Gesundheitspolitik

Kosmetikkabinen contra EU-Versand

BERLIN (ks) | Eine Apotheke darf nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen auch Kosmetikbehandlungen mit apothekenexklusiver Kosmetik anbieten.

Apotheker haben ein beschränktes Berufsfeld: Sie sind als Heilberufler in erster Linie dafür verantwortlich, dass alle Bürger ordnungsgemäß mit Arzneimitteln versorgt werden. Doch sie sind im Hinblick auf ihr nicht apothekenpflichtiges Nebensortiment auch Kaufleute und stehen in Konkurrenz mit Drogerien und anderen Einzelhändlern. Die Apothekenbetriebsordnung macht strikte Vorgaben, was unter „apothekenüblichen Waren“ zu verstehen ist und bestimmt, dass apothekenübliche Dienstleistungen der Gesundheit dienen oder sie fördern müssen. Die Frage, ob eine Apotheke Kosmetikbehandlungen anbieten darf, taucht in regelmäßigen Abständen auf. Apotheken machen ihren Kunden gerne dieses zusätzliche Angebot – doch nicht immer akzeptiert es die Aufsicht. So war es auch in einem Fall, über den das Verwaltungsgericht (VG) Gießen im vergangenen März entschieden hat (Urteil vom 25. März 2019, Az.: 4 K 3001/18.GI).

Hier hatte die zuständige Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Darmstadt, einem Apotheker im Mai 2018 untersagt, in seinen Betriebsräumen Kosmetikbehandlungen durchzuführen. Allerdings war der Erlaubnisurkunde für die 1990 eröffnete Apotheke seit dem Jahr 2005 zu entnehmen, dass sich die Apothekenbetriebserlaubnis auch auf einen (durch eine Tür abgeschlossenen) Raum bezieht, der für kosmetische Behandlungen und Beratungen vorgesehen ist. Die Apotheke war auch entsprechend TÜV-zertifiziert. Bei einer Apothekenprüfung im Jahr 2014 gab es keinerlei Beanstandungen wegen des Kosmetikraums. Erst bei einer weiteren Prüfung 2017 wurde der Kläger aufgefordert, sich zu diesem zu äußern – was sodann im Jahr darauf in die genannte Untersagungsverfügung mündete. Die Aufsicht meinte, dass hier keine apothekenübliche Dienstleistung vorliege – und nach der Apothekenbetriebsordnung seien anderweitig gewerblich oder beruflich genutzte Räume durch Wände oder Türen von den Apothekenbetriebsräumen abzutrennen.

Dagegen wehrte sich der Apotheker: Die in seiner Apotheke angebotenen Kosmetikbehandlungen hätten Gesundheitsbezug. Ausgebildete Kosmetikerinnen behandelten in dem abgetrennten Raum schwere Hautprobleme (z. B. Narben, ­starke Akne, überstarken Haarwuchs), die über „normale“ Kosmetik hinausgingen. Zur Anwendung kämen ­dabei allein exklusive Kos­metik­artikel aus der Verkaufspalette der Apotheke. Die Kosmetikkabine werde zudem nur ungefähr 2,5 Tage pro Woche genutzt.

Das VG Gießen entschied auf ganzer Linie zugunsten des Apothekers und spickte seine Begründung mit hochaktuellen Argumenten. Für die Richter liegt „klar auf der Hand“, dass das Angebot des Apothekers eine apothekenübliche Dienstleistung im Sinne von § 1a Abs. 11 ApBetrO ist. Der Gesundheitsbezug ergebe sich schon daraus, dass die verwendete Apotheken-Kosmetik ebenfalls Gesundheitsbezug haben müsse. Gerade im Bereich des Nebensortiments trete der freie Beruf des Apothekers zurück und es finde eine gewerbliche Konkurrenz mit Anbietern gleicher Produkte statt. Und so müsse man Apothekern nicht nur den Verkauf und die Information über diese Produkte zugestehen, sondern auch ihre Anwendung.

Die Gießener Richter gehen auch auf eine Entscheidung des VG Minden aus dem Jahr 2011 ein, mit der einer Apotheke Kosmetikbehandlungen untersagt wurden. Die Mindener Richter hatten unter anderem ausgeführt, dass jedenfalls eine Geschäftsgestaltung, die befürchten lässt, dass sich die Apotheke vom vorrangigen Arzneimittelversorgungsauftrag hin zum „Drugstore“ oder zum Kosmetikstudio entwickelt, mit den apothekenrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar ist. Doch gerade dies fürchten die Gießener Richter in ihrem Fall nicht. Es seien nur zwei Kosmetikerinnen beschäftigt, die allenfalls an 2,5 Arbeitstagen in der Woche tätig seien. Das Gericht errechnet, dass gemessen an der Gesamtarbeitsleistung in der Apotheke die Kosmetik nur 6 bis 7 Prozent einnehme – damit könne der Hauptzweck der Apotheke nicht infrage gestellt werden.

Versandhandel gefährdet Apotheken mehr

Der Versorgungsauftrag sei ohnehin viel eher durch den vermehrten Versandhandel als durch gering­fügige Nebenleistungen apothekenüblicher Art gefährdet. Im Urteil heißt es: „Nach der Erfahrung des Gerichts werden insbesondere chronisch Erkrankte dahin tendieren, ihre kontinuierliche Versorgung mit Medikamenten und Hilfsmitteln über Versandapotheken ­sicherzustellen, weil es sehr viel einfacher ist, ausgestellte Rezepte unmittelbar vom Arzt dorthin übermitteln zu lassen oder selbst per Post an die Online-Apotheke zu übermitteln, um die Medikamente und Hilfsmittel zugesandt zu erhalten, ohne eine ortsansässige Apotheke aufsuchen zu müssen, und damit ihren laufenden und abschätzbaren Versorgungbedarf sicherstellen zu können. Eine weitere Ausuferung dieses Trends würde zur Überzeugung des Gerichts dazu führen, dass nur noch Akut- oder Notfallpatienten die ­lokalen Apotheken vor Ort aufsuchen, weil die Versorgung über die Versandapotheke zu zeitaufwendig wäre. Mit einer derartigen Versorgung von Randgruppen wäre aber die Existenz der Apothekenlandschaft vor Ort in Deutschland insgesamt gefährdet.“

Und wen all diese Argumente nicht überzeugen: Letztlich halten die Richter die Untersagungsverfügung auch für rechtsmissbräuchlich – schließlich war der Behörde die Existenz der Kosmetikkabine seit Jahren bekannt. Rechtskräftig ist das Urteil aber nicht. Die Berufung am Hessischen Verwaltungsgerichtshof ist bereits anhängig. |

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