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Die Seite 3
Europäisches Ringen
Die Europawahl steht vor der Tür und damit die bange Frage: Wird es einen Rechtsruck geben, wie werden Skeptiker und Gegner das Projekt Europa prägen? Nun gibt es viel, was an Europa zu kritisieren ist. Wie demokratisch kommen die Entscheidungen des Europäischen Parlaments zustande? Wie sehr greifen diese Entscheidungen in nationalstaatliche Strukturen ein? Wie sehr gefährden sie bestehende Systeme? Solche Fragen beschäftigen uns Apothekerinnen und Apotheker seit dem 19. Oktober 2016, dem Schicksalstag, an dem der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden hat, dass ausländische Versandapotheken nicht an die Arzneimittelpreisverordnung für rezeptpflichtige Arzneimittel gebunden sind. Damit haben ausländische Versender einen Wettbewerbsvorteil, der unseren Apotheken vor Ort verwehrt bleibt und unsere Struktur der ortsnahen Arzneimittelversorgung massiv gefährdet. Das haben auch einige Politiker erkannt, nicht umsonst steht die Forderung nach einem Rx-Versandverbot im derzeitigen Koalitionsvertrag. Doch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hält es nicht für durchsetzbar und kündigt schon einmal in vorauseilendem Gehorsam an, § 78 Abs. 1 Satz 4 im Arzneimittelgesetz zu streichen, der regelt, dass die Arzneimittelpreisverordnung auch für ausländische Versender gilt. Sein Gesetzentwurf zur Stärkung der Apotheken, mit dem er dann trotzdem die gleichlangen Spieße für den Wettbewerb der Vor-Ort-Apotheken mit den ausländischen Versendern wiederherstellen will, scheint handwerklich so schlecht gemacht zu sein, dass die Experten des Justizministeriums die dort vorgesehenen Regelungen zur Rx-Preisbindung als nicht europarechtskonform und verfassungsrechtlich bedenklich einstufen. Das hat zumindest der Gesundheitsexperte der SPD, Prof. Dr. Karl Lauterbach, schon einmal verkündet. Auch das Wirtschaftsministerium scheint nicht mitspielen zu wollen. Wie es weitergehen soll, steht auch angesichts der Spekulationen um eine Kabinettsumbildung nach der Europawahl in den Sternen (s. S. 9).
Am Ende des Tages könnten wir alles verlieren: § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG gestrichen, existenzsichernde honorierte Dienstleistungen in weiter Ferne, die deutsche Präsenzapotheke geopfert auf dem Altar des freien Wettbewerbs in Europa. Das wird manch einen von Europa überzeugten Apotheker verzweifeln lassen. Diese Verzweiflung wird aber hoffentlich nicht dazu führen, Europa als Gesamtes infrage zu stellen. Das zu verhindern, ist Aufgabe der verantwortlichen Politiker. Sie müssen jetzt endlich in Sachen Sicherung unseres Apothekenwesens den Durchbruch schaffen. Dafür müssen sie kämpfen, auch und gerade vor dem Europäischen Gerichtshof. Das Rx-Versandverbot darf kein Tabu sein!
Unabhängig davon könnten unsere neu gewählten Vertreter im Europäischen Parlament einen Schritt weiter gehen und eine Vision für eine gemeinsame europäische Arzneimittelversorgungsstruktur mit einheitlicher Preisbildung und -bindung und transparenten Vertriebswegen entwickeln. Vielen Zeit, Geld und Kräfte raubenden Gerichtsverfahren könnte so der Nährboden entzogen werden, Wettbewerbsverzerrungen in der Arzneimittelversorgung würden der Vergangenheit angehören, ebenso Lieferengpässe in Mitgliedstaaten, in denen geringere Arzneimittelpreise bezahlt werden. Und ganz nebenbei ließen sich so noch einige Einfallstore für Arzneimittelfälschungen schließen. Die Antworten der von uns befragten Parteien lassen eine solche Vision allerdings nicht erkennen (s. S. 18). Dabei würde zumindest eine Diskussion darüber der europäischen Idee so richtig gut anstehen.
Dr. Doris Uhl
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