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Aus den Ländern
„Ich vermisse die lautstarken Stimmen!“
CDU-Bundestagsabgeordneter Tino Sorge besucht Schloss-Apotheke in Calbe
Patienten auf dem Land suchen ganz bewusst den Kontakt zu ihrem Apotheker. „Sie glauben gar nicht, was wir alles zu hören bekommen. Manchmal kenne ich nicht nur die Patienten- und Krankengeschichte, sondern darüber hinaus auch alle Höhen und Tiefen aus dem Familienleben. Aber genau das macht ja unseren Beruf so spannend. Wir sind gern für unsere Patienten da und freuen uns mit ihnen, wenn wir helfen können.“ Mit diesen Worten beschreibt Nadine Kulke ihre Motivation, Apothekerin mit Leib und Seele zu sein. Sie betreut als Filialleiterin eine von drei Apotheken, die Sabine Kuberski und David Alkewitz in der kleinen Stadt Calbe in Sachsen-Anhalt gehören.
Der 30-jährige David Alkewitz ist erst vor zwei Monaten zum Team dazugestoßen und wird langfristig die drei Apotheken allein besitzen. Denn Sabine Kuberski möchte höchstens noch zwei Jahre im aktiven Arbeitsleben stehen. Die heute 64-Jährige ist froh, in dem jungen Mann einen Nachfolger gefunden zu haben. „Die Situation hier ist nicht leicht. David Alkewitz hatte erst im November 2018 die Stadt-Apotheke übernommen. Das war ein Glücksfall. Die bisherige Eigentümerin war schon fast 70 Jahre alt und suchte seit Jahren einen Nachfolger, ehe sie endlich fündig geworden ist“, beschreibt Sabine Kuberski die prekäre Lage der örtlichen Nachfolgersuche.
Aber warum wagt ein junger Apotheker den Sprung in die Selbstständigkeit? „Ich bin hier geboren und war jahrelang in der Industrie tätig. In diesem Job fehlte mir allerdings der direkte Kundenkontakt. Unser Nachwuchs war schließlich der Grund für die Veränderung. Meine Frau ist weiterhin als Apothekerin in der Industrie beschäftigt. Aber beide in diesen Jobs, das funktionierte nicht. Wir konnten nicht verlässlich planen. Also bin ich den Schritt in die Selbstständigkeit gegangen...“, erklärt David Alkewitz.
Diese Übernahmeproblematik berichteten die drei Apotheker am 26. Februar 2019 ihrem Bundestagsabgeordneten. Der CDU-Abgeordnete und Mitglied im Gesundheitsausschuss Tino Sorge wollte sich selbst ein Bild von einer Apotheke in seinem Wahlkreis mit typisch ländlicher Struktur machen. Sorge ist ein Befürworter der regionalen sicheren Arzneimittelversorgung durch die Apotheke vor Ort. Der Politiker begrüßte die proaktive Strategie der Apotheker, sich für eine langfristige und sichere Versorgung einzusetzen. „Doch ich vermisse die lautstarken Stimmen. Sie müssen viel deutlicher nach außen tragen, wo es drückt. Einerseits, um gegenüber den Krankenkassen eine stärkere Macht zu sein, und andererseits, um der Politik noch deutlicher zu sagen, wie schwer Sie es in Ihrem Alltag haben.“
David Alkewitz prangerte u. a. die schlechte technische Infrastruktur an, mit der er täglich zu kämpfen hat. „Ich habe teilweise kein stabiles Internet in meiner Apotheke. Wie soll ich bei Securpharm prüfen, ob das Arzneimittel echt ist? Wir brauchen zuerst eine zuverlässige und schnelle Internetverbindung. Erst dann könne über weitere Lösungen wie die elektronische Patientenkarte nachgedacht werden. Solange wir im Datennetz noch so abgehängt sind, wird sich wenig digital entwickeln können. Egal, was in Berlin geplant und verabschiedet wird.“
Der junge Apotheker weiß, dass seine Arbeitsaufgaben neben der reinen Arzneimittelberatung und -abgabe demnächst viel breiter aufgestellt sein werden. „Mir ist klar, dass wir weitere Leistungen in der Apotheke anbieten müssen, um gegenüber der Konkurrenz der Versender bestehen zu können. Selbst wenn die Politik dafür sorgt, dass überall gleiche Preise für Arzneimittel gelten und Boni nicht gegeben werden dürfen, so weht uns doch ein starker Wind ins Gesicht. Aber wir werden für unsere Patienten Wege finden, damit eine sichere und zuverlässige Versorgung und persönliche Betreuung gewährleistet bleibt.“
Alkewitz erläutert das an einem Beispiel: Der Enkel soll für die Großeltern ein Rezept abholen. Dieses jedoch komme wahrscheinlich nicht in der örtlichen Apotheke an, wenn es keine zuverlässigen Lösungen gibt. Der Enkel zücke nämlich zuerst sein Handy und „organisiere“ die Rezept-Einlösung digital. Er kläre dann die Großeltern auf, wie rückständig sie seien, wenn sie noch selbst in die Apotheke gehen. Den Wert der Vor-Ort-Versorgung mit der persönlichen Beratung kenne der junge Mann zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Hier müssten Apotheker viel mehr Aufklärung leisten, so Alkewitz.
In diesem Zusammenhang wies Sorge auf erste Modellprojekte hin, bei denen der Patient sein digitales Rezept vom Arzt erhält und es dann in einer Apotheke seiner Wahl einlösen kann. Sabine Kuberski verlieh in diesem Zusammenhang der Forderung nach einem unbedingten Maklerverbot und einer freien Apothekenwahl ohne Mitsprache der Krankenkassen für diese Variante Nachdruck und schloss mit den Worten: „Wir Apotheker sind Leid und Pein seit Jahrhunderten gewöhnt. Aber wir sind ausgebildet, um Lösungen zu finden. Und wenn Sie uns dabei helfen wollen und können, dann bleiben wir optimistisch.“
Tino Sorge versprach, weiterhin ein offenes Ohr für die Belange der Apotheker zu haben, und warb dafür, bei auftretenden Problemen umgehend den direkten Kontakt zu ihm zu suchen. |
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