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Toxikologie

Entwarnung für Phthalate

Keine Assoziation mit Brustkrebs

Einige Ester der Phthalsäure – „Phthalate“ – können bei Tieren in ausreichend hohen Dosierungen die prä- und postnatale Entwicklung der männlichen Reproduktionsorgane stören und Infertilität verursachen. Sie hemmen die Testosteron-Synthese in den Gonaden und stören die Morphogenese der Geschlechtsorgane. Obwohl die Bedeutung dieser Wirkungen für den Menschen nicht belegt ist, mahnen die Befunde zu einem zurückhaltenden Umgang mit den Stoffen. Einige dieser Chemikalien werden nicht mehr benutzt. Aktuelle Analysenergebnisse zeigen, dass die Exposition der Bevölkerung mit Phthalaten weiterhin abnimmt. Eine anhaltende Diskussion gibt es trotzdem darüber, ob Phthalate auch andere hormonabhängige pathologische Prozesse beeinflussen können. So wird seit etwa zehn Jahren diskutiert, ob es einen Zusammenhang zwischen hoher Phthalat-Exposition und Brustkrebs gibt. Zu diesem Thema erschien unlängst eine weitere epidemiologische Studie, die Entwarnung gibt. | Von Ralf Stahlmann

Phthalate sind weitverbreitet, in Europa werden pro Jahr etwa eine Million Tonnen produziert. Sie werden Kunst­stoffen zugesetzt, um sie gebrauchsfähig zu machen (Weich­macher), werden aber auch in anderen Bereichen verwendet, etwa als Lösungsmittel in Farben oder in Körperpflege­produkten und Kosmetika. Bereits Mitte der 1980er-Jahre begann die Diskussion über hormonartige Wirkungen dieser ubiquitär vorhandenen Chemikalien. Im Urin des Menschen lassen sich Phthalate und ihre Metaboliten bereits seit Langem nachweisen. Obwohl sie sich durch eine geringe akute Toxizität auszeichnen, bestehen Bedenken wegen der mög­lichen Wirkungen auf die Reproduktions­organe. Jene Verbindungen, die in dieser Hinsicht eine relativ hohe Potenz aufweisen, wurden verboten. Diethyl­hexylphthalat (DEHP) ist die bekannteste Verbindung aus dieser Gruppe (Abb. 1). Es wirkt nicht als Antagonist am Androgenrezeptor, sondern hemmt im Hodengewebe von Rattenfeten – genauer: in den Leydig-Zellen – die Testosteron-Synthese. Nach der mehrtägigen, perinatalen Verabreichung von 750 mg/kg Körpergewicht sind die Gewichte der Hoden bei den neugeborenen Ratten um ca. 35% reduziert [Gray et al. 2000]. Diisononyl­phthalat (DiNP) verursacht im Tierexperiment dagegen auch bei sehr hohen Dosierungen weder Fehlbildungen noch Gewichtsveränderungen an den Reproduktionsorganen. Es wurde im vergangenen Jahr vom Committee for Risk Assessment (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) im Gegensatz zu DEHP und einigen anderen Phthalaten nicht als reproduktionstoxisch bewertet [ECHA, 2018], allerdings ist eine Verwendung des Stoffes in Kinderspielzeug ebenso wie für einige andere Phthalate bereits seit Längerem verboten. DEHP ist als reproduktionstoxisch Kategorie 1B klassifiziert, DiNP ist nicht klassifiziert (Tab. 1).

Abb. 1: Strukturformeln der beiden Phthalate Diethylhexyl­phthalat und Diisononylphthalat.
Tab. 1: Ein Dutzend Phthalate, deren Metaboliten in Urinproben der ­Umweltprobenbank bestimmt wurden.
Abkürzung
Phthalat
ECHA-Einstufung/Kennzeichnung
Verbot in Spielzeug*
DMP
Dimethylphthalat
DEP
Diethylphthalat
BBzP
Butylbenzylphthalat
1B / H360Df
X
DiBP
Diisobutylphthalat
1B / H360Df
DnBP
Di-n-butyl-phthalat
1B / H360Df
X
DCHP
Dicyclohexylphthalat
DnPeP
Di-n-pentylphthalat
1B / H360FD
DEHP
Di-(2-ethylhexyl)-phthalat
1B / H360FD
X
DiNP
Diisononylphthalat
keine Klassifizierung
X
DiDP
Diisodecylphthalat
X
DPHP
Dipropylheptylphthalat
DnOP
Di-n-octyl-phthalat
X

Kategorie 1A/B: Kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen (F) oder das Kind im Mutterleib schädigen (D).

Einstufung auf der Basis von Humandaten (A) oder Tierstudien (B).

Kategorie 2: Kann vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen (f) oder das Kind im Mutterleib schädigen (d).

keine Klassifizierung: keine ausreichende Evidenz für Kategorie 1 oder 2

* Verbot in Spielzeug EG 1907/2006 (Anhang XVII)

Phthalate sind Diester, die im menschlichen Organismus rasch in die Säure- und Alkoholkomponente gespalten werden. Zunächst entstehen die Monoester, daraus können durch oxidativen Stoffwechsel zahlreiche Metaboliten entstehen, die überwiegend glukuronidiert und mit dem Urin ausgeschieden werden. Urin ist daher besser als Blutplasma geeignet, um Informationen zur Phthalat-Exposition zu erhalten. Das Ausmaß der Glukuronidierung bleibt bei solchen Analysen unberücksichtigt – die Proben werden vor der Analyse mit Glukuronid­ase versetzt. Im Gegensatz zum Menschen erfolgt bei Ratten keine Glukuronidierung.

Auswertung der Umweltprobenbank

Um die Exposition des Menschen zu erfassen und die Wirksamkeit der regulatorischen Maßnahmen zu überprüfen, wurden in drei retrospektiven Studien etwa 1200 archivierte 24-Stunden-Sammelurinproben der Umweltprobenbank auf Primär- und Sekundärmetaboliten von einem Dutzend Phthalaten untersucht. Der Tabelle 1 kann auch die Einstufung der Phthalate durch die Europäische Chemikalienagentur ECHA entnommen werden.

Die Exposition der Bevölkerung gegenüber DEHP und anderen Phthalaten ist seit Jahren rückläufig. Die Konzentrationen anderer Phthalate, die als Ersatz verwendet werden, blieben konstant oder steigen. Dies zeigen die Ergebnisse von Analysen menschlicher Urinproben aus der Umweltprobenbank (24-Stunden-Sammelurin) (Abb. 2). Die Daten belegen, dass in Deutschland – im Gegensatz zu den USA – offenbar DiNP nur zu einem geringen Teil als Ersatzstoff für DEHP verwendet wird. Die Analysen aus dem US-amerikanischen NHANES-Projekt zeigen einen deutlichen Anstieg des Metaboliten cx-MiNP, was auf eine zunehmende DiNP-Exposition hinweist. Wie andere Untersuchungen zeigten, nimmt hierzulande dagegen die Exposition gegenüber DINCH (Diisononyl-1,2-cyclohexan-dicarbonsäure), einem nichtaromatischen Weichmacher ohne Phthalat-Struktur, zu [Schütze et al. 2014].

Abb. 2: Konzentration der Metaboliten cx-MEPP und cx-MiNP in Urinproben in den Jahren 1988 bis 2015 in Deutschland, zum Vergleich zu Daten aus den USA. In beiden Ländern ist die DEHP-Exposition deutlich rückläufig, Unterschiede zeigen sich beim DiNP. cx-MEPP ist der DEHP-Metabolit Mono(2-ethyl-5-carboxy-pentyl) phthalat; cx-MiNP ist der DiNP-Metabolit 7-Carboxy-(mono-methyl-heptyl) phthalat; OH-MiNP ist der DiNP-Metabolit 7-OH-(Mono-methyl-octyl) phthalat [mod. nach Koch et al. 2017].

Gibt es eine Assoziation mit Brustkrebs?

Die Liste der Gesundheitsschäden beim Menschen, die mit einer Phthalat-Exposition in Verbindung gebracht werden, ist lang. Das steht im Widerspruch zu den Effekten, die sich im Tierexperiment eindeutig auslösen lassen. Es ist bekannt, dass epidemiologische Untersuchungen zur Wirkung von Phthalaten sehr störanfällig sind. Eine Ursache ist die hohe Variabilität der Exposition, da Phthalate in verschiedenen Lebensmitteln in unterschiedlichen Konzentrationen nachgewiesen werden können. Ein weiterer Faktor ist die individuelle Variabilität im Metabolismus und der Elimination der Fremdstoffe. Wenn nur eine Urinprobe untersucht wird, resultiert eine Momentaufnahme, aber kein realistisches Abbild der wahren Exposition. In besser konzipierten Studien wird daher ein 24-Stunden-Sammel­urin untersucht oder es werden mehrere Proben der gleichen Person analysiert.

Neben den Störungen der Reproduktion sollen Phthalate auch verantwortlich sein für Krankheiten wie Asthma, Autismus, Diabetes und andere. Es ist daher wenig über­raschend, dass etliche epidemiologische Studien durchgeführt wurden, um der Frage einer möglichen Assoziation zwischen einer erhöhten Phthalat-Exposition und Brustkrebs nachzugehen [Zuccarello et al. 2018]. Anlass für die epidemiologischen Studien sind In-vitro-Experimente, die zeigen, dass einige Phthalate sich agonistisch oder antagonistisch an Estrogen-Rezeptoren verhalten [Zacharewski et al. 1998, Takeuchi et al. 2005]. Obwohl diese Effekte erst bei hohen Konzentrationen auftraten, wurden sie von einigen Untersuchern dennoch als relevant angesehen. In Tierversuchen wurde kein erhöhtes Risiko für Mammakarzinome durch Phthalate beobachtet.

Phthalate und Brustkrebs – überwiegend ­retrospektive Studien

Die erste Studie wurde 2007/2008 in Mexiko durchgeführt und wenig später veröffentlicht [López-Carrillo et al. 2010]. Mit 233 Brustkrebs-Patientinnen und 221 gesunden Frauen als Kontrollgruppe wurden zunächst Interviews geführt, um anamnestische und soziodemografische Angaben zu erhalten. Alle Studienteilnehmerinnen stellten dann eine Urinprobe zur Verfügung, die auf den Gehalt von insgesamt 13 Phthalat-Metaboliten untersucht wurde. Die Konzentration von Monoethylphthalat (MEP) war höher bei den erkrankten Frauen als bei den gesunden: Die geometrischen Mittelwerte in beiden Gruppen betrugen 170 µg Monoethylphthalat/g Kreatinin und 107 µg Monoethylphthalat/g Kreatinin. Die gesamte Spannbreite der Werte reichte von etwa 9 µg Monoethylphthalat/g Kreatinin bis fast 19.000 µg Monoethylphthalat/g Kreatinin. Üblicherweise erfolgt die Angabe der Konzentration in Relation zum Kreatinin-Gehalt des Urins – so lassen sich Verdünnungseffekte ausgleichen, die durch unterschiedliche Trinkmengen hervorgerufen werden. Interessanterweise fanden die Untersucher auch statistisch signifikante negative Assoziationen. Für die Metaboliten MBzP (Monobenzylphthalat) und MCPP (Mono[3-carboxypropyl]-phthalat) wurden bei den Kontrollen höhere Konzentrationen ermittelt als bei den erkrankten Frauen (Tab. 2). Bei den Abbauprodukten der übrigen Phthalate unterschieden sich die Konzentrationen zwischen den Gruppen statistisch nicht signifikant. Es bleiben also mehr Fragen offen, als durch diese Studie beantwortet werden konnten. Folgerichtig schreiben die Autoren, dass die Ergebnisse in weiteren Studien bestätigt werden müssen, bevor wesentliche Schlüsse daraus gezogen werden können.

Tab. 2: Epidemiologische Studien zur Frage einer Assoziation zwischen ­erhöhten Konzentrationen von Phthalat-Metaboliten im Urin und dem Auftreten von Brustkrebs
Jahr
Land
Phthalat-Analytik
Anzahl der Studienteilnehmerinnen
signifikante Assoziation mit (Metabolit)
Autor
2010
Mexiko
13 Metaboliten im Urin
233 Patientinnen
221 Kontrollen
positive Assoziation mit MEP
negative Assoziation mit MBzP
negative Assoziation mit MCPP
López-Carrillo et al.
2014
USA (Alaska)
10 Metaboliten im Urin
75 Patientinnen
95 Kontrollen
positive Assoziation mit MEHP
Holmes et al.
2017
USA
8 Metaboliten im Urin
97 Patientinnen
2731 Kontrollen
keine Assoziation
Morgan et al.
2018
USA (Long Island)
9 (11) Metaboliten im Urin
710 Patientinnen
598 Kontrollen
keine Assoziation
Parada et al.
2019
USA
13 Metaboliten in 2 (oder 3) Urinproben
419 Patientinnen
838 Kontrollen
keine Assoziation
Reeves et al.

MEP = Monoethylphthalat; MBzP = Monobenzylphthalat; MCPP = Mono(3-carboxypropyl)-phthalat; MEHP = Mono-(2-ethylhexyl)-phthalat

Eine nachfolgende Arbeit wurde etwas später publiziert[Meridas-Ortega 2016]. Die Ernährungsgewohnheiten der Mexikanerinnen in der zuvor beschriebenen Studie waren über einen Fragebogen ermittelt worden. Eine erneute Auswertung der gleichen Daten unter zusätzlicher Berücksichtigung der Zufuhr von Flavonoiden – abgeleitet aus den Angaben zum Verzehr von Obst und Gemüse – brachte folgendes Resultat: Die positive Assoziation von Monoethylphthalat mit einer Brustkrebserkrankung war nicht mehr statistisch signifikant, die negative Assoziation mit den anderen beiden Metaboliten MBzP und MCPP bestand fort. Die Autoren interpretieren ihre Ergebnisse so: „Der Metabolit MBzP scheint synergistisch mit der Zufuhr von Flavonoiden wie Anthocyanidine und Flavan-3-ole das Risiko für Brustkrebs zu reduzieren.“ Diese Studien haben keine fundierte Basis, keine eindeutige biologische Plausibilität. Sie könnten nur dann rational interpretiert werden, wenn experimentelle Daten zu einer möglichen synergistischen Wirkung von Phthalat-Estern und bestimmten Flavonoiden vorlägen. Da solche Fakten fehlen, kann man die Ergebnisse beider Studien nur mit erheblicher Skepsis zur Kenntnis nehmen. Es war zu erwarten, dass weitere Untersuchungen zu der Problematik folgen würden.

Weitere retrospektive Studien kommen aus den USA. An einer relativ kleinen Zahl von Frauen wurde zunächst in Alaska geprüft, ob es einen Zusammenhang zwischen Phthalat-Metaboliten im Urin und Brustkrebs gibt [Holmes et al. 2014]. Bei den erkrankten Frauen war die Konzentration des zuvor bei den Mexikanerinnen als kritisch ermittelten Metaboliten MEP nicht erhöht, sondern niedriger als bei den Kontrollen. In dieser Studie war ein anderer Metabolit auffällig: Die Autoren errechneten eine Assoziation zwischen erhöhten Konzentrationen an Mono-(2-ethylhexyl)-phthalat (MEHP) und dem Auftreten von Brustkrebs.

Bei einer großen Gruppe von Frauen über 20 Jahren, die im Rahmen des NHANES-Projektes (National Health and Nutrition Examination Survey) erfasst wurden, konnten Phthalat-Metaboliten im Urin gemessen werden. Die Analysenergebnisse von 97 Frauen mit Mammakarzinom wurden mit denen von 2731 Frauen, die nicht erkrankt waren, verglichen. Die Berechnung zeigte keine signifikante Assoziation zwischen erhöhten Phthalat-Konzentrationen und der Krebserkrankung [Morgan et al. 2017]. Ebenfalls aus den USA kommt eine Studie an 710 Frauen mit Mammakarzinom. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe gab es keinen Anhalt, dass eine erhöhte Phthalat-Konzentration im Zusammenhang mit der Erkrankung stehen könnte. Negative Assoziationen bestanden mit einigen Metaboliten, sie waren jedoch nicht signifikant [Parada et al. 2018]. Auch in einer Metaanalyse, in der mehrere Studien zusammen ausgewertet wurden, konnte weder eine positive noch negative Assoziation mit der Summe aller Phthalat-Metaboliten festgestellt werden. Eine positive Assoziation fand sich aber für einen Sekundärmetaboliten, das MECPP [Mono-(2-ethyl-5-carboxypentyl)-phthalat], ein Produkt des oxidativen Stoffwechsels [Fu et al. 2017].

Aktuelle Studie mit prospektivem Ansatz

Auch in der bisher größten und besten Studie über Phthalate und Brustkrebs bei Frauen nach der Menopause konnte keine Assoziation zwischen Phthalat-Metaboliten im Urin und einem erhöhten Krankheitsrisiko ermittelt werden. Die Studie wurde als erste prospektiv durchgeführt, die Exposition wurde bereits vor der Diagnose ermittelt. Die Frauen waren Teilnehmerinnen der nationalen Gesundheitsstudie Women Health Initiative (WHI), die mehr als 160.000 Frauen einschloss. Dreizehn Phthalat-Metaboliten wurden im Morgenurin von 419 Frauen gemessen, bei denen frühestens drei Jahre nach Aufnahme in die Studie Brustkrebs festgestellt worden war. Die Kontrollgruppe umfasste 838 Frauen. Da auch durch medizinische Maßnahmen eine Exposition mit Phthalaten erfolgt, ist es vorteilhaft, dass hier die Analytik vor der Diagnose erfolgte. Im Gegensatz zu anderen Studien wurden zwei oder drei Urinproben im Abstand von mindestens einem Jahr analysiert. Die Frauen mit Mammakarzinom waren häufiger Raucherinnen oder stark übergewichtig (BMI von ≥ 30 kg/m2: 36,7% vs. 27,4% der Teilnehmerinnen). Eine Assoziation zwischen der Krebserkrankung und den Phthalat-Metaboliten konnte nicht gefunden werden. Metaboliten, die zuvor aufgefallen waren, weil sie entweder positiv oder negativ mit dem Risiko für die Erkrankung assoziiert waren, traten fast gleich häufig in beiden Gruppen auf. Zum Beispiel wurden die geometrischen Mittelwerte für die Konzentrationen von MEP mit 131 µg/g und 140 µg/g berechnet und für MBzP mit 17 µg/g und 19 µg/g (jeweils Fälle vs. Kontrollen). Die Bedeutung dieser Ergebnisse wird dadurch erhöht, dass die Probengewinnung bereits in den 1990er-Jahren erfolgte. Da vor mehr als zwei Jahrzehnten auch in den USA die Exposition mit Phthalaten noch deutlich höher war, bekommt diese Entwarnung besonderes Gewicht [Reeves et al. 2019].

Fazit

Diethylhexylphthalat (DEHP) und einige andere Phthalate stehen seit mehr als drei Jahrzehnten in der Kritik, weil sie im Tierexperiment die prä- und postnatale Entwicklung der männlichen Reproduktionsorgane stören. Drei Aspekte sind heute positiv zu vermerken:

  • Die Exposition der Bevölkerung mit diesen Stoffen ist in Deutschland seit Jahren deutlich zurückgegangen,
  • es werden heute vermehrt Phthalate wie DiNP (Diiso­nonylphthalat) oder Ersatzstoffe wie DINCH (Diiso­nonyl-1,2-cyclohexan-dicarbonsäure) eingesetzt, die nicht reproduktionstoxisch sind und
  • ältere epidemiologische Studien an kleinen Patientengruppen zeigten sowohl positive als auch negative Assoziationen zwischen hohen Phthalat-Konzentrationen und Mammakarzinom, wahrscheinlich handelte es sich um Zufallsbefunde. Aktuelle epidemiologische Studien geben keinen Anhalt für ein erhöhtes Brustkrebsrisiko durch eine erhöhte Phthalat-Exposition. |

Literatur

ECHA Committe for Risk Asssessment (RAC) 2018; Opinion proposing harmonised classification and labelling at EU level of 1,2-Benzenedicarboxylic acid, di-C8-10-branched alkylesters, C9-rich; [1] di-isononyl phthalate; [2] [DINP] https://echa.europa.eu/documents/10162/56980740-fcb6-6755-d7bb-bfe797c36ee7

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Autor

Prof. Dr. Ralf Stahlmann, ehem. Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

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