Wirtschaft

Neue gute Argumente für die Buchpreisbindung

Börsenverein des Deutschen Buchhandels präsentiert neue Studie

tmb | Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Arzneimittelpreisbindung vom Oktober 2016 dreht sich die Berufspolitik der Apotheker wesentlich um dieses Thema. Das Gericht hatte die unzureichende Begründung für die Preisbindung bemängelt. Angesichts dieser Sorgen um die Arzneimittelpreisbindung bemüht sich die Buchbranche zunehmend, die Buchpreisbindung gut zu begründen. Eine neue Studie liefert nun beeindruckende ökonomische Argumente für feste Buchpreise.

Die Buchpreisbindung in Deutschland wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt. Dabei legt der Verlag einen verbindlichen Ladenpreis fest, der nach 18 Monaten aufgehoben werden kann. 2002 wurde die Buchpreisbindung gesetzlich neu geregelt. Nach Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels besteht in 13 europäischen Ländern eine Buchpreisbindung auf gesetzlicher Grundlage oder durch Branchenvereinbarungen, beispielsweise in Österreich, Spanien, Italien, Belgien, den Niederlanden und Norwegen. Außerhalb Europas gebe es gebundene Buchpreise beispielsweise in Mexiko, Argentinien und Japan.

Zweiteilige Studie

Der Börsenverein hatte bei unabhängigen Wissenschaftlern eine Studie zu den Folgen der Buchpreisbindung in Auftrag gegeben und präsentierte Anfang November die Ergebnisse. Der erste Teil der Studie besteht aus einer umfangreichen Erhebung internationaler Vergleichsdaten und einer darauf aufbauenden ökonomischen Analyse. Dieser Teil wurde von einer Arbeitsgruppe um den Volkswirtschaftler Prof. Dr. Georg Götz an der Justus-Liebig-Universität Gießen erstellt. Das Team wird das Forschungsprojekt fortsetzen und die Ergebnisse in Aufsätzen in Fachmagazinen veröffentlichen. Den zweiten Teil der Studie bildet ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Andreas Fuchs, der geschäftsführender Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Osnabrück ist. Das Gutachten soll 2020 als Buch erscheinen.

Zu den Ergebnissen erklärte der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, Alexander Skipis, die Buchpreisbindung sei „Garant für Qualität und Vielfalt auf dem Buchmarkt“. Er ergänzte: „Sie ist eine wichtige Grundlage dafür, dass Deutschland als zweitgrößter Buchmarkt weltweit Vorbildcharakter hat.“ Gerade in der heutigen Marktsituation erfülle die Buchpreisbindung ihren Schutzzweck und sie sei mit dem europäischen Recht vereinbar.

Erhaltung von Buchhandlungen

Eine Besonderheit der ökonomischen Untersuchung liegt in den Vergleichsdaten aus Ländern mit und ohne Buchpreisbindung. Götz erklärte dazu: „Auf Grundlage einer umfassenden, bisher so nicht verfügbaren Datenmenge aus zahlreichen Ländern konnten wir die wirtschaftlichen Auswirkungen der Buchpreisbindung tiefgehend analysieren. Wir haben viele positive Effekte der Preisbindung auf den Buchmarkt festgestellt.“ Einer dieser Effekte sei die Erhaltung unabhängiger Buchhandlungen. Nach Abschaffung der Buchpreisbindung in Großbritannien sei die Zahl der unabhängigen Buchhandlungen dort von 1995 bis 2001 um rund 12 Prozent gefallen, in Deutschland dagegen nur um 3 Prozent. Außerdem sei die Marktkonzentration in Deutschland viel geringer. In Großbritannien habe allein Amazon einen Marktanteil von 45 bis 50 Prozent, kleine Buchhandlungen nur 5 bis 10 Prozent. Dagegen macht der ganze Online-Markt in Deutschland nur 20 Prozent aus, 20 Prozent entfallen auf Filialisten und 30 Prozent auf den unabhängigen Buchhandel.

Mehr verkaufte Bücher

Der stationäre Buchhandel fördere wiederum die Nachfrage nach Büchern. Demnach werden in Deutschland durchschnittlich 6100 Bücher pro Jahr weniger abgesetzt, wenn eine Buchhandlung schließt. Denn die Kunden wechseln nur teilweise zum Versand. So seien durch den Wegfall von Buchhandlungen zwischen 2014 und 2017 in Deutschland etwa 3,5 Millionen Bücher weniger verkauft worden. Damit seien 56 Prozent des Absatzrückganges bei Büchern durch das Schließen von Buchhandlungen zu erklären. Oder anders ausgedrückt: Von den 2 Prozent Absatzrückgang bei Büchern zwischen 2014 und 2017 sei die Hälfte auf das Schließen von Buchhandlungen zurückzuführen.

Niedrigere Buchpreise

Zudem mache die Buchpreisbindung die Bücher im Durchschnitt billiger. Gemäß der Studie stieg der Durchschnittspreis für Bücher in Großbritannien zwischen 1996 und 2018 um 80 Prozent. In Frankreich habe der Anstieg nur 24 Prozent und in Deutschland 29 Prozent betragen. In diesen beiden Ländern gilt eine Preisbindung. Das Argument der Preisbindungskritiker, der Wettbewerb sorge für niedrigere Preise, greift offenbar nur bei Bestsellern. Denn diese seien in Großbritannien billiger, weil bei gut verkauften Büchern Rabatte ausgehandelt würden. Bei etwa gleichem Absatzanteil würden die 500 meistverkauften Titel in Deutschland 26,6 Prozent des Umsatzes ausmachen, in Großbritannien nur 21,5 Prozent.

Foto: Stephan Koscheck – stock.adobe.com

Breiterer Buchmarkt

Die weniger bekannten Bücher profitieren dagegen von der Preisbindung. Denn die Titel auf den Verkaufsrängen 15.000 bis 50.000 haben gemäß der Studie in Deutschland einen Marktanteil von 20,5 Prozent, in Großbritannien nur 15,3 Prozent. Dies hängt offenbar mit der Arbeit des stationären Buchhandels zusammen, der die Entdeckung von unbekannten Titeln und Autoren fördere. Von 420 Belletristik-Titeln, die zwischen 2011 und 2018 erst nach drei oder mehr Wochen in die Top-20-Liste aufgestiegen waren, seien dafür in 237 Fällen (56,4 Prozent) allein und in 171 Fällen (40,7 Prozent) maßgeblich die Verkäufe im Buchhandel vor Ort entscheidend gewesen. Für Annerose Beurich, Inhaberin der Buchhandlung stories! in Hamburg und Vorstandsmitglied des Börsenvereins, zeigt dies, „wie unverzichtbar gerade der stationäre Buchhandel für die kulturelle Vielfalt in unserem Land ist“. Weiter erklärte Beurich dazu: „Mit dem Verschwinden von Buchhandlungen verlieren Menschen Kontaktpunkte und somit Zugänge zu Büchern. Buchhandlungen sind Orte der Begegnung und des Austauschs, sie betreiben engagiert Literaturvermittlung, Kulturarbeit und Leseförderung.“ Ohne den Buchhandel wäre so mancher interessante Titel oder Autor nie entdeckt worden, erklärte Beurich.

Vereinbar mit EU-Recht

Die Kernaussage des Rechtsgutachtens, das den zweiten Teil der aktuellen Studie bildet, lautet: „Das deutsche Buchpreisbindungsgesetz ist mit dem EU-Recht vereinbar.“ Ausländischen Versendern werde der Zugang zum deutschen Markt nicht erschwert. Die Versandbuchhändler hätten ausreichende andere Wettbewerbsmöglichkeiten, um auf dem deutschen Buchmarkt Fuß zu fassen und konkurrenzfähig zu bleiben. Das zeige der kontinuierliche Anstieg des Marktanteils des Versandhandels am Buchmarkt auf 20,7 Prozent im Jahr 2018 und der Erfolg von Amazon mit einem Anteil von rund 50 Prozent am Onlinegeschäft mit Büchern.

Eingriff gerechtfertigt

Der Schutz des Kulturguts Buch sei „ein ausreichender Rechtfertigungsgrund für die Ausschaltung des Preiswettbewerbs auf der Handelsstufe“, erklärte Fuchs und ergänzte: „Zudem kompensieren die positiven Auswirkungen der Preisbindung auf den Buchmarkt und für die Verbraucher die Einschränkung des Wettbewerbs.“ Der Schutz des Buches als Kulturgut werde auch vom Europäischen Gerichtshof als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses anerkannt. Die Preisbindung erfülle die ihr zugeschriebenen positiven Wirkungen, wie die ökonomische Analyse von Götz zeige. Dagegen wären alternative Fördermaßnahmen wie flächendeckende staatliche Subventionen mit enormen Kosten verbunden und zudem verfassungs- und ordnungspolitisch bedenklich, heißt es im Rechtsgutachten. Die Buchpreisbindung sei auch mit dem europäischen Kartellrecht vereinbar. Sie beeinträchtige die praktische Wirksamkeit der europäischen Wettbewerbsregeln nicht und falle unter keine anerkannte Fallgruppe für einen Verstoß gegen die mitgliedstaatliche Loyalitätspflicht. Sogar wenn der Europäische Gerichtshof seine Rechtsprechung künftig auf staatliche Maßnahmen ohne Anknüpfung an ein wettbewerbswidriges Verhalten von Unternehmen ausweiten würde, läge kein Wettbewerbsverstoß vor. Denn die in der ökonomischen Analyse von Götz gezeigten positiven Folgen für den Markt und für die Verbraucher würden die Ausschaltung des Preiswettbewerbs kompensieren. Außerdem werde der Wettbewerb nicht gänzlich ausgeschaltet, sondern es herrsche weiterhin ein intensiver Wettbewerb über den Service. |

 

Kein Schweigen im Walde – eine Randnotiz von Dr. Armin Edalat

Die Buchpreisbindung in Deutschland ist salonfähig. Wer hätte gedacht, dass mehr als 20 Jahre nach dem Eintritt des Online-Händlers Amazon in den deutschen Markt kein öffentliches Interesse daran zu bestehen scheint, den Buchhandel mit Rabatten und Boni-Aktionen aufzumischen. Amazon-Gründer Jeff Bezos’ Geschäftsidee von einst, ­Bücher und andere Medien erstens per Versand und zweitens deutlich billiger als im stationären Handel unter das Volk zu bringen, wurde in den Anfangsjahren von vielen unterschätzt und müde belächelt. Es verwundert nicht, dass die deutsche Buchpreisbindung in den vergangenen Jahren mehrmals juristisch und politisch zur Disposition stand: Muss sich ein ausländischer Anbieter an die hier geltenden festen Preise halten oder wird ihm dadurch der Zugang zum Markt erschwert? Nicht nur die Fragen scheinen im Hinblick auf die Arzneimittelversorgung dieselben zu sein, auch die Antworten sind es. Feste Preise garantieren Anbietervielfalt, sorgen für eine Mischkalkulation, fördern den Absatz auch weniger lukrativer Produkte und machen diese im Durchschnitt günstiger. Der Börsenverein, also quasi die ABDA des deutschen Buchhandels, lässt keine Gelegenheit aus, diese Argumente – zum Beispiel in Form von Gutachten – immer wieder in das öffentliche Bewusstsein zu rücken, mit Erfolg. Politisch und gesellschaftlich wird die Preisbindung für Bücher akzeptiert. Sogar mit EU-Recht seien die Regelungen vereinbar. Daraus lässt sich nur schließen, dass es für Arzneimittel verpasst wurde, ähnlich überzeugend zu argumentieren.

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