Foto: Ivan - stock.adobe.com

Management

Kundenbindung durch Beratung

Wie Sie Patienten mit Adhärenz-Problemen helfen können

Gerade in Zeiten, in denen Versender durch massive Werbung Ihre Kunden mit finanziellen Vorteilen abwerben wollen, ist es umso wichtiger, dass Sie sich als Apotheke vor Ort unverzichtbar machen. Ein sehr gutes Instrument zur Kundenbindung ist eine exzellente Beratung. Profilieren können Sie sich beispielsweise mit der Förderung der Adhärenz.

Mangelhafte oder fehlende Adhärenz Ihrer Patienten sollten Sie keinesfalls als kommunikative Niederlage oder gar als Missachtung Ihrer kompetenten Beratung verstehen, denn dann wird ein Patient schnell als „uneinsichtig“ disqualifiziert. Tatsächlich haben die Adhärenz-Probleme der Patienten sehr verschiedene und teils banale Ursachen. Die gute Nachricht: Einige von ihnen können in der Apotheke aufgelöst werden. Darauf reagieren Kunden in aller Regel positiv überrascht – mit dem Ergebnis einer deutlich verbesserten Compliance und, nicht zu unterschätzen, einer intensivierten Kundenbindung.

Eine Unterscheidung ist dabei für Ihr Vorgehen im Gespräch wichtig: Verhält sich der Patienten bewusst oder unbeabsichtigt non-adhärent?

Foto: Ivan – stock.adobe.com
Oft reicht schon die Frage „Kennen Sie das Medikament?“, um mit dem Kunden ins Gespräch zu kommen. Auch wenn dann nicht immer eine ausführliche Beratung notwendig ist – der Kunde fühlt sich gut betreut und kommt gerne wieder.

Ihr Vorgehen bei bewusster Non-Adhärenz

Es gibt Menschen, die willentlich von einer Therapieanweisung abweichen, zum Beispiel aufgrund von religiöser Überzeugung. Dazu zählen unter anderem strenggläubige Muslime, die keine Arzneien einnehmen dürfen, die Schweinegelatine (wie z. B. Kapseln) enthalten. Für sie steht eine andere Art der Adhärenz im Vordergrund, nämlich die Befolgung der religiösen Regeln. Mithilfe der Arzneimitteldatenbank ist es jedoch durchaus möglich, gelatinefreie Alternativen zu finden.

Deutlich größer ist die Zahl der­jenigen, die ihre Rezepte nicht einlösen, weil die erforderliche Zuzahlung für sie eine finanzielle Belastung bedeutet. Bei Ihren Stammkunden kann der prüfende Blick auf die Kundendatei leicht klären, ob ein Medikament nicht längst hätte nachgekauft werden müssen. Häufig hilft dann ein eindringlicher (aber vorwurfsfreier!) Hinweis darauf, wie wichtig die regelmäßige Einnahme ist bzw. welche Konsequenzen die Nicht-Einnahme möglicherweise hat. Sinnvoll ist zudem, zu erwähnen, dass man sich von der Zuzahlung von der Krankenkasse befreien lassen kann.

Unter den bewusst non-adhärenten Patienten sind am häufigsten die Personen vertreten, die ihre Arzneimittel eigenmächtig über- oder unterdosieren, die also in ­ihrem Laienverständnis „Selbst-Medikation“ betreiben. Wie Sie ­davon erfahren? Durch gezieltes Nachfragen nach der üblichen ­Dosierung in den letzten Tagen. Diese Frage mit einem konkreten Zeitbezug wird erfahrungsgemäß eher wahrheitsgetreu beantwortet. Lassen Sie sich auch die Gründe für das Zuviel oder Zu­wenig nennen.

Dabei werden Sie immer wieder auf eine deutliche Diskrepanz zwischen der subjektiven Einschätzung des Patienten zur Schwere seiner Erkrankung und dem objektiven Befund stoßen.

Manche Patienten haben eine ausgeprägte Angst vor Nebenwirkungen oder befürchten sogar eine Arzneimittelabhängigkeit. Für sie entfaltet der Beipackzettel häufig eine abschreckende Wirkung. („Wenn ich das schlucke, könnte mir ja das alles passieren!“)

Empfehlung:

Hier sind Sie und Ihre kundenorientierte, empathische Beratung gefragt.

Im Gespräch nennen Kunden Ihnen wahrscheinlich die Fehleinschätzungen oder Bedenken, die sich ungünstig auf ihre Adhärenz auswirken. Die können Sie durch gezielte patientengerechte Informationen minimieren oder sogar völlig ausräumen.

Was Sie mit großer Sicherheit nach einem solchen Gespräch häufig hören werden, ist: „Das hat mir der Arzt noch nie/das hat mir noch keiner so erklärt.“

Ihr Vorgehen bei unbeabsichtigter Non-Adhärenz

Die Zahl der Patienten, die unbeabsichtigt non-adhärent sind, ist kaum zu ermitteln. Doch es gibt verschiedene Erklärungen für deren Verhalten und häufig liegt es in Ihrer Hand, hier gezielt gegenzusteuern.

Ein wesentlicher Grund ist die unzureichende Beratung/Aufklärung durch den behandelnden Arzt oder auch das bislang betreuende Apothekenteam: Der Patient versteht die Therapie inhaltlich oder sprachlich nicht richtig, sei es aufgrund mangelhafter Deutschkenntnisse, Schwerhörigkeit oder aber der gewählten Formulierungen.

Eine Instruktion wie „Sie müssen die Salbe regelmäßig auf die erkrankte Hautstelle applizieren“ ist für die Mehrheit der Laien unverständlich. Und was ist genau gemeint mit dem Hinweis „Bitte nehmen Sie das Medikament mit viel Flüssigkeit ein“? Unpräzise Anleitungen werden nur in Ausnahmefällen korrekt befolgt.

Auch unklare Zielformulierungen wie „Sie müssen unbedingt den Blutdruck runterkriegen“ oder allgemein gehaltene Argumentationen wie „Übergewicht ist sehr ungesund“ sind nicht dazu geeignet, Patienten von der Notwendigkeit ihrer Therapie zu überzeugen.

Empfehlung:

Ermuntern Sie Ihre Kunden, Fragen zu stellen.

Wenn Patienten ihre Erkrankung und die eingeleitete Therapie besser verstehen, fällt es ihnen oft leichter, einen Therapieplan zu befolgen.

Manche Medikamente werden auch deshalb nicht verwendet, weil der Patient rein physisch nicht dazu in der Lage ist, zum Beispiel aufgrund seines schlechten Sehvermögens oder einer motorischen Störung. So kann er den Beipackzettel nicht entziffern, es gelingt ihm nicht, bestimmte Verschlüsse/Verpackungen zu öffnen oder Tabletten zu teilen. Vor allem ältere, multimorbide oder auch psychisch instabile Patienten haben häufig erkennbare Probleme damit, einen Therapieplan konsequent zu befolgen. Fragen Sie daher immer wieder einmal nach, ob ein Medikament möglicher­weise Schwierigkeiten bereitet.

Gerade diese Kunden sind dankbar für Ihre Tipps oder Hilfen, die ihnen die Einnahme/Anwendung erleichtern. Dazu zählen beispielsweise:

  • Tropfen hörbar in einen leeren Plastikbecher fallen lassen, wenn die Sehkraft nachgelassen hat. Dann Becher mit Wasser auffüllen und austrinken.
  • Tabletten können gut mit Daumen­druck geteilt werden, wenn die Knickrille oben liegt, andernfalls hilft ein Tablettenteiler.
  • Schwer zu öffnende Verschlüsse werden bereits in der Apotheke geöffnet.
  • Schwierig auszublisternde Arzneimittel werden nach Möglichkeit in eine geeignetere Packung umgefüllt.
  • Ähnlich aussehende Medikamente werden mit unterschiedlichen und mit „für was“ beschrifteten Farbstreifen versehen.
  • Wird ein Antibiotikum als Trockensaft gekauft, können Sie anbieten, die Zubereitung zu übernehmen oder einmal gemeinsam durchzuführen. Hilfreich für die korrekte Dosierung ist zudem eine Dosierspritze.

Empfehlung:

Es sind genau diese kleinen Hilfestellungen, die Kunden mit einer ausgeprägten Loyalität zu „ihrer“ Apotheke und mit einer positiven Mund-zu-Mund-Propaganda belohnen.

Muss aufgrund der Rabattverträge ein Arzneimittel ausgetauscht werden, hat es für den Patienten eine andere, ungewohnte Optik. Das kann zu zwei Non-Adhärenz-steigernden Effekten führen:

  • Das Präparat wird zusätzlich zu dem noch vorhandenen Alt­bestand eingenommen. Hier sollten Sie sehr eindringlich darauf hinweisen, dass die Medikation keinesfalls verdoppelt werden darf.
  • Oder der Patient vermutet, dass „es nicht so gut wirkt wie das alte“ und nimmt es daher nicht ein. Hier kann das einleuchtende „Tankstellen-Beispiel“ helfen. („Mal tanken Sie Marke A, dann B oder C. Es ist immer Benzin, nur eine andere Marke und das hat Ihrem Auto doch noch nie geschadet.“)

Sinnvoll ist zudem, die verschriebene Dosierung abzuklären. Ist die dafür gegebenenfalls notwendige Teilbarkeit von Tabletten auch bei dem rabattierten Medikament gegeben?

Ein typisches Phänomen bei älteren Patienten ist, dass die Medikamenteneinnahme schlichtweg vergessen wird. Dagegen können die beiden folgenden Empfehlungen helfen:

  • Die pünktliche Einnahme wird mit einer bestimmten Tätigkeit verknüpft, dem sogenannten „Cue-dosing“. Finden Sie gemeinsam mit dem Patienten sinnvolle Auslösereize (= cues), wie das erste morgendliche Zähneputzen (bei Einnahme auf nüchternen Magen), das Mittagessen oder das Einschalten der Tagesschau.
  • Oder empfehlen Sie einen „Tablettenwecker“, wie die Pillenbox „Vergiss nix“, eine Vibra­tionsuhr, den TabTimer oder einen voreingestellten Alarm auf dem Smartphone.

Besonders schwierig wird es mit der Adhärenz, wenn sich ein vorgeschriebener Einnahmerhythmus nur mit Mühe in den Alltag inte­grieren lässt. „Dreimal täglich zu den Mahlzeiten“ funktioniert nicht bei Menschen, die nicht frühstücken oder die im Schichtdienst ­arbeiten. Auch im Ramadan kann es für Moslems Probleme mit dieser Anweisung geben. Im Beratungsgespräch lässt sich schnell klären, ob die vorgegebene Dosierung tatsächlich in den Alltag des Patienten passt.

Noch ein paar „Sahne­häubchen“ für Ihre Beratung

  • Sicher geben Sie Ihren Kunden bei einem neuen Medikament verständliche Informationen zur korrekten Anwendung und Dosierung. Für häufige Indika­tionen bietet es sich ergänzend an, laiengerechte schriftliche Informationen auf Zugriff/zum Download bereitzuhalten.
  • Zählt zu Ihren Kunden eine nennenswerte Gruppe von schlecht oder nicht Deutsch sprechenden Patienten, nutzen Sie doch für Ihre Beratung Piktogramme. Sie werden vom Bundesministerium für Gesundheit, von der BZgA und von mehreren Kammern angeboten. Eine gute Übersicht der für Apotheken verfügbaren fremdsprachigen Materialien bietet die Kammer Nordrhein unter www.aknr.de/apotheker/ („Versorgung der Flüchtlinge mit Arzneimitteln“).
  • Dosisangaben sollten Sie konkret und unmissverständlich nennen und zudem auf die Packung schreiben: statt „2 × 1“ besser „zwei Tabletten pro Tag“ oder „zweimal täglich eine Tablette“.
  • Vergleiche zwischen verschiedenen Dosierungs-Schemata haben gezeigt, dass die Adhärenz bei einer einmal täglichen Einnahme signifikant höher ist als bei einer drei- oder viermaligen Einnahme. Wenn möglich, stimmen Sie mit dem behandelnden Arzt ein einfaches Dosis-Schema ab, zum Beispiel durch den Einsatz von Retard- oder Kombina­tionspräparaten.

Ob sich dieser Beratungsaufwand lohnt? Ein klares „Ja“. Zum einen, weil es ein sehr befriedigendes Gefühl auslöst, mit seiner Beratung erkennbar etwas zu bewirken. Zum anderen, weil diese Kunden und Patienten messbar die höchste Weiterempfehlungsbereitschaft zeigen. Dieser sogenannte „Apostel-Effekt“ bringt Ihnen wiederum neue Kunden. |

Cornelia Tromm, Kommunikations­beraterin, -trainerin und -coach, www.cornelia-tromm.de

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.