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Kundenaktionen
Kein blinder Aktionismus!
Für und wider von Kundenaktionen – eine betriebswirtschaftliche Betrachtung
Am Anfang jeden Handelns sollten die Situationsanalyse und eine Zielbeschreibung stehen. Das gilt erst recht, wenn ein beträchtlicher Einsatz von Zeit, Geld und sonstigen Betriebsressourcen (u. a. Mitarbeitereinbindung) ansteht.
1. Warum?
Warum sollten Sie überhaupt Kundenaktionen starten? Wo stehen Sie hinsichtlich Ihres Marketings bereits heute – mit welchen erfolgreichen oder eher erfolglosen Maßnahmen? Ein Blick auf die eigenen Betriebszahlen, Ihr Konkurrenzumfeld und Ihre heutige Kundenstruktur gibt hier die entscheidenden Hinweise:
- Schöpfen Sie Ihr Markt-/Kundenpotenzial am jeweiligen Standort bereits sehr gut aus? Dann sind die Weichen eher auf Kundenbindung und -erhalt gestellt, statt auf offensive Kundenneugewinnung. Hier spielen Sie lieber „kleines Karo“, dies aber intensiv. Andernfalls ist eine Strategie der Kundenneugewinnung über Ihren bisherigen Wirkkreis hinaus anzustreben – doch was können Sie angesichts des Potenzials in Ihrem Umfeld überhaupt maximal erreichen?
- Wie stehen Sie im Konkurrenz-Umfeld da, haben Sie überhaupt unmittelbare Konkurrenz? Wie stark sind diese Konkurrenz-Apotheken? Sind diese bereits heute aktiv, sodass Sie dann eher reaktiv handeln, oder herrscht „Ruhe im Karton“, welche Sie womöglich stören? Wecken Sie mit allzu munteren Aktionen womöglich schlafende Hunde, die am Ende aber wirtschaftlich weit mehr Luft als Sie haben? Bedenken Sie also immer, dass Sie teils unerwartete Reaktionen hervorrufen können, wenn Sie in fremden Teichen angeln oder zu „laut“ werden! Das kann Prozesse in Gang setzen, welche Sie möglicherweise nicht mehr steuern können. Sie werden schlimmstenfalls vom Angreifer zum Gejagten.
- Wie ticken Ihre Kunden? Welche Interessen dominieren, welche Ausgabenbereitschaft besteht? Wer sind überhaupt Ihre wichtigen bzw. wichtigsten Kunden? Hierüber besteht oft erstaunliche Unkenntnis. Dabei macht eine Apotheke oft bereits mit den 100 besten Kunden mehr als die Hälfte des Umsatzes! Im Top-Kunden-Segment werden die Schlachten geschlagen, während das Flügelschlagen um ein paar zusätzliche Laufkunden oder einige zusätzlich verkaufte OTC-Packungen mehr erschöpft denn den Betrieb wirklich stärkt.
- Welche Ressourcen (Zeit, Geld, Mitarbeiter) können bzw. möchten Sie einsetzen?
Nehmen Sie sich für diese Fragen ein wenig Zeit, diskutieren Sie im Team (welches gerade bei Kundenaktionen stets mitziehen muss), und entwickeln Sie dann eine Vorstellung,
- ob sich für Sie (weitere) Aktionen überhaupt lohnen bzw. ob Sie überhaupt eine Aussicht auf nennenswerte Steigerung Ihrer Erträge haben oder aber es schlicht um Dinge wie Kundenbindung und Markenbildung geht,
- ob Sie lieber „lauter“ oder „leiser“ agieren, die Konkurrenz herausfordern oder lieber „unter dem Radarschirm“ agieren sollten,
- welche Kunden bevorzugt angesprochen werden können.
Schämen Sie sich nicht, wenn Sie jetzt standort- und situationsbedingt keinen großen Bedarf erkennen. Dann agieren Sie lieber im Kleinen und schauen Sie, dass Sie Ihre Stammkunden „leise“ mit speziellen Aktionen und Maßnahmen bei Laune halten. Auch das ist bereits in Zeiten des Internets und Versands eine Herausforderung. Nichts ist hingegen schädlicher als blinder Aktionismus!
2. Wer und was?
Die entscheidende Frage jeder Kundenaktion: Welche Zielgruppe soll angesprochen werden (siehe Abb. 1)? Das ist oft gar nicht so leicht zu beantworten, wenn es nicht gerade um eng umschriebene indikationsbezogene Aktionen z. B. bei Pollenallergien, Prostatabeschwerden oder Kosmetik für die reifere Haut geht. Ist die Indikation zu eng gestellt, brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn die Zahl der Interessenten sehr übersichtlich bleibt. Im Beispiel der Prostatabeschwerden werden nur Männer angesprochen (damit fallen 50 Prozent der Bevölkerung und über 60 Prozent der typischen Apothekenkunden weg), zudem sind von den Männern wiederum fast nur Ältere betroffen (= weitere Einschränkung), und weiterhin handelt es sich vielfach um ein Tabuthema. Ergebnis: Mit klassischen Aktionen werden Sie wenig erreichen. Möglicherweise ist hier eine spezielle Zielgruppenansprache aus Ihrer Kundenkartendatei heraus erfolgreicher (Vorsicht, Datenschutz!) – mit einem Format wie einer Abendveranstaltung in einem vertraulichen Rahmen. Doch lohnt sich das? Welche Umsätze können Sie überhaupt erwarten?
Da kommen vielleicht wirklich spezielle Indikationen wie seltene, aber sehr kostenaufwendige Erkrankungen eher in Betracht (von Mukoviszidose bis Enzymmangelerkrankungen). Mit einer Handvoll Kunden machen Sie hier teils exorbitante Umsätze, und immer noch weit überdurchschnittliche Erträge. Ansatzpunkte sind hier z. B. Selbsthilfegruppen (oder die Initiation einer solchen) plus ausgezeichnete Spezialkompetenz auf diesem Gebiet.
Dagegen können Sie mit einem Thema wie Zahnpflege sehr breit punkten, auch Schmerz, Allergie, Schönheit usw. stoßen auf großes Interesse. Breitenwirksame Themen wie Diabetes unterliegen jedoch einem hohen Konkurrenzdruck, denn (zu) viele angeln in diesem Teich.
Überlegen Sie weiterhin, was Sie Ihren Kunden bieten können und Sie entsprechend kommunizieren möchten: Besondere Kompetenz? Einfach nur billigere Preise? Spezielle Produkte, die es nicht überall gibt?
3. Wie und die Formate
Kundenaktionen spielen sich typischerweise in dem Dreieck „Attraktion und Show-Effekt“, Information bzw. informative Ebene und dem merkantilen Nutzen ab, letzterer idealerweise für beide Seiten (siehe Abb. 2).
Setzen Sie auf Show-Effekte, sprechen Sie meist breite Kreise und locken eher unspezifisch Kunden an. Hier können Sie auf „Action“ setzen und z. B. anlässlich einer Aktion „gute Augen“ einen Falkner mit einem Adler auflaufen lassen. Eine Zecken-Aktion kann durch überdimensionale, effektheischende Plakate oder (bewegte) Bildschirmdarstellungen gepusht werden. Gerne angenommen werden Demo-Veranstaltungen, interessante Vorführungen mit hohem Unterhaltungswert oder eine Schau-Herstellung z. B. von Kosmetika oder das Pressen von Tabletten, sofern eine (Hand-)Presse, ggf. leihweise, verfügbar ist. Bekannt, wenn auch bei Mitarbeitern nicht beliebt ist das Schaulaufen in diversen Kostümen, ob der Bär oder Pinguin von Pharmafirmen oder das eigene Betriebsmaskottchen. Damit erzielen Sie einen Aufmerksamkeitseffekt, der sich insbesondere in Lauf- oder Centerlagen anbietet. So wirksam diese Show auch sein mag – danach müssen Sie „liefern“, sonst verpufft das schnell, und die Kunden schreiten nur amüsiert vorbei.
Ein interessantes Bindeglied sind Aktionen, die sich speziell an Kinder richten, z. B. zu Nikolaus oder Ostern. Zielgruppe sind natürlich die kaufenden Erwachsenen, die aber dem in der jeweiligen Apotheke quengelnden Nachwuchs oft nicht widerstehen können.
Die Karte „Information“ sticht hingegen bei entsprechend interessierten Zielgruppen. Hier reden wir vor allem von Veranstaltungen und Vorträgen aller Art, aber auch immer noch von klassischem Infomaterial in Prospekt- und Posterform im HV-Betrieb. Tatsächlich gelingt es Kolleginnen und Kollegen, teils dreistellige Teilnehmerzahlen bei Abendveranstaltungen zu Themen, die „im Markt liegen“, zu aktivieren. Je nach Indikation bieten sich exklusivere (Abend-)Veranstaltungen in kleinerem Kreis an, wobei dann allerdings das Ertragspotenzial je Kunde entsprechend hoch sein sollte. Für ein paar zusätzlich verkaufte Erkältungsmittel lohnt dies sicher nicht. Der Vorteil solcher sehr persönlicher Aktionen: Sie sind viel schwerer kopierbar, Persönlichkeit ist eben schwer zu ersetzen.
Bleibt der merkantile Ansatz. Hier geht es um Masse und Absatz. Der Weg zum plumpen „Marktschreier“ ist kurz. Je nach Kundenstruktur können jedoch Klassiker wie „Preise würfeln“, „Glücksrad drehen“, „Pack in den Sack“, „heute alles in dieser Auswahl für 5 Euro“ u. a. m. immer noch erheblichen Erfolg haben, zumal wenn man clever kalkuliert (billig scheinen muss nicht immer auch margenschwach sein). Etliches davon kann man institutionalisieren und z. B. jede Woche, an jedem ersten Montag im Monat usw. anbieten. Transportiert werden diese Aktionen auf den typischen Medien Flyer, Internet-Seite, Zeitungsanzeigen oder in den sozialen Netzwerken. Der Nachteil: „Kunden kaufen“ kann jeder, der das Geld und einen halbwegs passablen Standort hat.
Kundenaktionen leben grundsätzlich von einer Kontinuität. „One hit wonder“ helfen Ihnen nicht dauerhaft weiter. Idealerweise institutionalisieren Sie Ihre Kundenaktionen so, dass daraus ein Imagegewinn und Markenzeichen erwächst. Haben Sie diese Markenbildung erst einmal erreicht, fällt die Kundenansprache viel leichter. Die Kunden wissen, dass bei Ihnen etwas für Herz und Verstand geboten wird und die Qualität der Veranstaltungen stimmt. Womöglich erhalten Sie dann mehr Anmeldungen, als Sie überhaupt Plätze haben – nicht die schlechteste Ausgangslage, wenn Sie eine Politik des (wohlkalkulierten) Mangels machen können.
4. Erfolgscontrolling
Wer Werbung betreibt, ohne die Reaktionen darauf zu analysieren, fährt „Marketing-Geisterbahn“. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gibt er viel Geld unnütz aus. Deshalb überlegen Sie sich bereits bei der Kreation Ihrer Aktionen, wie Sie die Resonanz und den schlussendlichen Erfolg messen können. Das fängt beim Erfassen der Responsequoten auf Ihre Kundenansprache bzw. Einladungen an und endet bei der betriebswirtschaftlichen Analyse, welche Kosten auf der einen Seite (inklusive Zeitkosten!) und welche Erträge andererseits angefallen sind.
Vergessen Sie bei alledem nicht die Freude an der Arbeit. Aktionen sollten etwas Besonderes sein abseits der üblichen Betriebsroutine – und demzufolge Ihnen, Ihrem Team und noch mehr Ihren Kunden Spaß machen! |
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