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Arzneimittel und Therapie
Sicherheitsnachweis für Dapagliflozin
Endpunktstudie zeigt positive Effekte für Herz und Nieren
Eingesetzt werden die Hemmer des renalen Natrium-Glucose-Cotransporters 2 (SGLT-2) bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2. Sie verhindern die Rückresorption von Glucose in den Nieren und senken so den Blutzuckerspiegel. Dapagliflozin (Forxiga®) kam 2012 in den Handel. Es folgten Canagliflozin – das in Deutschland allerdings nur ein kurzes Gastspiel einlegte – und Empagliflozin (Jardiance®). Dieses Jahr kam Ertugliflozin in fixer Kombination mit Sitagliptin (Steglujan®) hinzu. Nachdem 2007 Bedenken hinsichtlich eines erhöhten Herzinfarktrisikos unter dem Insulin-Sensitizer Rosiglitazon aufkamen, sind die Zulassungsinhaber neuerer Antidiabetika verpflichtet, Daten zur kardiovaskulären Sicherheit zu erheben. Für Empagliflozin und Canagliflozin liegen seit einer Weile Ergebnisse aus großen kardiovaskulären Endpunktstudien vor. Nun hat auch AstraZeneca für Dapagliflozin den Sicherheitsnachweis erbracht.
Dazu wurden in der randomisierten Doppelblindstudie DECLARE (Dapagliflozin Effect on Cardiovascular Events) mehr als 17.000 Patienten untersucht, die bereits eine bestehende Herz-Kreislauf-Erkrankung aufwiesen – rund 40% der Probanden – oder ein hohes Risiko hatten, eine solche zu entwickeln. Die Teilnehmer erhielten entweder 10 mg Dapagliflozin oder Placebo zusätzlich zur Standardtherapie und wurden über einen Zeitraum von 4,2 Jahren im Median beobachtet.
Nichtunterlegenheit gezeigt
Die Studie erreichte ihr primäres Ziel: Dapagliflozin war Placebo im Hinblick auf die kardiovaskuläre Sicherheit nicht unterlegen. In der Dapagliflozin-Gruppe wurden zudem weniger Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krankenhausaufenthalte aufgrund von Herzinsuffizienz beobachtet: In der Dapagliflozin-Gruppe bei 4,9% der Probanden, in der Placebo-Gruppe bei 5,8% (Hazard-Ratio [HR] 0,83; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,73 bis 0,95). Dabei bewahrte der SGLT-2-Inhibitor die Patienten insbesondere vor einer stationären Behandlung der Herzinsuffizienz.
In Bezug auf den koprimären Endpunkt MACE konnte Dapagliflozin hingegen nicht punkten. Unter dem Begriff MACE (major adverse cardiovascular events) wurden verschiedene Ereignisse zusammengefasst: kardiovaskuläre Todesfälle, Herzinfarkte, ischämische Schlaganfälle. Hier gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen (HR 0,93; 95%-KI 0,84 bis 1,03). Dafür ergab sich für den SGLT-2-Inhibitor in einem sekundären Endpunkt ein deutlicher Vorteil: Während bei 5,6% der Patienten in der Placebo-Gruppe ein renales Ereignis – definiert als Abnahme der glomerulären Filtrationsrate, terminale Niereninsuffizienz oder Tod aufgrund renaler oder kardiovaskulärer Ursachen – auftrat, waren es unter Dapagliflozin nur 4,3% (HR 0,76; 95%-KI 0,67 bis 0,87).
Bekanntes Nebenwirkungsprofil
Auch im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen der SGLT-2-Inhibitoren liefert DECLARE Antworten. So bestätigt die Studie das bekannte Risiko für eine diabetische Ketoazidose: Unter Dapagliflozin waren 0,3% der Patienten betroffen, unter Placebo 0,1%. Auch Genitalinfektionen waren in der Dapagliflozin-Gruppe häufiger. Im Vergleich zu Placebo traten mehr als schwerwiegend eingestufte Infektionen auf, und die Therapie wurde wegen einer Genitalinfektion eher abgebrochen (0,9% vs. 0,1%). Für die Vermutung, dass SGLT-2-Inhibitoren eine Fournier-Gangrän begünstigen könnten (s. DAZ 2018, Nr. 37, S. 34), gab es jedoch keine Anhaltspunkte: In der Dapagliflozin-Gruppe wurde ein Fall berichtet, in der Placebo-Gruppe waren es fünf Fälle. Entwarnung gab es auch im Hinblick auf Amputationen: Diese traten unter Dapagliflozin und Placebo ähnlich häufig auf (1,4% vs. 1,3%).
Welche Schlussfolgerungen Professor Kellerer, Diabetologin und Ärztliche Direktorin des Zentrum für Innere Medizin I am Marienhospital Stuttgart, aus den Ergebnissen der DECLARE-Studie zieht, erfahren Sie im unten stehenden Kommentar. |
Quelle
Wiviott SD et al. Dapagliflozin and Cardiovascular Outcomes in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2018; doi:10.1056/NEJMoa1812389
„SGLT-2-Inhibitoren verbessern die Prognose bei Herzinsuffizienz erheblich“
Ein Gastkommentar
Die DECLARE-Studie konnte zeigen, dass sowohl Patienten mit als auch ohne vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankungen von einer Behandlung mit Dapagliflozin hinsichtlich des kombinierten primären Endpunktes Hospitalisation aufgrund Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärer Tod profitieren. Bezüglich des koprimären Endpunktes MACE konnte Dapagliflozin zwar die Sicherheit belegen, jedoch ergab sich hier im Vergleich zu Empagliflozin (EMPA-REG) und zu Canagliflozin (CANVAS) keine signifikante Reduktion. Es drängt sich die Frage auf, wodurch dieser Unterschied zustande kam. Hierbei könnten rein theoretisch substanzspezifische Effekte eine Rolle spielen. Viel wahrscheinlicher aber ist, dass Unterschiede in der Studienpopulation und im Studiendesign die Ergebnisse entsprechend beeinflussten. Im Vergleich zu EMPA-REG (0%) und zu CANVAS (36%) wurden in DECLARE deutlich mehr Patienten (60%) ohne manifeste kardiovaskuläre Erkrankung eingeschlossen. Ein weiterer wichtiger Unterschied zeigte sich bei der Nierenfunktion: Die errechnete glomeruläre Filtrationsrate lag in DECLARE (85 ml/min) signifikant höher als in CANVAS (76 ml/min) und in EMPA-REG (74 ml/min). Man kann daraus ableiten, dass in DECLARE ein kardial und renal gesünderes Patientenkollektiv randomisiert wurde, welches für den Nachweis einer Mortalitätsreduktion nicht lange genug untersucht wurde.
Wie schon in EMPA-REG und in CANVAS konnte auch in DECLARE eine sehr deutliche Reduktion relevanter renaler Ereignisse gezeigt werden. Zudem ergab sich mit Dapagliflozin ein insgesamt gutes Verträglichkeitsprofil, welches dem von Empagliflozin sehr ähnlich war. Einzig genitale Pilzinfektionen treten signifikant häufiger mit SGLT-2-Inhibitoren auf, wobei nur wenige davon zum Studienabbruch führten. Empfehlungen zur Hygiene können diese Nebenwirkung zudem reduzieren.
Bei Infektionen pausieren
Sehr selten kommen diabetische Ketoazidosen (DKA) vor. Diese können auch atypisch mit fast normalen Glucose-Werten verlaufen. Risikofaktoren stellen eine Insulin-Behandlung, versäumte Insulin-Injektion oder Mahlzeiten, akute Infekte und Erkrankungen dar. Ganz allgemein sollte sich deshalb die Praxis durchsetzen, dass SGLT-2-Hemmer in akuten Erkrankungsphasen, bei Infektionen und operativen Eingriffen pausiert werden (ähnlich wie bei Metformin). Bei klinischem Verdacht auf eine DKA sollte die Einnahme von SGLT-2-Inhibitoren sofort unterbrochen werden und eine Keton-Messung erfolgen.
In einer skandinavischen Registerstudie hat sich kürzlich eine erhöhte Amputationsrate für die Gesamtgruppe der SGLT-2-Hemmer im Vergleich zu Glucagon-like-peptide(GLP)-1-Rezeptoragonisten ergeben. Da solche Studien ein hohes Verzerrungspotenzial aufweisen, ist es wichtig, dass wir über Daten aus hochwertigeren, randomisiert kontrollierten Studien verfügen. Im Gegensatz zu Canagliflozin ergab sich in den beiden großen Outcome-Studien mit Empagliflozin und Dapagliflozin kein Signal für eine erhöhte Knochenfraktur- und Amputationsrate.
Konsistente Ergebnisse
Welche Erkenntnisse lassen sich zusammenfassend aus den großen Outcome-Studien mit SGLT-2-Inhibitoren ableiten?
1. Mit SGLT-2-Inhibitoren konnten sehr konsistent unerwünschte renale Ereignisse und die Hospitalisation aufgrund von Herzinsuffizienz reduziert werden. Durch DECLARE wurden diese Effekte auch erstmals in einem großen Kollektiv mit niedrigerem kardiovaskulärem Risiko belegt.
2. Zusätzlich konnte mit den Substanzen Empagliflozin und Canagliflozin auch eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität gezeigt werden.
3. Diabetespatienten sterben überproportional häufig an den Folgen von kardiovaskulären Erkrankungen. Die weitaus schlechteste Prognose quoad vitam haben jedoch solche mit Diabetes und Herzinsuffizienz. Dies fand in der Vergangenheit wenig Beachtung (wohl auch aus Mangel an spezifischen Therapieoptionen). Mit der Klasse der SGLT-2-Inhibitoren stehen nun erstmals sehr wirksame Substanzen zur Verfügung, die erheblich zur Prognoseverbesserung bei diesen Patienten beitragen und Komorbiditäten reduzieren können.
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