Prisma

Ein Gläschen in Ehren …

Mäßiger Alkoholkonsum reinigt bei Mäusen das Gehirn

cae | Abfallprodukte des Stoff­wechsels können neurodegenerative Erkrankungen auslösen, wenn sie nicht durch eine hirnspezifische „Müllabfuhr“ entsorgt werden. Wenn Mäuse viel Alkohol trinken, arbeitet dieses System schlechter. Dagegen verbessert eine geringe Alkoholaufnahme diese Hirnfunktion – ein überraschender Befund.
Grafik: Science Photo Library / Lunau, Claus
Aquaporine sind enge Wasserkanäle in Zellmembranen, deren minimaler Durchmesser (0,3 nm) nur wenig größer ist als der eines Wassermoleküls (0,28 nm). Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Reinigung des Gehirns von nutzlosen und schädlichen Meta­boliten. Alkohol kann ihre Funktion verbessern oder verschlechtern – je nach Dosis.

Für die Reinigung des Gehirns von unerwünschten Metaboliten ist das glymphatische System zuständig. Es durchzieht das gesamte Hirn und entspricht funktionell dem dort nicht vorhandenen lymphatischen System.

Auf zellulärer Ebene beruht das glymphatische System auf Astrozyten, dem häufigsten Typ der Gliazellen, die die Nervenzellen umgeben, ihnen Halt geben und auch für den Stoff- , Elektrolyt- und Wassertransport zuständig sind. In der Astroglia sammeln sich die Abfallprodukte des neuronalen Stoffwechsels, zu denen nicht zuletzt die bei der Alzheimer-Demenz auftretenden Proteine Amyloid-β und tau (τ) und das für die Parkinson-Krankheit typische α-Synuclein gehören; von der Astroglia wandern die unerwünschten Metaboliten mit einem stetigen Wasserstrom in die perivaskulären Räume von zerebralen Venen, womit sie die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Anschließend gelangen sie in die Hirnhaut und von dort ins periphere lymphatische System, um zuletzt renal oder biliär eliminiert zu werden. Beim Transport durch die Astroglia spielt der sehr enge, die Zellmembran der Astrozyten durchdringende Wasser­kanal Aquaporin-4 (AQP4) eine wichtige Rolle, wie aktuelle Versuche mit Labormäusen ergaben.

Den männlichen Mäusen wurde einmalig oder einen Monat lang täglich 0 g, 0,5 g, 1,5 g oder 4,0 g Ethanol pro kg Körpergewicht in physiologischer Kochsalzlösung intraperitoneal verabreicht. Danach wurde den Tieren bovines Serumalbumin als Tracer in einen Hohlraum (Cisterna magna) des Gehirns gespritzt, das sich sogleich mehr oder weniger schnell in der Astroglia verteilte, je nachdem wie gut das glymphatische System funktionierte. Kurz darauf wurden die Mäuse getötet und ihre Hirnschnitte mikroskopisch untersucht – u. a. mit folgenden Ergebnissen: Schon die einmalige mittlere oder hohe Dosis steigerte die Bildung des sauren Gliafaser-Proteins (glial ­fibrillary acidic protein, GFAP), das zwar ein physiologischer Bestandteil der Glia ist, aber in größeren Mengen auf krankhafte Veränderungen im Hirn hinweist. Zudem bewirkte der ­Alkohol funktionsmindernde Fehlbildungen des APQ4 und verringerte die Konzentrationen mehrerer Zytokine. Der chronische Alkoholkonsum brachte bei den Mäusen das ganze glymphatische System durcheinander und zerstörte viele Neuronen, die dann durch funktionslose Gliazellen ersetzt wurden (reaktive Gliose). Diese letzteren Befunde bringen die Autoren mit der bei Personen mit chronischem, extrem starkem Alkoholkonsum auftretenden Demenz in Zusammenhang, deren Ätiopathologie allerdings noch umstritten ist.

Die geringe Alkoholaufnahme (0,5 g/kg KG/d Ethanol) veränderte das Zytokinmuster der Mäuse kaum – aber es besserte die Funktion des glymphatischen Systems. Dieses erstaunliche, scheinbar paradoxe Ergebnis lässt die Autoren vermuten, dass ein mäßiger Alkoholgenuss die Mäuse und mög­licherweise auch Menschen vor neurodegenerativen Erkrankungen schützen kann. Der Nachweis mit nicht­invasiven, unbedenklichen Methoden bei Probanden ist allerdings ein Pro­blem, sodass die Vermutung sich derzeit nicht verifizieren lässt. Somit ist sie einstweilen nicht mehr als eine schöne Illusion. |

Quelle

Lundgaard I et al. Beneficial effects of low alcohol exposure, but adverse effects of high alcohol intake on glymphatic function. Sci Rep 2018;8:art no 2246

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