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Verteidigung beantragt Prozessaussetzung
Haben Journalisten einen Teil der Ermittlungsakten veröffentlicht?
Der Zugang zu dem Teil der Ermittlungsakten sei unbeschränkt, erklärte der Verteidiger, nach dessen Ansicht eine versehentliche Veröffentlichung ausscheide. Sowohl die Laienrichter als auch die Zeugen hätten daher Kenntnis von den Unterlagen haben können, mutmaßte der Verteidiger. Jedem Zeugen sei es daher möglich gewesen, sich auf kritische Fragen des Gerichts vorzubereiten und interessensgeleitet und glaubhaft, aber nicht wahrheitsgemäß auszusagen. Der Verteidiger sprach in diesem Zusammenhang sogar von einer „Allianz zwischen Nebenklagevertretern und Medien“ und einer „medialen Vorverurteilung“. „Das Verfahren ist daher auszusetzen“, erklärte der Verteidiger – was auch das rechtstaatliche Gebot auf „Waffengleichheit“ gebiete. Er sah durch eine mögliche Weitergabe der Akten durch einen Nebenklagevertreter auch das Recht auf „Guttuung“ vermindert.
Richter gibt Zeit bis Donnerstag
Der Vorsitzende Richter Johannes Hidding erklärte nach einer kurzen Unterbrechung, er wolle allen Verfahrensbeteiligten Zeit bis Donnerstag geben, um dann Stellungnahmen einzuholen. Nach Verlesung des Antrags der Verteidigung fand sich auf den Internetseiten des Recherchenetzwerkes kein entsprechendes Dokument mehr. Wie eine Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft gegenüber DAZ.online erklärte, wurden tatsächlich Ermittlungen wegen Anfangsverdachtes eines Verstoßes gegen § 353d Strafgesetzbuch eingeleitet, offenbar gegen einen correctiv-Mitarbeiter. So ist es verboten, amtliche Dokumente eines Strafverfahrens vor Prozessende – oder bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert wurden – zu veröffentlichen. „Die Ermittlungen richten sich gegen diejenige Person, die auf der betreffenden Internetseite als Veröffentlicher genannt ist“, erklärte die Pressesprecherin. „Dabei handelt es sich um einen Journalisten, der bekanntermaßen in dem Verfahren gegen den Apotheker recherchiert und Beiträge in den Medien veröffentlicht hat.“
Zeugin könnte sich womöglich selbst belasten
Als nächstes sollte ein Finanzermittler als Zeuge verhört werden. Die Nebenklagevertreter kritisierten allerdings, dass sie nicht ausreichend Zeit zur Einsichtnahme in Unterlagen gehabt hätten. Daraufhin entließ der Vorsitzende Richter den Finanzbeamten ohne Vernehmung: Er soll zu einem späteren Termin gehört werden.
Auch die nächste Zeugenvernehmung kam schnell zum Ende: Eine 48-jährige PTA, die im früheren Zyto-Labor von Peter S. gearbeitet haben soll, machte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Richter Hidding hatte sie zuvor darauf aufmerksam gemacht – da sie sich durch ihre Aussage womöglich selbst belasten könnte. Die PTA schwieg daraufhin und die Nebenklagevertreter beanstandeten das Vorgehen von Hidding.
Der anschließend geladene Anfang-40-jährige Apotheker Henrik M. wurde von Hidding hingegen zur Aussage verpflichtet, da seine Mitarbeit im Zyto-Labor außerhalb der Verjährungszeit liegt. Der sichtlich nervöse promovierte Pharmazeut erklärte, dass er nach seiner Tätigkeit in einer Apothekerkammer gerne praktische Erfahrungen sammeln wollte und so im Jahr 2011 ins Gespräch mit Peter S. gekommen sei. Dieser habe ihm verschiedenste Aufgabenfelder in Aussicht gestellt – so die Leitung des Zyto-Labors oder auch die Gründung einer Filialapotheke. „Deswegen bin ich dorthin gewechselt“, erklärte der Zeuge. „Ich habe dann in dem Labor hergestellt wie auch die pharmazeutisch-technischen Angestellten“, erklärte der Apotheker: Im Labor seien täglich 100 bis 150 Zytostatika hergestellt worden, was rund 90 Prozent seiner Arbeitszeit ausgemacht habe – inklusive der Kontrolle von Therapieschemata und dem Bedrucken von Herstellanweisungen auf Etiketten. Doch über die Warenwirtschaft oder „Verbräuche des Lagers“ habe er keine Informationen gehabt. Der Zyto-Apotheke bescheinigte er eine „hohe Intransparenz“ und beklagte sich über mangelnde Einweisungen und fehlende Schulungen. Am Ende der Probezeit habe er von einem Tag auf den anderen seine Vollzeitstelle beendet – für die er monatlich rund 6000 Euro brutto erhielt.
Peter S. wird zum Teil entlastet
Henrik M. beschrieb das Arbeitsklima als „durchaus gut“. Auch in anderen Punkten entlastete der Zeuge den angeklagten Apotheker. So seien Rückläufer, „soweit ich mich an die Situation erinnern kann“, entsorgt und nicht umetikettiert worden. Doch wenn eine Therapie abgesagt wurde und ein anderer Patient dasselbe Arzneimittel in leicht höherer oder niedrigerer Dosis erhalten sollte, sei auch umetikettiert worden.
Der Zeuge bestätigte frühere Aussagen, Mitarbeiter hätten erzählt, dass Krebsmittel für eine Angehörige „tunlichst“ nicht vom Apotheker Peter S. hergestellt werden sollten. Auch habe er gehört, dass ein Arzneimittel von einer Praxis reklamiert worden sei, da es „augenscheinlich falsch hergestellt worden war – oder unterdosiert“, erklärte M., der hierzu jedoch nichts Weiteres berichten konnte. Er selber habe „natürlich“ die Dosis von hergestellten Krebsmitteln immer genau eingehalten, erklärte der Apotheker.
Die Frage eines Verteidigers, ob S. ihm mal eine Unterdosierung angewiesen habe, verneinte der Zeuge. Soweit er es gesehen habe, hätten auch die Kollegen „ordnungsgemäß“ hergestellt – auch habe es immer genug Wirkstoff-Bestände gegeben.
Bislang waren bis Mitte März Verhandlungstermine angesetzt. Eigentlich wollte Richter Hidding demnächst die Zeugenbefragungen abschließen und ab Mitte Februar mit der Verlesung der Plädoyers beginnen.
Für Donnerstag ist ein weiterer früherer Mitarbeiter von S. geladen – sowie ein Mitarbeiter der Firma Hexal. |
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