Gesundheitspolitik

Hersteller dürfen EU-Versendern Rabatte auf Rx geben

OLG Düsseldorf: Ohne Bindung an den Apothekenabgabepreis gibt es auch keinen einheitlichen Herstellerabgabepreis

BERLIN (ks) | Ein inländisches Pharmaunternehmen ist bei der Belieferung ausländischer Versandapotheken mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht an den einheitlichen Herstellerabgabepreis gebunden – und zwar auch dann, wenn die Arzneimittel letztlich für den deutschen Markt bestimmt sind. Das ist die wesentliche Aussage des jetzt im Volltext vorliegenden Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf in einem wettbewerbsrechtlichen Streit zwischen den beiden Botox-Herstellern Galderma und Merz. (Urteil des OLG Düsseldorf vom 16. Mai 2019, Az.: I-20 U 126/18)

Das Urteil des 20. Zivilsenats des OLG Düsseldorf sorgte bereits Ende Mai für Aufregung: Der Senat, der seinerzeit den Rechtsstreit zwischen der Wettbewerbszentrale und der Deutschen Parkinson Vereinigung vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gebracht und damit dessen Urteil vom 19. Oktober 2016 ermöglicht hat, hatte sich nach den fixen Apothekenpreisen nun auch mit dem einheitlichen Herstellerabgabepreis zu befassen: Müssen deutsche pharmazeutische Unternehmen diesen einhalten, wenn sie an EU-ausländische Versandapotheken verkaufen?

Galderma jedenfalls hielt es für wettbewerbsrechtlich unzulässig, dass Merz gegenüber ausländischen Versandapotheken Preisnachlässe auf den Herstellerabgabepreis seines Botox-Arzneimittels Bocouture® anbietet und gewährt. Zudem wollte Galderma, dass Merz gegenüber Ärzten nicht für einen Bestell- und Beschaffungsvorgang über ausländische Versandapotheken wirbt, bei dem die Ware unterhalb des Hersteller­abgabepreises bezogen werden kann. Galderma beantragte deshalb beim Landgericht Düsseldorf den Erlass einer Einstweiligen Ver­fügung. Die wurde dem Unternehmen aber versagt. Das Gericht hielt sich schon für örtlich nicht zuständig, weil Merz seinen Sitz in Frankfurt am Main habe.

EU-Versender brauchen Spielraum für Kundenrabatt

Doch sein Urteil ging weiter: Die Regelungen zum einheitlichen Herstellerabgabepreis (§ 78 Absatz 3 S. 1 AMG) fänden bei Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts ohnehin keine Anwendung. Denn dies würde gegen die im primären Unionsrecht verankerte Warenverkehrsfreiheit verstoßen, erklärte es mit Verweis auf die bereits genannte EuGH-Entscheidung. Zu rechtfertigen sei dieser Verstoß nicht – schon gar nicht sei eine solche neuerliche Prüfung in einem einstweiligen Verfügungsverfahren möglich. Das Landgericht erklärte dem Sinne nach weiterhin, dass EU-Versender nur im Wettbewerb überleben könnten, wenn sie ihre Einkaufspreise niedriger halten als den einheitlichen Herstellerabgabepreis. Woher soll sonst der Spielraum für Rabatte kommen?

OLG: Klarer Wortlaut

Galderma ging in Berufung und erklärte, das genannte EuGH-Urteil sei nicht einschlägig, weil es den Apothekenabgabepreis betreffe, nicht aber den Herstellerabgabepreis. Es ergebe sich auch dann ein ausreichender Spielraum für die ausländische Versandapotheke, wenn sie gezwungen wäre, die Arzneimittel zum festgelegten Abgabepreis zu beziehen.

In seinem jetzt vorliegenden kurzen Urteil schließt sich der OLG-Zivilsenat dem landgerichtlichen Urteil an. Die Bestimmung des § 78 Absatz 3 Satz 1 AMG finde auf die Lieferung an EU-Versand­apotheken keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift haben die pharmazeutischen Unternehmer für Arzneimittel, für die ein einheitlicher Apothekenabgabepreis zu gewährleisten ist, einen einheitlichen Abgabepreis festzu­setzen. Sie dürfen also insbeson­dere keine Rabatte gewähren.

Im Urteil heißt es: „Unter diese Vorschrift fällt das hier beanstandete Verhalten, nämlich die Be­lieferung einer ausländischen Versandapotheke, schon deshalb nicht, weil die ausländische Versandapotheke nicht an den einheitlichen Apothekenabgabepreis gebunden ist.“ Doch die Pflicht zur Beachtung eines einheitlichen Herstellerabgabepreises knüpfe unmittelbar an das Bestehen einer Preisbindung hinsichtlich des Apothekenabgabepreises an. Dies folgt nach Ansicht des Senats schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. Aber auch der Sinn eines einheitlichen Herstellerabgabepreises sei allein die Sicherstellung des einheitlichen Apothekenabgabepreises. Besteht ein solcher nicht, bestehe auch keine Veranlassung für die Beachtung eines einheitlichen Herstellerabgabepreises.

Und dass EU-ausländische Ver­sender nicht an den einheitlichen Abgabepreis gebunden sind, sieht das OLG durch den EuGH hinreichend bestätigt. Ausdrücklich halten die Düsseldorfer Richter zudem fest, dass Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der Preisvorschriften weder vorgetragen noch ersichtlich seien.

Ob Galderma weiter für den einheitlichen Herstellerabgabepreis kämpfen will, ist bislang nicht klar. Das Unternehmen könnte den Streit in einem Hauptsacheverfahren fortsetzen. |

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