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Gesundheitspolitik
Abspracheverbot gilt auch in der SAPV
Zusammenarbeit von Apotheke und Arzt steht in der Palliativversorgung auf unsicheren Füßen
Klägerin ist eine Chemnitzer Apothekerin. Sie hatte mit einem an einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) angesiedelten Palliativprojekt, das Patienten im Rahmen der SAPV (i. S. v. § 132d SGB V) versorgt, eine Kooperationsabsprache getroffen. Demnach sollte sie eine 24-Stunden-Rufbereitschaft, eine Notfallmedikation und notwendige Anpassungen der Medikation der Patienten sicherstellen. Die SAPV-Patienten hatten zuvor Einwilligungserklärungen unterzeichnet, mit denen sie die Apotheke der Klägerin mit der exklusiven Medikamentenversorgung beauftragten und ausdrücklich auf ihr Wahlrecht, eine andere Apotheke in Anspruch zu nehmen, verzichteten. Das bemerkten auch die Inhaber anderer Apotheken, die Heimversorgungsverträge geschlossen hatten. Einige der Heimbewohner wurden nun mit Arzneimitteln durch die Apotheke der Klägerin versorgt, die Ärzte des Palliativprojektes verordnet hatten. Diese Apotheker beschwerten sich bei der zuständigen Landesdirektion, die sodann einen Bescheid erließ, nach dem die Kooperationsvereinbarung zwischen der Apothekerin und dem Palliativprojekt eine unerlaubte Absprache nach § 11 ApoG darstelle.
Die Apothekerin legte erfolglos Widerspruch ein, es folgte eine Klage. Die Pharmazeutin wollte gerichtlich festgestellt wissen, dass der Bescheid der Landesdirektion aufzuheben ist. Sie argumentierte u. a., dass der Gesetzgeber „schlicht vergessen“ habe, § 11 ApoG „an die gewollte Struktur der SAPV mit der Intention einer Leistungserbringung aus einer Hand anzupassen“. Sie verwies auch darauf, dass das Palliativprojekt als SAPV-Leistungserbringer nach dem Vertrag mit der Krankenkasse sicherstellen müsse, dass Betäubungsmittel für Notfälle und Krisensituationen bereitgehalten werden. Eine solche Sicherstellungsabrede liege hier vor.
Doch das VG Chemnitz unterstützt die Rechtsauffassung der Behörde. Grundsätzlich unterlägen auch Versorgungsverträge nach § 132d SGB V, die Krankenkassen zur Durchführung der SAPV mit Personen und Einrichtungen schließen, den allgemeinen apothekenrechtlichen Vorgaben und Rechtsgrundsätzen – und damit auch dem Abspracheverbot in § 11 ApoG.
Kritische Einwilligung
Konkret stört sich das Gericht an der Einwilligungserklärung für die SAPV-Patienten. Denn der hier verankerte Verzicht auf die freie Apothekenwahl sei gerade nicht auf die Versorgung mit Medikamenten aus der Palliativversorgung begrenzt – vielmehr gelte er für alle Arzneimittel. Damit liege ein Verstoß gegen das Abspracheverbot vor. Die Norm sei auch auf Ärzte in Palliativprojekten und SAPV-Kooperationsapotheken anwendbar. Andernfalls sei nicht zu erklären, dass der Gesetzgeber eine Reihe wichtiger Tatbestände, die in der SAPV-Medikamentenversorgung von Bedeutung sind, zum Beispiel für Zytostatika und Betäubungsmittel, geregelt habe, gleichwohl in § 11 Abs. 1 ApoG die SAPV-Leistungserbringer aber nicht von dessen Anwendungsbereich ausgeschlossen habe. Auch eine (planwidrige) Regelungslücke will das Gericht nicht erkennen, was eine analoge Anwendung der Ausnahmevorschriften ermöglichen würde.
Das VG lässt auch nicht gelten, die Kooperationsvereinbarung zwischen den SAPV-Leistungserbringern und der Apotheke stelle eine Sicherstellungsabrede im Sinne der Kasse dar. Vielmehr habe die AOK Plus in ihrem Vertrag mit dem Leistungserbringer die Verwendung eines Einwilligungsmusters empfohlen, das gerade keine Einschränkung der Apothekenwahl beinhalte – verwendet wurde dann aber ein anderes.
Kurzum: Da die Absprache entgegen den in § 11 ApoG enthaltenen Grundsätzen getroffen wurde, ist sie gemäß § 12 ApoG nichtig.
Möglicherweise ist der Streit aber noch nicht beendet: Die Klägerin hat einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, über den noch nicht entschieden ist. Das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig. |
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