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Gesundheitspolitik
Vertragsstrafe wegen falscher PZN
Langer Rechtsstreit um nicht verfügbares Metoprolol von Betapharm beendet
Im Juni 2011 lief eine Rabattvertragstranche der AOKen an, bei der einer der Vertragspartner die bezuschlagten Arzneimittel – Metoprolol Succinat Beta 47,5 und 95 – zunächst noch gar nicht im Sortiment hatte. Die AOKen vereinbarten daher mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) eine zweimonatige Friedenspflicht, während der Apotheken wirkstoffgleiche Präparate abgeben durften, ohne eine Retaxation zu fürchten.
Dennoch kam es zu Problemen: So gaben zahlreiche Apotheken – rund 1200 sollen es gewesen sein – zwar ein anderes Metoprolol-Präparat ab, druckten aber die PZN der gar nicht erhältlichen Betapharm-Produkte aufs Rezept. So rechneten sie die Rezepte auch ab – und erhielten die entsprechende Vergütung. Das gefiel der AOK Baden-Württemberg ganz und gar nicht. Sie sprach in der Folge unter anderem Vertragsstrafen aus.
Musterstreit bis zum BSG
So auch gegen eine Apothekerin, mit der die AOK sodann einen Musterstreit führte, der nun beendet wurde. Die Pharmazeutin soll im Juni und Juli 2011 insgesamt 44 Mal Metoprolol-Rezepte falsch bedruckt haben. Sie erklärte dies mit ihrer alten Computer-Software, die Rezepte mit der PZN bedruckt habe, ehe die Verfügbarkeit des Medikaments überprüft worden sei. Die AOK forderte von der Apothekerin – nach einer Anhörung sowie einer Korrespondenz mit dem DAV und dem Landesapothekerverband (LAV) – eine Vertragsstrafe von 6560 Euro. Die Begründung: Sie habe mit Falschabrechnungen schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen und dadurch das zwischen den beiden Seiten bestehende Vertrauensverhältnis schwer und nachhaltig beschädigt. Die AOK stützte sich auf § 11 Abs. 1 Rahmenvertrag (RV). Dieser sieht bei Verstößen gegen Abgabebestimmungen nach § 129 Abs. 1 SGB V neben der Verwarnung unter anderem eine Vertragsstrafe bis zu 25.000 Euro vor. Zuvor muss der Betroffene aber angehört werden, und die Kasse muss sich bei Mitgliedsapotheken eines Apothekerverbands mit diesem Verband ins „Benehmen“ setzen.
Das Sozialgericht Mannheim wies die Klage der AOK gegen die zahlungsunwillige Apothekerin als unzulässig ab. Es fehle bereits am Rechtsschutzbedürfnis der AOK – sie hätte ihre Forderung nämlich per Verwaltungsakt durchsetzen müssen. Die Kasse ging daraufhin in Berufung. Doch das Landessozialgericht (LSG) entschied ebenso wie die Vorinstanz. Und so sah man sich vor dem Bundessozialgericht (BSG) wieder. Hier entschied man im Sommer 2017 grundsätzlich im Sinne der AOK – und der eigenen Rechtsprechung. Die Richter hielten die Klage für zulässig. Zwischen den Parteien des Rahmenvertrages – also Apotheken und Krankenkassen – bestehe ein Gleichordnungsverhältnis. Damit liege gerade keine Situation vor, die einen Verwaltungsakt erfordere. Denn dieser geht von einem Über-Unterordnungsverhältnis aus. Letztlich wies das BSG den Fall zur erneuten Verhandlung an das LSG zurück. Es sollte nochmals prüfen, ob das von § 11 RV geforderte „Benehmen“ mit dem LAV hergestellt wurde und die konkrete Vertragsstrafe verhältnismäßig ist.
Dies ist jetzt geschehen. In seinem Urteil stellt das LSG zunächst fest, dass § 11 RV als Rechtsgrundlage für die Vertragsstrafe ausreichend bestimmt ist. Das demnach erforderliche Benehmen mit dem LAV erschöpfe sich zwar nicht in einer bloßen Anhörung, sondern verlange von der Kasse „ein Eingehen auf die Belange der Apothekerseite, die von dem Willen getragen ist, Differenzen nach Möglichkeit auszugleichen“. Hier seien weitere Bemühungen aber nicht erforderlich gewesen, da der LAV zum Ausdruck gebracht habe, dass er vor Verhängung der Vertragsstrafe nicht mehr auf einer nochmaligen Kontaktierung bestehe.
Ferner sei es eine gravierende Pflichtverletzung, wenn eine Apotheke ein Rezept mit einer PZN bedruckt, die nicht dem abgegebenen Arzneimittel entspricht und dieses dann zur Abrechnung einreicht. Diese Pflichtverletzung könne grundsätzlich mit einer Vertragsstrafe geahndet werden. Eine bloße Verwarnung als milderes Mittel sei in einem solchen Fall weniger effektiv. Dennoch: Im hier zu entscheidenden Einzelfall sei die Vertragsstrafe von 6560 Euro nicht mehr verhältnismäßig. Das LSG hält das Verhalten der Apothekerin zwar für grob fahrlässig – sie hätte für den Umgang mit einer derartigen Problematik sensibilisiert sein müssen –, aber nicht für vorsätzlich. Zugunsten der Pharmazeutin berücksichtigten die Richter auch, dass die Pflichtverletzungen zu keinem Zeitpunkt die Gesundheit der Versicherten gefährdet haben. Und auch der Schaden der AOK sei mit maximal 18,92 Euro gering gewesen.
Letztlich kommen die Richter zum Schluss: Beruhen diese „nur grob fahrlässigen“ Verstöße alle auf denselben unzureichenden organisatorischen Vorkehrungen in der Apotheke, ist eine Staffelung der Vertragsstrafe nach der Anzahl der eingereichten Rezepte nicht angemessen. Die Strafe sei analog der Regelungen des bürgerlichen Rechts vom Gericht nach „billigem Ermessen“ festzusetzen. 1000 Euro sind aus ihrer Sicht angemessen.
Da das Verfahren ein Musterstreit war, dürften nun auch auf andere betroffene Apotheken Zahlungsaufforderungen zukommen. |
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