Gesundheitspolitik

DocMorris-Quittungen für Privatversicherte vor Gericht

Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg im Berufungsverfahren wird Ende Oktober erwartet

BERLIN (ks) | Verlieren Rx-Boni von EU-Versendern an Privat­versicherte bald ihren Reiz? Das dürfte der Fall sein, wenn die Kunden diese geldwerten Vorteile an ihre Versicherung durchreichen müssten. Ende Oktober will das Oberlandesgericht Naumburg entscheiden, ob DocMorris Quittungen an PKV-Versicherte ausstellen darf, die zur Vorlage bei der Versicherung ­genutzt werden, aber Arznei­mittelkosten ausweisen, die in dieser Höhe tatsächlich nicht ­geleistet wurden.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte bereits 2017 entschieden, dass es unlauter ist, wenn eine ausländische Versandapotheke Quittungen zur Vorlage bei der Krankenkasse ausstellt, wenn darin eine voll geleistete Zuzahlung vermerkt ist, die die Kunden wegen eines Bonus in Wirklichkeit nur hälftig gezahlt haben.

Testkäufe zeigen Praxis auf

In Sachsen-Anhalt spielt man dieses Thema derzeit am Beispiel von Privatpatienten durch. Kläger ist ein Apotheker aus Tangerhütte, der bei DocMorris Testkäufe durchführen ließ. Diese Testbestellungen belegen, dass der niederländische Versender auch Privatpatienten Rx-Boni gewährt und ­ihnen Quittungen ausstellt, die diese Preisnachlässe nicht berücksichtigen. Reicht der Versicherte eine solche Quittung dann zur Kostenerstattung ein und bekommt von seiner Versicherung den vollen Arzneimittelpreis zurück, so liegt ein Betrug vor, führte das Landgericht Stendal in ­seiner Entscheidung vom letzten März aus. Und die Apotheke, die solche Quittungen ausgibt, stifte folglich zum Betrug an. Im vorliegenden Fall ging das Gericht allerdings nicht so weit – denn hier hatte der Testkäufer die Quittungen tatsächlich nicht zur Erstattung eingereicht. Und wer Teilnehmer an einem nicht vollendeten Betrug ist, macht sich nicht strafbar.

Wird die private Krankenversicherung betrogen?

Dennoch bejahte das Landgericht einen Unterlassungsanspruch: DocMorris habe unlauter gehandelt, weil es die „unternehmerische Sorgfalt“ vermissen ließ (§ 3 Abs. 2 UWG). DocMorris habe selbst eingeräumt, dass die Rezeptkopie geeignet sei, den Privatversicherten zu veranlassen, den Vorteil nicht an seine Versicherung weiterzugeben. „Das Bestehen der Möglichkeit von Missbräuchen ist ausreichend, um einen Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt anzunehmen“, urteilte das Stendaler Gericht.

Worum geht es noch?

Im Übrigen untersagte das Gericht DocMorris personenübergreifende Kundenkonten im PKV-Bereich, in denen neben den Daten der Adressaten auch die weiterer Patienten/ Familienangehöriger ohne vorherige Einwilligung verarbeitet und wiedergegeben werden. Einen dritten Klageantrag, mit dem sich der Apotheker aus Sachsen-Anhalt auch gegen eine de facto „kostenlose“ Arzneimittelabgabe wandte, wies das Gericht ab. Das nahm der Apotheker hin, während DocMorris Berufung einlegte.

Richter geben sich bedeckt

Vergangene Woche Montag stand die Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Naumburg an. Es ist derselbe Senat, der derzeit auch über die Amazon-Verfahren des Münchener Apothekers Hermann Vogel zu entscheiden hat. Und ebenso wie dort ließen die Richter in der mündlichen Verhandlung nicht durchblicken, in welche Richtung sie entscheiden werden. So schilderte es Fabian Virkus, Rechtsanwalt des Apothekers aus Tangerhütte, gegenüber der AZ. Inhaltlich sei es unter anderem darum gegangen, ob überhaupt ein Wettbewerbsverhältnis zwischen DocMorris und dem Apotheker aus Sachsen-Anhalt besteht – was DocMorris bestreitet.

Sein Urteil will das Gericht nach jetzigem Stand der Dinge am 30. Oktober verkünden. Darauf dürften viele Augen gerichtet sein. Nicht zuletzt angesichts der geplanten Apothekenreform, die künftig nur ein Rx-Boni-Verbot für den Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte selbst wiederholt auf das Stendaler Urteil hingewiesen, wenn er verdeutlichen wollte, dass die Aussparung der PKV von seinem Rx-Boni-Verbot rein praktisch nicht allzu große Auswirkung habe. Dabei ließ er allerdings außen vor, dass die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist.

Wird das Urteil des Landgerichts Stendal nun aber im Punkt der Quittungen bestätigt – am Ende möglicherweise sogar durch den Bundesgerichtshof –, würden die Rx-Boni ausländischer Versender für Privatversicherte erheblich an Attraktivität einbüßen. Den Arzneimittelkäufern bliebe dann nur, ihrer Versicherung den Bonus durchzureichen, wollen sie sich nicht des Betrugs schuldig machen. Und DocMorris müsste diesen entsprechend auf der Quittung ausweisen, um sich nicht mitschuldig zu machen. Doch noch ist abzuwarten, wie die Entscheidung in Naumburg ausfällt – und wie es mit dem Verfahren dann weitergeht. |

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