Gesundheitspolitik

Gutachter hält Spahn-Plan für verfassungswidrig

Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas erstellt Rechtsgutachten für die Apothekerkammer Nordrhein

tmb | Apothekenrechtsexperte Dr. Morton Douglas hat bereits unmittelbar nach der Veröffentlichung der Apotheken-Eckpunkte des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) deutlich gemacht, dass er die Idee des Boni-Deckels für EU-Versender für verfassungswidrig hält. Nun hat er in einem Gutachten für die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) nochmals genau begründet, warum.

An erster Stelle geht es in dem Gutachten um die Ungleichbehandlung deutscher und ausländischer Apotheken, wenn EU-Versendern Boni bis zu 2,50 Euro erlaubt würden. Diese sei anders zu betrachten, wenn sie sich nicht mehr aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), sondern aus einem deutschen Gesetz ergibt, erklärt Douglas. Aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Grundgesetz) müsse der Gesetz­geber eine solche Ungleichbehandlung sachlich rechtfertigen und könne sie nicht nur auf „Prakti­kabilitätserwägungen“ stützen.

Das Argument, hier müsse einer Entscheidung des EuGH Rechnung getragen werden, sei nicht durchgreifend. Denn der EuGH missachte in seiner Entscheidung zur Rx-Preisbindung vom 19. Oktober 2016 die Kompetenz des nationalen Gesetzgebers. Dazu verweist Douglas unter anderem auf Art. 168 Abs. 7 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und auf die Transparenzrichtlinie vom 21. Dezember 1988 (89/105/EWG), die den Mitgliedstaaten die gesundheitspolitische Entscheidungskompetenz zuweisen. Außerdem habe der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 24. November 2016 („Freunde werben Freunde“) darauf hingewiesen, dass der EuGH die allgemeinen Grundsätze zu den Kompetenzen der Mitgliedstaaten nicht geachtet habe.

Mängelbehaftetes Urteil kein sachlicher Grund

Daraus folgert Douglas, dass das EuGH-Urteil zur Arzneimittelpreisbindung an erheblichen Mängeln leide. Das vorlegende Gericht habe die Beweggründe des deutschen Gesetzgebers unzutreffend ermittelt. Bei der Prüfung der Vereinbarkeit mit dem deutschen Recht sei ein unzutreffender Maßstab angewendet worden und der EuGH habe die Zuständigkeit des nationalen Gesetzgebers missachtet. Doch eine solche mängelbehaftete Entscheidung könne für den deutschen Gesetzgeber kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung von Marktteilnehmern sein, argumentiert Douglas.

Weg für neues Verfahren vor dem EuGH verbaut

Außerdem sei eine solche Ungleichbehandlung stets eine Ultima Ratio. Zuvor seien Alternativen zu prüfen. Dies könnten ein Rx-Versandverbot, die Verteidigung des Status quo oder ein Boni-Verbot im SGB V sein. In diesem Zusammenhang sieht Douglas einen Widerspruch im Eckpunktepapier. Denn danach solle durch die Überführung der Preisregelungen in das SGB V der Fokus verstärkt auf die mitgliedstaatliche Kompetenz gelegt werden. Doch Douglas kri­tisiert, dass dies gegenstandslos würde, wenn der Gesetzgeber selbst die angegriffene Regelung außer Kraft setzt. Außerdem würde eine gesetzlich vorgeschriebene Ungleichbehandlung den Weg für ein neues Verfahren vor dem EuGH verbauen.

Ein weiterer Schwerpunkt im Gutachten betrifft die Frage, ob sich deutsche Apotheken noch an eine solche nationale Regelung halten müssten. Dazu verweist Douglas auf Urteile zu Rx-Boni in Deutschland. Darin sei die Ungleichbehandlung deutscher und ausländischer Apotheken nur akzeptiert worden, weil die EU-Versender nur einen sehr geringen Marktanteil haben und der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der deutschen Apotheker damit gering sei. Doch bei einer gesetzlichen Verankerung der Ungleichbehandlung dürfte diese Argumentation nicht mehr zu halten sein. Douglas erwartet, dass deutsche Apotheker dann auch in begrenztem Maß Rx-Boni gewähren können müssten.

Kritische 5-Prozent-Klausel

Die Klausel, nach der der EU-Versandhandel stärker reguliert werden soll, wenn er einen Anteil von 5 Prozent an den Rx-Arzneimitteln erreicht, sieht Douglas als weiteres Problem. Es sei zu berücksich­tigen, dass die Nachfrage nach Rx-Arzneimitteln unelastisch sei. Geringere Preise führen hier nicht zu einer erhöhten Nachfrage. Ein niedrigerer Ertrag könnte daher nicht durch zusätzliche Verkäufe kompensiert werden. Wenn diesem System 5 Prozent entzogen würden, fehle faktisch die Vergütung für 1000 Apotheken. Dadurch seien signifikante Konsequenzen für die flächendeckende Versorgung zu erwarten. Darum müsse in der Gesetzgebung gerechtfertigt werden, warum der Gesetzgeber eine Verlagerung von 5 Prozent des Umsatzes für hinnehmbar halte. Außerdem sei nicht ersichtlich, wie bei einer Überschreitung des Marktanteils von 5 Prozent diese Entwicklung wieder in den Griff zu bekommen sei. „Insoweit wird billigend in Kauf genommen, dass es zu irreversiblen Konsequenzen auf dem Apothekenmarkt kommt“, folgert Douglas. Ähnliches erwartet er für den Buchmarkt. Auch dort seien dann Verfahren zur Buchpreisbindung zu erwarten, die „signifikantes Potenzial zu deren Beendigung“ bergen würden. |

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