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„Fordern Sie Ihre Berater heraus!“
Wie man als Apotheker richtig und sicher in die Selbstständigkeit startet
Thomas Preis, vor drei Wochen als Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein bestätigt, gab im Eröffnungsvortrag den rund 70 Teilnehmern einen Überblick über den Arzneimittel- und Apothekenmarkt in Deutschland. Von den rund 240 Milliarden Euro GKV-Ausgaben 2018 entfielen auf das Apothekenhonorar etwa 2,2 Prozent. Insgesamt generierten die Apotheken in Deutschland mit der Abgabe von rezept- und apothekenpflichtigen Arzneimitteln sowie weiteren Gesundheitsprodukten einen Umsatz von rund 50 Milliarden Euro, 81 Prozent sind von rezeptpflichtigen Arzneimitteln abhängig. Das Betriebsergebnis einer durchschnittlichen Apotheke (61 Prozent der Apotheken liegen darunter) betrug 2018 rund 144.000 Euro. Würde dieser Betrag voll als Unternehmerlohn entnommen, wäre das im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in der Pharmabranche ein guter Wert, der die Selbstständigkeit als Apothekeninhaber durchaus attraktiv machen würde. Doch natürlich sei die Ökonomie der gesamten Apothekenlandschaft in Deutschland und jeder Betriebsstätte im Einzelnen sehr abhängig von den politischen Rahmenbedingungen der nächsten Jahre. Durch immer mehr Schließungen würden sich die Umsätze der übrigen Apotheken zwar erhöhen, doch sei damit auch ein erhöhter Personalbedarf verbunden.
Zum sechsten Mal veranstalteten Apothekerverband und -kammer Nordrhein zusammen mit der Apotheker- und Ärztebank (Apobank), der Steuerberatung Treuhand Hannover und dem Rezeptabrechner ARZ Service GmbH dieses Jahr den Informationstag „Erfolgreich in die Selbstständigkeit starten“. Rund 70 Apothekerinnen und Apotheker informierten sich am 13. Juni in Düsseldorf darüber, was beim Schritt in die Selbstständigkeit zu beachten ist.
Neben all den Zahlen nutzte Preis auch das Forum für ein ganz persönliches Plädoyer: Der 60-jährige Düsseldorfer führt seine Alpha-Apotheke in Köln seit 30 Jahren, ist seit 20 Jahren standespolitisch aktiv und möchte auch in den nächsten zehn Jahren weiterhin für seine Kunden und Patienten da sein. Die Selbstständigkeit, so Preis, stehe für mehr als nur „sein eigener Chef zu sein“. Sie sei eine „besondere Eigenschaft, die nur wenige Bürger im Land haben“. Laut einer Umfrage entscheiden sich rund sechs Prozent der Menschen, unabhängig von ihrem beruflichen Hintergrund, für eine selbstständige Tätigkeit. Preis präsentierte den Teilnehmern sechs Schritte und Testfragen, die helfen sollen, mehr Sicherheit für diese wichtige (Lebens-)Entscheidung zu gewinnen:
- Sind Sie ein Unternehmertyp? (Erfahrung, kaufmännisches Know-how, Rückhalt und Unterstützung durch Partner und Familie)
- Sich beraten lassen und Schwächen ausgleichen (Gründungsseminare, Kontakt zu Experten von Banken und Steuerberatergesellschaften)
- Finanzplan aufstellen (Kapitalbedarf ermitteln, Kostenaufstellungen, Verfügungsbeträge ermitteln)
- Selbstständigkeit planen (Wie viel ist sie Ihnen wert?, persönliche und familiäre Absicherung, Vorsorge für Alter, Krankheit, Todesfall)
- Alle notwendigen Formalitäten erledigen (Behörden, Kammern, Verbände, Zeugnisse und behördliche Nachweise organisieren, Pflichten gegenüber dem Finanzamt, Risikovorsorge)
- Sich auch nach dem Start beraten lassen durch Steuerberater, die Bank und das Rechenzentrum
Einerseits sei es also eine sehr individuelle Auseinandersetzung mit der Frage nach Selbstständigkeit, andererseits müsse aber auch der Gesetzgeber für die richtigen Bedingungen sorgen, damit die inhabergeführten Apotheken weiterhin ihren Bestand hätten. Dazu gehöre, so Preis, die Apothekenpflicht und die Arzneimittelpreisverordnung sowie ein Fremd- und Mehrbesitzverbot.
Vom Markt zum Objekt
Als nächstes stellte die Rechts-Ökonomin Silke Wolff von der Steuerberatung Treuhand Hannover vor, wie man konkrete Apothekenbetriebe zur Übernahme findet. Dies sei gar nicht schwierig, denn Angebote würde man überall finden – in der Fachpresse, in Online-Portalen, bei Banken und über Steuerberater oder auch „unter der Hand“. Doch ob sich das jeweilige Objekt tatsächlich für den Start in die Selbstständigkeit eigne, könne nur eine Analyse ermitteln. Vor allem solle man sich nicht, machte Wolff deutlich, von oberflächlichen Parametern und Eigenschaften blenden lassen. Umsatzwerte hätten, vor allem im Zeitalter der immer höherpreisigeren Arzneimittel, häufig keinen Aussagewert. Auch die Lage von Apotheken – in der Stadt, auf dem Land, in Ärztehäusern oder Einkaufszentren – wäre nicht unbedingt ein hinreichendes Kriterium. Entscheidend sei, welchen Ertragswert das jeweilige Objekt habe. Dazu gehöre das Warenlager, die Einrichtung und der Firmenwert, also der immaterielle Gegenwert für zukünftige Gewinnchancen. Wolff zeigte dies am Beispiel der Verfügbarkeit über die Betriebsräume:
- Welche Dauer hat der Mietvertrag? (Restlaufzeit, Optionen auf Verlängerung)
- Wie viel beträgt die Miete? (Monatlich, Flexibilität)
- Was für eine Qualität hat der Vertrag? (Untervermietungs-, Weitergabe- und Todesfallklauseln)
Anhand einer Investitionsplanung und betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) wurde den Teilnehmern deutlich, wie sich die persönlichen Verfügungsbeträge in den 10 bis 15 Jahren nach einer Existenzgründung verändern können. Dieses effektive Einkommen solle man sich am besten schon jetzt im Vergleich zum Angestelltenverhältnis als Apotheker vor Augen führen und für die Entscheidung zur Selbstständigkeit heranziehen.
Finanzierung mit „Airbag“
Norbert Steffen von der Deutschen Apotheker- und Ärztebank in Düsseldorf ließ direkt zu Anfang seines Vortrags wissen: Ein „typischer“ Übernahmepreis bei Apotheken existiert nicht. Bei rund einem Viertel aller Übernahmen würden Kaufsummen von unter 150.000 Euro zustande kommen. Bei etwa 22 Prozent könnten es aber auch mehr als 600.000 Euro sein. Der durchschnittliche Kaufpreis liege bei 396.000 Euro (Median: 350.000 Euro), die meisten Apotheken würden für unter 300.000 Euro ihre Besitzer wechseln. Der Kaufpreis sei stets eine Summe aus materiellen und ideellen Werten, so Steffen. Zu den ideellen Werten gehören die folgenden Einflussfaktoren:
- Konkurrenzsituation
- Kunden- und Ärztestruktur
- Umsatz-/Betriebsergebnis
- Qualität des Personals
- Standortsicherung
- Zukünftige Erfolgsaussichten
Die Angst vor der Verschuldung sei unbegründet, sagte Steffen. Man investiere in einen Vermögenswert. Bei der Apobank würden nur etwa 0,2 Prozent der Existenzgründungen scheitern. Gründe seien häufig persönlicher Natur und nicht den jeweiligen Betrieben geschuldet. „Wenn Ihre dritte Ehe scheitert, Sie Spielschulden oder unterhaltspflichtige Kinder haben, könnten Sie in Bedrängnis kommen. Aber das würden Sie auch ohne Apotheke“, so Steffen. Es gebe bei Finanzierungen aber auch sogenannte Airbags, mit denen der drohende Verlust effektiv abgemildert werden könne. Übrigens: Die Apobank verlangt bei Existenzgründungen normalerweise kein Eigenkapital. Dieses solle man vielmehr in private Finanzierung, wie die eigene Immobilie, stecken.
Was Digitalisierung leistet
Klaus Henkel, seit Anfang des Jahres Geschäftsführer beim Apothekenrechenzentrum ARZ Service GmbH, skizzierte in einem sehr kurzweiligen Vortrag den Weg des Rezeptes von der Apotheke über das Rechenzentrum zu den Kostenträgern sowie der Zahlungen auf diesem Weg zurück in die Apothekenbetriebe. Doch Apothekenrechenzentren bieten heute mehr, als nur eine Vermittler-Rolle einzunehmen. In Zeiten der Hochpreiser sei beispielsweise ein Liquiditätsmanagement nötig, um den Apotheken bei der Vorfinanzierung unter die Arme zu greifen. Henkel sensibilisierte die Zuhörer auch für das Thema Pflege und plädierte für ein Umdenken. „Pflege ist die Zukunft“, so Henkel. Mittlerweile reiche es nicht mehr, Pflege als Spezialgebiet anzusehen. „Pflege geht Sie alle an. Zeigen Sie Ihre Kompetenz, unterstützen Sie Betroffene und ihre Angehörigen.“ So bietet die ARZ Service GmbH digitale Tools an, um die Apotheke bei der Ermittlung des Pflegebedarfs und der Verwaltung zu unterstützen. Ein erster Schritt sei die Vermittlung sogenannter Pflegeboxen, die Hilfsmittel für die häusliche Pflege beinhalten. Aktuell gebe es in Deutschland drei Millionen Berechtigte, Tendenz steigend (2040 wird jeder zehnte Bundesbürger über 80 Jahre alt sein), aber nur jeder Dritte wisse von dieser Leistung. Dazu kommt: Apotheken seien in diesem Markt nur schwach vertreten, Apothekenkunden würden schon jetzt von anderen Unternehmen beliefert.
Die Steuerberater Martin Bechthold und Philipp Bayerschen von der Treuhand Hannover gaben einen Einblick in ihre Arbeit. Anhand eines Dialogs und mithilfe von Wortwolken zeigten sie auf, was Finanzbuchhaltung, Steuern, Verfahrensdokumentation und Digitalisierung für die Apothekenbetriebe im Einzelnen bedeuten können.
Zum Abschluss gab Existenzgründerin Christiane König von der Marien Apotheke in Neuss einen Einblick in ihre Laufbahn und Erfahrungen. Selbstständig machte sie sich schon vor 19 Jahren, damals in Form einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) mit Dr. Wolfgang Reipen. Es folgten Filialübernahmen und Neugründungen und schließlich, als der Vater sich in den Ruhestand verabschiedete, die Bildung einer OHG mit neuem Geschäftspartner. König verglich die Selbstständigkeit in ihrem Vortrag mit einem Weg – mal steinig, mal steil, aber zwischendurch sei es auch mal ein leichter und kräftesparender Waldspaziergang. Sie hat, trotz der Unterstützung und des Rückhalts durch ihre Familie in den Anfangsjahren, auch stets professionelle Hilfe durch Berater in Anspruch genommen. „Fordern Sie Ihre Berater heraus“, gab sie den Teilnehmern des Workshops als Ratschlag mit. Es bringe nichts, wenn man gewisse Aspekte der Betriebswirtschaft nicht verstehe. „Das ist Aufgabe dieser Experten und dazu sind sie meiner Erfahrung nach auch gerne bereit.“ |
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