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Wirtschaft
„Keine Medienkampagne“
Novartis weist Vorwürfe wegen Presseberichten zu Zolgensma® zurück
Kürzlich hat eine Allianz aus Kassen, Gemeinsamem Bundesausschuss (G-BA) und Universitätskliniken an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geschrieben. Anlass gaben Medienberichte über kleine Kinder mit SMA, deren Eltern eine Behandlung mit dem neuen Gentherapeutikum Zolgensma® fordern. Nur eine Spritze soll die Erkrankung heilen. Das Problem: Während Zolgensma® in den USA bereits seit Mai 2019 zugelassen ist, erwartet Hersteller Novartis die europäische Zulassung erst im ersten Halbjahr 2020. Bis dahin kann das Arzneimittel nur als Einzelimport bezogen werden – und grundsätzlich nicht auf Kassenkosten. Dennoch haben bereits erste Kassen die Kostenübernahme zugesagt.
Kassen, G-BA und BMG fordern Härtefallprogramm
Kassen und G-BA fürchten, dass das Beispiel Schule macht. In ihrem Brief an Spahn verweisen sie zunächst darauf, dass seit 2017 mit Nusinersen (Spinraza®) ein in Deutschland zugelassenes Medikament gegen SMA zur Verfügung steht. Es muss allerdings regelmäßig verabreicht werden. Das Bündnis scheint überdies der Meinung zu sein, dass Hersteller Novartis selbst die Medienberichte ins Rollen gebracht hat. Und angesichts der „erheblichen Renditen“, die mit Arzneimitteln für neuartige Therapien wie Zolgensma® erzielt werden könnten, will es „nicht ohne Widerspruch“ hinnehmen, „wenn bereits ohne eine Zulassung anstelle eines Härtefallprogramms (Compassionate Use) über eine beispiellose Medienkampagne ein erheblicher Druck auf Krankenkassen und Ärzte entfaltet wird, das nicht zugelassene Medikament zulasten der Versichertengemeinschaft vorab einzusetzen“.
Und so fordern Kassen, Kliniken und G-BA ein verbindliches Verfahren für den Einsatz von Zolgensma® und zeigen dafür auch gleich Grundzüge auf. Beispielsweise müsse die Indikationsstellung sehr kritisch durch Experten im konkreten Einzelfall erfolgen – zudem im Benehmen mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Ferner dürften die Arzneimittelabgabe und die weitere Therapie ausschließlich in hoch spezialisierten Zentren stattfinden, die Behandlungsverläufe seien zu dokumentieren. Überdies fordern die Unterzeichner des Briefes, Novartis zu einem Härtefallprogramm zu verpflichten. Von Spahn forderte die Allianz, er möge seine Erwartung an den Einsatz von Zolgensma® äußern – und entsprechend auf das anbietende Pharmaunternehmen einwirken.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat inzwischen reagiert und Novartis aufgefordert, Zolgensma® bis zu einer Zulassung für Deutschland kostenlos abzugeben. Das BMG begrüße sehr, wenn Novartis für die besonders vulnerable Gruppe der Kinder bis zu zwei Jahren kurzfristig ein Härtefallprogramm „in Betracht ziehe“, um den Zeitraum bis zur Zulassung und dem Markteintritt zu überbrücken, heißt es in einem Brief von Staatssekretär Thomas Steffen.
Novartis will internationales Programm erarbeiten
Und was sagt Novartis zu der Debatte? Zum einen verweist das Unternehmen auf die bestehenden Regelungen zum Einzelimport nach § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz. Diese Ausnahmeregelung baue auf den bestehenden Zulassungen auf. Eine Lösung in puncto Kosten ist diese Regelung allerdings nicht – für ein nicht zugelassenes Arzneimittel müssen die Kassen nun einmal nicht zahlen. Novartis steht daher einem Härtefallprogramm auch nicht gänzlich ablehnend gegenüber.
Einige der Kassenforderungen versteht das Unternehmen sogar: „Wir unterstützen ausdrücklich, dass die Indikationsstellung in strenger Risiko-Nutzen-Abwägung im Einzelfall gestellt werden muss, die Anwendung von AVXS-101 ausschließlich in dafür spezialisierten Zentren erfolgen sollte, und die Entscheidung für eine Leistungsgewährung durch die jeweiligen gesetzlichen Krankenkassen im Einklang mit diesen Standards getroffen werden sollte.“
Allerdings weist das Unternehmen auch darauf hin, dass es seit der Zulassung von Zolgensma®in den USA im Mai 2019 aus der ganzen Welt Anfragen und Bitten nach einem Zugang vor Zulassung erhalte. Man arbeite daher an einem Vorschlag für ein internationales Programm. „Die Ausgestaltung eines solchen Programms wird eine gewisse Vorbereitungszeit in Anspruch nehmen.“ Zu lang sollte es allerdings nicht dauern: Die europäische Zulassung wird für das erste Halbjahr 2020 erwartet.
Eine weitere Zwischenlösung – bis zum Start eines Härtefallprogramms – wäre ebenfalls noch möglich. Es gebe weiterhin Gespräche mit Vertretern der Kassen, um eine „gemeinsame Lösung für Deutschland zu finden“, so das Unternehmen.
Eines macht Novartis aber auch deutlich: „Den Vorwurf zum Thema Medienartikel weisen wir zurück. Wir haben einschlägige Medienberichte weder initiiert noch gefördert.“ |
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