Wirtschaft

Keine Angst vor Amazon

Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli will Umsatz bis 2022 verdoppeln

cha | Deutschlands Apotheken benötigen Schutz vor der unfairen Konkurrenz der EU-Versender. Das dies immer dringlicher wird, zeigt das Interview des Schweizer Finanzmagazins „The Market“ mit Walter Oberhänsli, Gründer und Vorstandsvorsitzender der DocMorris-Muttergesellschaft Zur Rose. Dieser will den Umsatz bis 2022 verdoppeln, und das zu einem guten Teil zulasten der deutschen Vor-Ort-Apotheken.

Oberhänsli setzt bei seinem Vor­haben, den Zur Rose-Umsatz von 2018 bis 2022 auf 2,4 Mrd. Franken zu verdoppeln, vor allem auf den deutschen Markt: „Der größte Effekt für die Verdoppelung des Umsatzes wird aus der Einführung des E-Rezeptes in Deutschland kommen.“ Oberhänsli rechnet insbesondere damit, dass durch die Einführung des E-Rezepts „die Konversion der bestehenden Kunden von OTC-Medikamenten ins Geschäft mit Rx-Medikamenten“ beschleunigt wird.

Foto: Philipp Külker

Die deutschen Apotheken im Visier: Zur Rose-Chef Oberhänsli

Dazu verweist er auf das Vorbild Schweden, wo der Versand rezeptpflichtiger Arzneimittel seit 2012 jährlich um 50% wachse. Dort sei das E-Rezept seit einigen Jahren Standard und der E-Commerce-Marktführer Apotea habe es geschafft, durch gezielte Marktbearbeitung die Penetration des Online-Versandhandels signifikant zu erhöhen: „In Schweden werden heute knapp 10% aller Rx-Medikamente online bestellt. In Deutschland sind es 1,3%.“

200 Millionen Franken für das E-Rezept

Die kürzlich ausgegebene Anleihe über 200 Mio. Franken soll laut Mitteilung von Zur Rose „vorwiegend zur Finanzierung der Initiativen im Zusammenhang mit der Einführung des elektronischen Rezepts in Deutschland“ verwendet werden. Ein Teil davon werde, so Oberhänsli im Interview, für die Technologie ausgegeben: „Wir müssen sicherstellen, dass unsere Plattform skalierungsfähig ist.“ Am wichtigsten werde das Marketing werden. Als Beispiel führt Oberhänsli Zalando an: „2011 lancierte die Gruppe mit einem wahnsinnigen Flächenansatz die Kampagne ‚Schrei vor Glück oder schick’s zurück‘. Zalando hat es damit geschafft, die Einstellung der Kunden zu ändern, dass man Schuhe im Internet kaufen kann. Damit sprang der Anteil des Onlinekanals in der Bekleidungsindustrie in Deutschland von 0 auf 15%. Wir müssen die Analogie dazu finden.“

Doch wie rasch wird nach Einschätzung von Oberhänsli das Wachstum stattfinden? Zur Rose unterstellt in seiner Projektion, dass der Versandanteil im deutschen Rx-Markt von heute 1,3% bis 2022 auf 3% wächst. „Das ist keine aggressive Annahme“, so Oberhänsli – offensichtlich rechnet er mit einem größeren Zuwachs.

Angesprochen auf das im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken geplante Rx-Boni-Verbot äußert Oberhänsli, er „glaube, dass das Vorhaben nicht von Erfolg gekrönt sein wird“. Dass es europa- und verfassungsrechtliche Bedenken gebe, sei bekannt. Leben könnte er mit einer „Rabattlimite“, alle Akteure im deutschen Markt sollten gleiche Möglichkeiten haben, Rabatte anzubieten.

Beschleunigen will Oberhänsli die E-Rezept-Penetration in Deutschland mit dem Marktplatzmodell: „Elektronische Rezepte, die nur im Onlineversand eingelöst werden können, bringen nicht viel. Selbst wenn der Rx-Versandanteil auf 3% steigt oder dann später auf 5 oder 10% – was ich für möglich halte – bedeutet das ja, dass immer noch über 90% aller Rx-Medikamente stationär verkauft werden. Wir können unsere Technologie stationären Apotheken anbieten, damit sie das E-Rezept schneller umsetzen können.“

Und was ist mit Amazon? Oberhänsli sieht einen Markteintritt zwar als Risiko. Er fügt hinzu: „Nach unserer Einschätzung wäre das für Amazon aber nicht so einfach und wird deshalb auch nicht so schnell geschehen.“ Der europäische Markt sei regulatorisch sehr fragmentiert, Arzneimittel seien ein komplexes Geschäft. Ein Netzwerk aus Krankenversicherern, Pharmaherstellern und Dritt­anbietern aufzubauen, sei anspruchsvoll. „Es wird auch für eine Amazon schwierig sein, an uns vorbeizukommen.“

Auch auf die Frage, was sei, wenn Amazon Shop Apotheke kaufe, reagiert Oberhänsli abwiegelnd: „Wir sehen uns auch in solchen Szenarien gut aufgestellt. Wir haben uns als Europas größte E-Commerce-Apotheke etabliert und sind auf dem Weg, Marken­bekanntheit und Kundenbasis weiter auszubauen.“

In einem Interview mit dem Schweizer Finanzportal „Cash“ im September 2018 klang Oberhänsli noch weniger optimistisch: Eine Übernahme von Zur Rose durch Amazon könnte er gar nicht verhindern. Oberhänsli wörtlich: „Wenn Amazon ein Angebot machen sollte, müssten unsere Aktionäre entscheiden, ob sie dieses annehmen wollen oder nicht.“ |

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