Arzneimittel und Therapie

Sie schützt, sie schützt nicht ...

Systemische Hormontherapie könnte Alzheimer-Risiko sogar erhöhen

Nach den Ergebnissen einer epi­demiologischen Studie erhöht eine langfristige postmenopausale Hormontherapie möglicherweise das Risiko, an Morbus Alzheimer zu erkranken. Einen kausalen Zusammenhang belegen die Daten zwar nicht, fördern jedoch die Bedenken.

Die Daten zu den Auswirkungen einer längerfristigen Hormontherapie auf das Risiko für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz sind uneinheitlich. So gibt es Hinweise darauf, dass eine postmenopausale Hormontherapie vor Kognitionsverlust schützen kann. Die Ergebnisse der randomisierten placebokontrollierten Women’s Health Initiative Memory Study (WHIMS) konnten dies jedoch nicht bestätigen – im Gegenteil. Dort zeigte sich ein erhöhtes Alzheimer-Risiko bei Frauen, die eine Hormontherapie durchgeführt hatten. Die Besonderheit der Studienpopulation bestand jedoch darin, dass die Frauen mit der Hormontherapie im Alter von 65 Jahren oder später begonnen hatten. Dies stärkt wiederum die Position der Befürworter der „Timing-Hypothese“. Sie besagt, dass eine Hormontherapie vor Alzheimer schützen kann, wenn sie unmittelbar nach den Wechseljahren initiiert wird. Ein Beginn in höherem Lebensalter wäre hingegen eher schädlich.

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Riesiger Datenpool ausgewertet

Anhand einer großangelegten finnischen Fall-Kontroll-Studie wurde nun untersucht, ob eine Hormontherapie Effekte auf das Alzheimer-Risiko besitzt und ob diese mit der Dauer der Behandlung und dem Alter bei Therapie­beginn zusammenhängen. Berücksichtigt wurden Daten des finnischen Arzneimittelregisters zu 84.739 Frauen, die zwischen 1999 und 2013 eine Alzheimer-Diagnose erhalten hatten. Die Kontrollgruppe umfasste ebenso viele Frauen ohne Alzheimer-Erkrankung, deren Daten dem finnischen Bevölkerungsregister entnommen wurden. Zudem wurde ein im Jahr 1994 begonnenes nationales Register genutzt, in dem Rezeptein­lösungen zur Hormontherapie erfasst werden.

Frauen, die in Finnland eine Hormontherapie starten, erhalten als Estrogen-Komponente ausschließlich Estradiol. Als Gestagen-Komponente werden am häufigsten Norethisteron­acetat und Medroxyprogesteronacetat kombiniert. Eine Estradiol-Mono­therapie ist hysterektomierten Frauen vorbehalten.

„Bei einer langfristigen systemischen Hormontherapie ist mit neun bis 18 zusätz­lichen Alzheimer-Diagnosen pro 10.000 Frauen zu rechnen.“

Nahezu alle in der Studie berücksichtigten Frauen (98,8%) waren über 60 Jahre alt, als sie die Alzheimer-­Diagnose erhielten. Etwas mehr als die Hälfte (55,7%) der Studienpopulation hatte bereits das achtzigste Lebensjahrzehnt überschritten. Alzheimer-Patientinnen hatten häufiger eine systemische Hormontherapie erhalten als Frauen, die nicht von der Demenzerkrankung betroffen waren (18,6% vs. 17,0%). Die Hormontherapie war im Schnitt elf Jahre lang angewendet worden. Bei Estradiol-Monotherapie war das Risiko für eine Alzheimer-­Erkrankung um 9% höher als in der Kontrollgruppe (Odds ratio [OR] 1,09; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,05 bis 1,14), bei einer Kombinationstherapie um 17% (OR 1,17; 95%-KI 1,13 bis 1,21). In Absolutwerten ausgedrückt, entspricht dies schätzungsweise neun bis 18 zusätzlichen Alzheimer-Diagnosen pro 10.000 Frauen im Alter zwischen 70 und 80 Jahren. Dabei scheint es unerheblich zu sein, welche Gestagen-Komponente bei einer Kombinationstherapie gewählt wurde oder in welchem Alter mit der Hormontherapie begonnen wurde. Frauen mit ausschließlich lokaler Estradiol-Anwendung waren keinem erhöhten Alz­heimer-Risiko ausgesetzt (OR 0,99; 95%-KI 0,96 bis 1,01).

Konsequenzen für die Praxis

Obwohl das absolute Risiko relativ gering ist, empfehlen die Studienautoren, diese Ergebnisse Frauen, die eine Hormontherapie durchführen oder dies planen, zur Verfügung zu stellen. Drei Kommentatorinnen der Studie verweisen jedoch auf die Grenzen der epidemiologischen Studie. Dazu zählt beispielsweise, dass Risikofaktoren für Demenz nicht berücksichtigt werden konnten, und dass auch Kontrollper­sonen an noch nicht diagnostiziertem Alzheimer gelitten haben könnten. Nach Meinung der Kommentatorinnen sollte die Entscheidung für eine Hormontherapie zur Behandlung von schwerwiegenden Wechseljahresbeschwerden in der frühen Menopause durch diese Studienergebnisse nicht negativ beeinflusst werden. Denn aus randomisierten Studien gebe es hierzu keine Sicherheitssignale. Bedenken, dass eine Langzeit-Hormontherapie kognitive Funktionen beeinträchtigen könne, blieben jedoch bestehen. |

Quelle

Savolainen-Peltonen H et al. Use of postmenopausal hormone therapy and risk of Alzheimer’s disease in Finland: nationwide case-control study. BMJ 2019;364:I665

Maki PM et al. Menopausal hormone therapy and cognition. BMJ 2019;364: l877

Shumaker SA et al. Conjugated equine estrogens and incidence of probable dementia and mild cognitive impairment in postmenopausal women: Women’s Health Initiative Memory Study. JAMA 2004;291(24):2947-58

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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