außen vor. Der reale Kostenaufwand für die GKV und der in der Apotheke effektiv ankommende Nettoumsatz weichen jedoch erheblich von diesen Bruttoumsätzen ab. Segmental aufgegliedert wurden, auf Basis der Bruttowerte, verordnet (Abb. 1):
- Fertigarzneimittel für 37,2 Mrd. € (+3,1%) in 659 Mio. (-0,7%) Verordnungen.
- Spezialrezeptur- bzw. ausgeeinzelte Arzneimittel für 4,22 Mrd. € (+8,5%) auf 4,5 Mio. Einzelverordnungen; darunter finden sich überwiegend mit 3,94 Mrd. € (+8,3%) die Parenteralia bzw. Zytostatika-Zubereitungen.
- diverse „Spezialitäten“, Nicht-Arzneimittel und Hilfsmittel im Umfang von 1,87 Mrd. € und 66,5 Mio. Verordnungen, hierin enthalten 214 Mio. € (+30%!) für klassische Rezepturen, obwohl deren Anzahl mit 6,9 Mio. um gut 5% abgenommen hat; hier schlagen die Rezepturhonorarerhöhungen durch.
- Praxisbedarf im Umfang von 1,54 Mrd. € (+9,8%).
Beeindruckend ist der Umfang der Rabatte und Zuzahlungen auf Krankenkassenebene brutto (gemäß endgültiger Rechnungsergebnisse):
- 2.378 Mio. € Eigenanteile der Patienten,
- 1.175 Mio. € Apothekenrabatte,
- 1.667 Mio. € gesetzliche Herstellerrabatte,
- 4.033 Mio. € aus individuellen Rabattverträgen.
Das summiert sich inzwischen zu 9,25 Mrd. € oder über 20% von den Apotheken-Listenpreisen.
Auf Apothekenebene zählen nur die um die entsprechenden Rabatte und die Mehrwertsteuer bereinigten Nettoumsätze. Deren Verrechnung und Zuordnung ist eine Herausforderung, da sie auf unterschiedlichen Ebenen anfallen und in unterschiedlicher Weise in den publizierten Kontenklassen enthalten sind.
Insgesamt lässt sich der Gesamt-Nettoumsatz aller Apotheken mit der GKV einschließlich des (mit etwa 350 Mio. € netto hier noch vernachlässigbaren) Versandes auf rund 36,6 Mrd. € taxieren bzw. 1,86 Mio. € je einzelne Apotheke.
Rechnet man jedoch die etwa 250 Sterillabor-Apotheken und den Versand heraus, verbleiben für die restlichen Apotheken noch etwa 32,4 Mrd. € bzw. 1,66 Mio. € (+3,9%) je einzelne „Normal-Apotheke“, was einem GKV-Umsatzanteil von knapp 72% entspricht.
Fertigarzneimittel machen mit 30,1 Mrd. € oder 1,53 Mio. € je einzelne Apotheke (ohne Praxisbedarf) naturgemäß den größten Anteil am GKV-Umsatz aus. Die Impfstoffe umfassen davon in 2017 überschaubare 1,16 Mrd. € brutto bzw. rund 970 Mio. € netto, verabreicht in 35,2 Mio. Impfdosen, davon 12,4 Mio. Grippeimpfstoff-Einzeldosen als größte Gruppe. Mit 6,49 Mrd. € brutto spielen Onkologika (Fertigarzneimittel und Rezepturen ambulant, ohne Klinikmarkt) dagegen in einer ganz anderen Liga.
Die Preise der Packungen steigen im Durchschnitt wie seit Jahren weiter, diesmal um gut 2% auf etwa 45,70 € zum Apotheken-Nettoverkaufswert. Haupttreiber sind wie gehabt teure innovative Präparate.
Ärzte-Hitliste
209.466 Vertragsärzte (absolut +2.497 bzw. +1,2%), davon 63.205 Zahnärzte (+1.304), stellten diese ganzen Verordnungen aus. Die Zahl der Hausärzte hat weiter um etwa 1% bzw. absolut um 403 abgenommen, dafür sind die hausärztlich tätigen Internisten wieder deutlich mehr geworden (+3,3% oder absolut 508). In der Summe resultiert ein Plus von 105 hausärztlich tätigen Ärzten. Bei den sonstigen Fachärzten dominierten, wenn auch abgeschwächt, die Pluszeichen, diesmal wieder bei den Neurologen (+5,4% oder 111 Ärzte, teilweise Umschichtungen von den Nervenärzten, die um 72 abgenommen haben), den Onkologen (+4,1% oder 44 Ärzte), Orthopäden (+2,8% oder absolut 198), Pneumologen (+2,7% bzw. 35 Ärzte) und den Gastroenterologen (+2,6% bzw. absolut 44). Geringe Zuwächse gab es auch in anderen Facharztdisziplinen (Tabelle 1). Von einem Ärztemangel kann insoweit selbst angesichts der wachsenden Bevölkerung noch keine Rede sein. Vielmehr haben wir ein Verteilungsproblem, insbesondere ein Stadt-Land-Gefälle, aber auch Konzentrationstendenzen (MVZ, Gemeinschaftspraxen) auf Kosten der Einzelpraxen in der Fläche. Die hier aufgeführten Arztzahlen geben zudem nur die Vertragsärzte wieder („Kassensitze“). Angestellte Ärzte ohne eigenen „Kassensitz“, in deutlich zunehmender Zahl in Praxen zu finden, sowie die reinen Privatpraxen bleiben in dieser Statistik außen vor.
Arztgruppe |
Arztanzahl |
Verordnungen je Arzt |
Umsatz brutto je Arzt |
---|---|---|---|
Hausärzte |
39.740 (-403) |
8.261 (-51) |
281.500 € |
hausärztlich tätige Internisten |
15.764 (+508) |
8.406 (-71) |
378.000 € |
Kinderärzte |
7.597 (+104) |
5.138 (-265) |
123.700 € |
Gynäkologen |
12.439 (+122) |
1.203 (+10) |
97.100 € |
HNO-Ärzte |
4.537 (+46) |
1.579 (-141) |
89.300 € |
Augenärzte |
6.161 (+30) |
2.094 (+13) |
170.100 € |
Chirurgen |
7.374 (+33) |
689 (-19) |
24.200 € |
Orthopäden |
7.345 (+198) |
1.338 (-54) |
50.900 € |
Urologen |
3.354 (+62) |
2.353 (-33) |
324.400 € |
Hautärzte |
3.932 (+21) |
2.889 (+52) |
245.300 € |
Kardiologen |
2.921 (+61) |
1.031 (-19) |
73.800 € |
Nervenärzte |
2.176 (-72) |
5.888 (-10) |
614.000 € |
Neurologen |
2.171 (+111) |
3.512 (+41) |
725.300 € |
Psychiater |
2.128 (+1) |
3.158 (+89) |
176.200 € |
Anästhesisten |
3.955 (+26) |
640 (+6) |
50.300 € |
Gastroenterologen |
1.726 (+44) |
1.275 (+45) |
598.400 € |
Hämatologen/Onkologen |
1.130 (+44) |
5.717 (+2.139) |
3.856.000 € |
Nephrologen |
1.615 (+32) |
3.769 (+79) |
458.700 € |
Pneumologen |
1.331 (+35) |
5.043 (-85) |
621.900 € |
weitere Internisten |
3.780 (-52) |
2.841 (-24) |
752.300 € |
Zahnärzte |
63.205 (+1.304) |
126 (+3) |
2.100 € |
sonstige |
15.085 (+242) |
1.451 (+9) |
296.900 € |
alle Ärzte |
209.466 (+2.497) |
3.169 (-37) |
198.000 € |
Was verschreiben die einzelnen Arztgruppen?
Im diesjährigen Arzneiverordnungs-Report sind erstmals die Rezepturen vollumfänglich in den Verordnungsdaten enthalten, was teils erhebliche „Sprünge“ erklärt. Das katapultiert die bereits bisherigen Rekordhalter, nämlich die Onkologen, in ganz andere Umsatzregionen: 3,86 Mio. € Brutto-Verordnungsvolumen je Arzt!
Für die typischen Offizin-Apotheken bleiben Allgemeinärzte und hausärztlich tätige Internisten am wichtigsten (Tab. 1). Neben vergleichsweise guten Umsätzen führen sie die Liste der Verordnungszahlen und damit der ausgestellten Rezepte an, sprich, sie sorgen für Frequenz mit einem breiten Indikations- und Bedarfsspektrum. Nervenärzte stellen ebenfalls eine beachtliche Zahl an zudem noch teuren Verordnungen aus (Durchschnittswert 104 € brutto). Die ebenfalls verordnungsstarken Kinderärzte bewegen sich dagegen am anderen Ende des Preisspektrums (Durchschnittsverordnung 24 € brutto), nicht zuletzt, da hier viele Non-Rx-Präparate aufgeschrieben werden.
Der positive Trend bei den Haut- und Augenärzten setzt sich fort. Doch geht dieser vor allem auf steigende Verordnungswerte zurück, die Verordnungszahlen verändern sich kaum. Ähnliche Trends finden sich bei vielen Spezialärzten.
Interessanter als die Umsätze sind die Roherträge. Hier dominieren wieder die Hausärzte bzw. hausärztlichen Internisten mit etwa 65.000 € bis gut 70.000 € Rohertrag aus der GKV. Interessanterweise bringen Nervenärzte bzw. Neurologen und auch die Pneumologen ziemlich ähnliche Erträge ein, trotz viel höherer Umsätze. Demgegenüber fallen die klassischen Fachärzte (abseits von Hochverordnern wie Onkologen oder Nephrologen) mit regelhaft weniger als der Hälfte dieser Erträge weit ab. Orthopäden und HNO-Ärzte liegen mit etwa 11.000 € bzw. 15.000 € am unteren Ende.
Grundsätzlich handelt es sich bei den Umsätzen um Bruttowerte vor Abzug von Rabatten und Mehrwertsteuer, ohne Sprechstundenbedarf, Nicht-Arzneimittel sowie ohne Privatverordnungen. Verrechnet man das, entsprechen die GKV-Bruttowerte vor Abschlägen meist in etwa dem Gesamt-Nettoumsatz des Arztes in der Apotheke.
Beachten Sie, dass dies alles lediglich Durchschnittszahlen sind. Individuell streuen die Verordnungen je nach Patientenzahl ganz erheblich. Der beste Indikator ist dafür die „Scheinzahl“ (= Fälle je Quartal) der einzelnen Praxis.
Regionale Aspekte
Beachtlich sind die bundeslandspezifischen Abweichungen des Verordnungsgeschehens (Abb. 2). Typischerweise weisen die Stadtstaaten überdurchschnittliche Verordnungsumsätze auf (das gilt für fast alle großstädtischen Regionen vor allem aufgrund der dortigen Fach- und Spezialarztdichte). Traditionell über dem Schnitt rangieren demografiebedingt (höherer Altersschnitt) die neuen Bundesländer mit Ausnahme Brandenburgs, welches als teilweiser Speckgürtel Berlins weniger überaltert ist. Vergleichsweise „arme“ Verordnungsregionen sind die südlichen Flächenländer Bayern und teilweise Baden-Württemberg (hier vor allem Baden) sowie weiterhin Rheinland-Pfalz und Hessen. Ebenfalls seit Jahren erheblich unter dem Durchschnitt rangiert das zu großen Teilen ländlich geprägte Schleswig-Holstein sowie die Region Westfalen-Lippe. Bei der Beurteilung eines Standortpotenzials sind solche Unterschiede bedeutsam, doch werden sie natürlich vom konkreten Geschehen vor Ort (vorhandene Praxen und deren Verordnungsaktivität) überlagert.
Indikationen
Die nach Anzahl der Fertigarzneimittel-Verordnungen (Rx und Non-Rx) und damit für die Kundenfrequenz wichtigsten Indikationsfelder zeigt Tabelle 2. Traditionell führen Herz-Kreislauf-Präparate, Schmerz- und Rheumamittel, Magen-Darm-Mittel (v. a. Säureblocker) sowie Psychopharmaka, dort überwiegend Antidepressiva.
Platz |
Indikationsfeld |
VO in Mio. |
VO je Apotheke |
Umsatz netto je Apotheke ca. |
---|---|---|---|---|
1 |
Herz-Kreislauf-Mittel (alle) |
132,1 |
6.690 |
127.300 € |
2 |
Analgetika, Antirheumatika |
85,9 |
4.350 |
98.900 € |
3 |
Magen-Darm-Mittel |
47,9 |
2.430 |
53.500 € |
4 |
Psychopharmaka |
47,1 |
2.390 |
72.700 € |
5 |
Antibiotika/Antiinfektiva |
42,5 |
2.150 |
105.000 € |
6 |
Antidiabetika |
29,4 |
1.490 |
104.300 € |
7 |
Schilddrüsenmittel |
28,1 |
1.420 |
15.900 € |
8 |
Antiasthmatika |
25,3 |
1.280 |
74.200 € |
9 |
Dermatika |
23,5 |
1.190 |
27.100 € |
10 |
antithrombotische Mittel |
22,7 |
1.150 |
91.100 € |
11 |
Lipidsenker |
22,4 |
1.130 |
29.600 € |
12 |
Diuretika |
22,3 |
1.130 |
17.400 € |
13 |
Rhinologika/Husten/Erkältung |
20,8 |
1.050 |
7.600 € |
14 |
Ophthalmika |
17,6 |
890 |
49.800 € |
15 |
Antiepileptika |
11,5 |
580 |
33.100 € |
16 |
Sexualhormone |
9,9 |
500 |
15.800 € |
Σ |
589,0 = 89,4% |
29.820 = 89,3% |
923.300 € = 60,5% |
Die Top-Wirkstoffe
Gliedert man die Indikationsfelder weiter auf und bricht dies auf die Wirkstoffebene herunter, ergibt sich eine lehrreiche Auflistung von 60 häufigen bis sehr häufigen Wirkstoffen. Verzeichnet sind die jeweils drei verordnungsstärksten Arzneistoffe je Indikation, nach definierten Tagesdosen (DDD) sortiert (Tab. 3). Die Massenwirkstoffe bewegen sich im Milliardenbereich – obenan Ramipril mit knapp 4,2 Milliarden Tagesdosen! Andererseits kommen in speziellen Indikationen die Tagesdosen der Top-Wirkstoffe nicht über eine ein- oder zweistellige Millionenzahl hinaus. Bei den Antidiabetika wird man vielleicht die Insuline vermissen. In der Tat stellen diese mit 855 Mio. Tagesdosen die größte Gruppe, doch teilen sie sich in viele verschiedene Einzelinsuline auf und sind deshalb in der Tabelle nicht vertreten.
Indikationbzw. WIrkstoffgruppe |
DDD in Mio.
(Summe)
|
Top-Wirkstoffe nach DDD (DDD in Mio.) |
||
---|---|---|---|---|
Nr. 1 |
Nr. 2 |
Nr. 3 |
||
ACE-Hemmer |
9.025 |
Ramipril (4.164) |
Candesartan (1.160) |
Valsartan (792) |
Analgetika |
659 |
Metamizol (215) |
Tramadol (66,7) |
Fentanyl (54,8) |
Antiasthmatika |
1.450 |
Salbutamol (218) |
Budesonid (102) |
Formoterol (94,0) |
Antidementiva |
112 |
Donepezil (35,8) |
Memantin (29,4) |
Rivastigmin (13,9) |
Antidepressiva |
1.491 |
Citalopram (275) |
Venlafaxin (196) |
Mirtazapin (183) |
Antidiabetika |
2.193 |
Metformin (600) |
Sitagliptin (343) |
Glimepirid (171) |
Antihypertonika |
545 |
Moxonidin (209) |
Doxazosin (69,3) |
Clonidin (13,5) |
Antiinfektiva |
379 |
Amoxicillin (64,2) |
Cefuroximaxetil (55,5) |
Doxycyclin (42,4) |
Antithrombotika |
1.724 |
Acetylsalicylsäure (686) |
Phenprocoumon (281) |
Rivaroxaban (198) |
Antirheumatika |
1.132 |
Ibuprofen (546) |
Diclofenac (236) |
Etoricoxib (81,5) |
Betarezeptorenblocker |
1.965 |
Metoprolol (864) |
Bisoprolol (769) |
Nebivolol (188) |
Calcium-Antagonisten |
2.214 |
Amlodipin (1.593) |
Lercanidipin (387) |
Nitrendipin (68,9) |
Corticosteroide |
434 |
Prednisolon (292) |
Dexamethason (52,7) |
Triamcinolon (28,6) |
Diuretika |
1.855 |
Torasemid (876) |
Hydrochlorothiazid (314) |
Furosemid (304) |
Hypnotika, Sedativa |
89 |
Zopiclon (43,3) |
Zolpidem (24,4) |
Lormetazepam (6,6) |
Lipidsenker |
2.292 |
Simvastatin (1.247) |
Atorvastatin (766) |
Pravastatin (69,9) |
Magen-Darm-Mittel |
3.984 |
Pantoprazol (2.704) |
Omeprazol (726) |
Esomeprazol (176) |
Neuroleptika |
341 |
Quetiapin (58,8) |
Olanzapin (43,7) |
Risperidon (36,2) |
Ophthalmika |
784 |
Latanoprost (105) |
Timolol (82,4) |
Ofloxacin (57,2) |
Urologika |
676 |
Tamsulosin (347) |
Trospiumchlorid (66,1) |
Finasterid (55,1) |
ohne Wirkstoffkombinationen; DDD = definierte Tagesdosen |
Mit diesen 60 Wirkstoffen deckt man einen Großteil des täglichen Verordnungsgeschehens ab. Diese Konzentration der Wirkstoffe zeigt zudem, warum man schon mit einer überschaubaren Zahl an Ausschreibungen und Rabattverträgen viel bewirken kann.
Demografische und Verteilungs-Aspekte
Gesundheitsökonomisch sind die Alters- und Ausgabenverteilungsprofile von großem Interesse. Abb. 3 zeigt die Abhängigkeit der GKV-Bruttoumsätze je Versicherten vom Alter ohne weitere Geschlechterdifferenzierung. Von der günstigsten Altersgruppe (Kinder/Jugendliche unter 15) bis zur teuersten (80 bis 84) tritt beinahe eine Verzehnfachung der Kosten ein. Ebenfalls erstaunlich sind die wieder abfallenden Kosten bei Höchstbetagten; wer einmal 90 und älter wird, ist oft noch erstaunlich fit. Die Älteren ab 65 machen 22% der Versicherten aus, erfordern aber fast 46% der Kosten. Im Alter 20 bis 64 befinden sich 60% der GKV-Klientel, diese kosten knapp 50%. Die 18% Kinder und Jugendliche unter 20 benötigen nur 5% der Arzneiausgaben.
Eine erhebliche Brisanz verbirgt sich in der Kostenverteilungsproblematik. So fallen sehr hohe Kosten für einen ganz kleinen Teil der Patienten an (Abb. 4), insbesondere aufgrund der Hochkosten-Therapien im Bereich Onkologie, Immuntherapien sowie seltenen Erkrankungen. Dieser Thematik widmet sich regelhaft der Barmer Arzneimittelreport. So verursacht 1% der Barmer-Patienten rund 40% der Kosten (Grundgesamtheit sind nur die Versicherten mit Verordnungen, im Gesamtdurchschnitt 78%), knapp 2% erfordern die Hälfte der Aufwendungen. Nicht einmal 1 Promille verursacht bereits 10% der Kosten. Daraus resultieren inzwischen exorbitante Beträge von über 100.000 € brutto pro Kopf, und selbst das teuerste Prozent schlägt noch mit deutlich über 30.000 € Bruttoumsatz zu Buche. Rechnet man die teuren Spezialrezepturen heraus, stehen immer noch 2,7% der Patienten für 50% der Kosten. Praktisch macht daher eine Durchschnitts-Apotheke mit rund 80 Top-Kunden die Hälfte des GKV-Rezeptumsatzes, in dichter Ärzteumgebung ist die Zahl kleiner, in Lauflagen größer.
Diese Kostenkonzentration nimmt weiter zu. Inzwischen zugelassene Gentherapien mit Preisen von etlichen hunderttausend Euro oder teure Ersatztherapien (Enzyme, spezielle Blutfaktoren) mit deutlich sechsstelligen Jahreskosten, die im Vergleich zu Gentherapien lebenslang anfallen, sprechen eine deutliche Sprache und werden perspektivisch zu einem erhöhten Diskussionsbedarf über das Machbare und ökonomisch Vertretbare führen. Tatsächlich ist nicht der demografische Wandel zu einer älteren Gesellschaft der Hauptkostentreiber, sondern mit weitem Abstand der medizinische Fortschritt. |
Literatur
Schwabe U, Paffrath D et al. Arzneiverordnungs-Report 2018, Springer Verlag
Grandt D, Lappe V, Schubert I. Barmer Arzneimittelreport 2018, unter www.barmer.de/presse
GKV-Arzneimitteil-Schnellinformation des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GAmSi), unter www.gkv-gamsi.de
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