Management

Best Ager in der Apotheke

Erfahrene Mitarbeiter im Unternehmen halten

Auch nach der aktuellen Ana­lyse der Bundesagentur für Arbeit gilt der Apothekerberuf weiterhin als Mangelberuf. Apotheken müssen durchschnittlich 140 Tage auf einen neuen Kollegen warten, bis eine vakante Stelle besetzt werden kann. Die Pro­gnose im Apothekenklima-Index 2018 der ABDA bestätigt den Rückgang der Bewerberzahlen. Um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, gilt es nicht nur, Mitarbeiter auszubilden und zu gewinnen, eine weitere Option ist, sie bis zum Eintritt ins Rentenalter – vielleicht sogar darüber hinaus – im Unternehmen zu halten.

Laut BKK Gesundheitsreport sind mehr als ein Drittel der BKK-Versicherten Beschäftigte, die zu der „Generation 50+“ gehören – die Tendenz ist steigend. Der Report bietet erste Hinweise, welche Fak­toren zur Gesunderhaltung beitragen. Statistisch gesehen sind ältere Mitarbeiter nicht häufiger krank als jüngere Mitarbeiter, aber dafür durchschnittlich länger, was zu einer höheren Anzahl von Arbeitsunfähigkeitstagen führt. Dafür ausschlaggebend sind vor allem die Belastungen durch die Arbeit selbst. Viel entscheidender als das Alter ist demnach, zu welcher Berufsgruppe der Beschäftigte gehört. Denn bei den Wirtschaftsgruppen mit den meisten Fehltagen ist nicht nur die Altersgruppe 50+ betroffen, auch die jüngeren Beschäftigten weisen durchschnittlich mehr Arbeitsunfähigkeitstage auf. In den Wirtschaftsgruppen mit den wenigsten Fehltagen zieht sich diese Tendenz ebenfalls gleichermaßen durch alle Altersgruppen. Stellt sich die Frage: „Was sollten Unternehmen beachten, um die Belastung durch Arbeit zu minimieren?“

Speziell für den Arbeitsbereich Apotheke sprach die „Apotheker Zeitung“ über dieses Thema mit Ulrich Soeder (78), der über 30 Jahre Chefapotheker im Krankenhaus war, und Britta Jansen (53), PTA und Helferin mit 30 Jahren Berufserfahrung.

Gesund bei der Arbeit

Ulrich Soeder stellt seine Erfahrung lieber in der öffentlichen Apotheke zur Verfügung, als sich im Ruhestand zurückzulehnen. „Dafür muss aber die Arbeitsatmosphäre passen“, betont er. Ansonsten kommt es ihm – genauso wie jüngeren Kollegen – darauf an, dass die Arbeitszeiten stimmen und auch Zeit für Pausen da ist. „Uns Kopfarbeiter hält die Arbeit an sich ja schon fit, sowohl die pharma­zeutischen Neuerungen als auch die Weiterentwicklungen im Apothekenwesen“, erläutert er weiter.

Britta Jansen ist der gleichen Meinung: „Sinnhaftigkeit und Bestätigung tun gut und der Umgang mit Kunden fordert jeden Tag wieder individuelle Lösungen, da bleibt man geistig rege. Und für den Körper ist der Wechsel zwischen gehen, stehen und sitzen auch ganz angenehm.“ Für eine gute Arbeit in der Apotheke ist beiden vor allem eine gute Vertrauensbasis wichtig und der damit zusammenhängende Handlungsspielraum, um seine Fähigkeiten auch gezielt für das Unternehmen einsetzen zu können. „Ich möchte einfach nur konzen­triert meine Arbeit erledigen“, meint Jansen. „Das funktioniert aber nur, wenn die Organisation im Unternehmen gut ist und kein unnötiger Stress durch schlechte Absprachen und Strukturlosigkeit entsteht.“

Mythos: Sinkende Leistungsfähigkeit

Auch die Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter ist immer wieder ein Thema. Diese wird jedoch nicht per se geringer, sie wandelt sich vielmehr.

Jansen hält dabei mehrere Aspekte für relevant: „Man kennt sich selbst viel besser. Durch eine gezielte Klärung von Erwartungen (auch im Kundengespräch) und eine höhere Sicherheit bei Entscheidungen lassen sich Prozesse gut verkürzen. Die Routine wirkt sich auf eine durchdachte Arbeitseinteilung und damit auf das Zeitmanagement aus.“ Der Wechsel zwischen unterschiedlich anspruchsvollen Tätigkeiten und die Möglichkeit, Pausen auch zur Erholung nutzen zu können, scheinen zusätzlich wichtig.

Bedacht werden sollte, dass mit zunehmendem Alter die Leistungsfähigkeit wohl stärker variiert als bei jüngeren Kollegen. Nicht jeder 78-Jährige ist derart fit. Auch die familiäre Situation spielt eine Rolle, unter Umständen sind Mitarbeiter in die Pflege von Ange­hörigen oder die Betreuung der Enkelkinder eingebunden. Trotz der Eigenständigkeit, die die Best Ager an den Tag legen, ist der regelmäßige Austausch über die Stimmigkeit der Arbeitsbedingungen sicherlich lohnend.

Foto: contrastwerkstatt – stock.adobe.com
Besonnenheit im Umgang mit dem Kunden durch Berufs- und Lebenserfahrung – der Best Ager kann die Apotheke zu einer runden Sache machen.

Den Erfahrungsschatz bergen

Aber es ist nicht nur der Ausgleich des Fachkräftemangels, den die Best Ager für die Apotheke zu bieten haben. „Die Berufserfahrung bringt neben der Routine auch jede Menge Fachwissen, einen weiteren Blickwinkel und viel Gelassenheit mit sich. Ein echter Vorteil kann auch sein, dass erfahrene Mitarbeiter selbstständiger arbeiten können und wollen. Die Tragweite ihres Handelns können sie problemlos einschätzen“, erläutert Soeder. Beide Best Ager sind sich einig, dass sich nicht nur die Berufserfahrung, sondern auch die Lebenserfahrung positiv auf die Kundenansprache auswirkt. Jansen ergänzt: „Mit der Zeit entwickelt sich ein viel größeres Verständnis für die unterschiedlichen Anliegen der Kunden, was einen bei den Gesprächen am HV viel sicherer, aber auch besonnener macht.“

Im Interview war auch die „kritischere Haltung“ älterer Mitarbeiter ein Thema. Dass Entwicklung stattfinden muss, war beiden Gesprächspartnern wichtig. Mit dem Alter betrachtet man viele Sachverhalte differenzierter und traut sich auch, seine Bedenken oder Kritik zu äußern. „Änderungen gerne, aber bitte gut durchdacht“, war der Tenor. Dieser kritische Blick macht auch vor der eigenen Person und der geleisteten Arbeit nicht halt, was für das Unternehmen ein zusätzliches Plus bieten kann, um Prozesse zu hinterfragen und ein gutes Fehlermanagement aufzubauen. Gewissenhaftigkeit und Verbindlichkeit werden klar vorgelebt.

Tipps für junge Kollegen

Wer sich den Spaß an der Arbeit über lange Jahre erhalten möchte, sollte auf zwei Dinge achten, sind sich Jansen und Soeder einig. Die verbindenden Elemente über die Zeit sind die Pharmazie und die Menschen. „Die Pharmazie ist so reich an interessanten Themen, da kann man sich immer wieder etwas Neues suchen, was einem Spaß macht“, so Soeder. Auch Jansen hält Fortbildungen für relevant: „Dabei sollte es nicht nur um fachliche Inhalte gehen, auch Fortbildungen zur Persönlichkeitsentwicklung sind wichtig und schaffen im Alltag einen besseren Zugang zu Menschen und damit eine bessere Kundenbindung. Die jungen Kollegen sollten die Möglichkeit bekommen, ihre Interessen finden und leben zu können“, sagt sie mit einem Lächeln.

Fazit

Immer mehr Unternehmen machen sich Gedanken zur Gesunderhaltung im Betrieb und möchten diese proaktiv fördern. Die Angebote sind vielfältig, z. B. den Mitar­beitern neben Kaffee auch Wasser und Obst zur Verfügung zu stellen. Die vergünstigte Mitgliedschaft in Fitnessstudios, gemeinschaftliche Sportevents oder Maßnahmen zur Erholung, wie Yogakurse oder Massagen, können genauso dazugehören wie rückenfreundliche und gut beleuchtete Arbeitsplätze. Im Wesentlichen scheint es der „Generation 50+“ aber um die alltäglichen Arbeitsbedingungen zu gehen. Die individualisierte Arbeitsplanung und eine gute Organisation haben eine höhere Priorität als zusätzliche Gesundheitsangebote, die in der Freizeit wahrzunehmen wären. Im Gespräch entstand der Eindruck, dass Arbeitszeit als Lebenszeit betrachtet wird und demzufolge wertig sein sollte, sowohl von der Sinnhaftigkeit der Tätigkeit her als auch von den vorfindbaren Bedingungen. Das bedeutet, dass die Umsetzung gesundheits­fördernder Maßnahmen auch für kleine Unternehmen möglich ist, weil es weniger um große Investitionen, sondern vielmehr um eine aufmerksame Führung und gute Absprachen geht. |

Anja Keck ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Filialleiterin, Master-Coach (DGFC) und Systemische Beraterin.

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