Gesundheitspolitik

DocMorris muss auch an die PKV denken

Rx-Boni vs. unternehmerische Sorgfaltspflicht

BERLIN (ks) | Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg hat kürzlich entschieden, dass DocMorris keine Unterlagen über Arzneimittel ausstellen darf, die zur Vorlage bei einer privaten Krankenversicherung geeignet sind und zugleich gewährte Boni verschweigen. Jetzt liegen die Urteilsgründe vor. (Urteil vom 14. November 2019, Az.: 9 U 24/19)

Es ist ein Urteil, das auch der Bundesgesundheitsminister mit Interesse zur Kenntnis nehmen wird. Es geht um Rx-Boni des niederländischen Versenders DocMorris an deutsche privatversicherte Kunden. DocMorris bietet ihnen einen Bonus in Höhe von 2,50 Euro pro Rezept, bei mehreren Verschreibungen bis zu 15 Euro. Die Kunden, die in Vorkasse gehen, zahlen also entsprechend weniger. Sie ­bekommen aber eine Rezeptkopie, die diesen Preisnachlass nicht erkennen lässt und mit der sie bei ihrer Versicherung die Erstattung des vollen Preises beanspruchen können. Dass dies so ist, zeigen die Belege von zwei Testkäufern – Vater und Sohn –, die ein Apotheker aus Tangerhütte in Sachsen-Anhalt zu verschiedenen Bestellungen veranlasst hat. Sie haben ihre Rezeptkopien allerdings nicht bei der Versicherung eingereicht.

Der Apotheker zog mit diesen Belegen vor Gericht und machte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend.

Das Landgericht Stendal bejahte einen Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt (§ 3 Abs. 2 UWG). Es setzte sich in seinem Urteil auch mit einer möglichen Beihilfe durch DocMorris an einem Betrug der Besteller zulasten ihrer Versicherung auseinander. Doch letztlich verneinte es eine Teilnahmehandlung – denn der Betrug war von den Testkäufern nicht ausgeführt worden. Und eine Teilnahme an einem möglicherweise lediglich versuchten Betrug ist nicht strafbar.

Auf eine mögliche Strafbarkeit kommt es nicht an

DocMorris legte gegen das Urteil Berufung ein – doch das OLG Naumburg bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. In ihrem ­Urteil führen die Richter aus, dass es auf eine mögliche Strafbarkeit der Kunden bei Einreichung des Rezepts bei ihrer privaten Krankenversicherung nicht ankomme. Hingegen sehen auch sie einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 UWG. Demnach sind geschäftliche ­Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, unlauter, „wenn sie nicht der ­unternehmerischen Sorgfalt ent­sprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen“.

Und diese Voraussetzungen halten die Richter für erfüllt: DocMorris‘ Vorgehen halte nicht die „anständigen Marktgepflogenheiten“ ein, zu denen es auch gehören könne, Interessen Dritter zu wahren – hier der Privaten Krankenversicherungen. Einen Vorteil habe der Kunde durch den Bonus nur, wenn er das Rezept mit dem Listenpreis ohne Offenlegung des Bonus einreiche. Und dann übersteige die Erstattung der PKV die Aufwendungen des Kunden – was gegen das ver­sicherungsrechtliche Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung verstoße. Der Versicherungsschutz erstrecke sich nämlich nur auf die vom Versicherungsnehmer tatsächlich erbrachten Aufwendungen, sodass Preisnachlässe die Leistungspflicht des Versicherers mindern. Das Argument von DocMorris, die privaten Krankenversicherungen hätten sich bisher nicht gegen diese Praxis gewehrt, ändere nichts an dieser Rechtslage.

Das OLG macht auch deutlich, dass Rx-Boni für Privatversicherte damit aus ihrer Sicht sinnlos sind: Verhält sich der Kunde rechtmäßig und zeigt seiner Versicherung den Bonus an, hat er keinen wirtschaftlichen Vorteil. „Es besteht bei dieser Praxis also gerade kein Anreiz, eine Versandapotheke zu wählen.“

Der Kläger hatte zudem die personenübergreifenden Kundenkonten von DocMorris moniert, in denen neben den Daten der Adressaten auch die weiterer Patienten/Familienangehöriger ohne vorherige Einwilligung verarbeitet und wiedergegeben sind. Hier sieht das OLG – ebenso wie die Vorinstanz – einen Verstoß gegen Datenschutzrecht.

Was wird der BGH sagen?

Das ist auch ein Grund, warum es die Revision zugelassen hat: Es ist noch klärungsbedürftig, ob die ­Regeln der Datenschutz-Grundverordnung im Einzelfall als Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG anzusehen sind. Zudem nehmen die Richter an, dass wegen „der wirtschaftlichen Bedeutung der hier involvierten Versandapotheke“ ein Interesse der Allgemeinheit besteht zu klären, unter welchen Voraussetzungen die Gewährung von Boni an PKV-Versicherte beim Kauf in einer Versandapotheke möglich ist. Die Frage ist nicht zuletzt deshalb spannend, weil Minister Jens Spahn im Entwurf für das Apotheken-Stärkungsgesetz nur ein Boni-Verbot für GKV-Ver­sicherte vorsieht und den PKV-Bereich ausklammert.

Das OLG Stuttgart hat übrigens bereits vor einem Jahr ein Urteil zum „Sofort-Bonus“ der Europa Apotheek gefällt: Anders als das OLG Naumburg nahm es keinen Wettbewerbsverstoß an, auch nicht gegen die unternehmerische Sorgfalt. Der Fall liegt mittlerweile dem Bundesgerichtshof vor – er hat sein Urteil für Februar angekündigt. Der Sachverhalt liegt allerdings etwas anders: Der „Sofort-Bonus“ der Europa Apotheek ist kein direkter Preisnachlass, sondern wird zunächst einem Kundenkonto gutgeschrieben und kann erst bei einem späteren OTC-Kauf eingelöst werden. |

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