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Aus den Ländern
Kollegiale Diskussion über ein äußerst streitbares Thema
Ein „Pro und Kontra“ zur Homöopathie prägte den Auftakt des 15. Thüringer Apothekertages
Kauai, die sogenannte „Garteninsel“, liegt im Zentralpazifik und gehört zur Inselgruppe Hawaii. Prof. Dr. Ricarda Gades-Büttrich verstand es, mit einem Postkartenmotiv ihre Zuhörer in die passende Stimmung für ihren Vortrag über Resilienz zu bringen. Resilienz ist die psychische Widerstandsfähigkeit bzw. die Fähigkeit einer Person, Krisen zu bewältigen und sogar gestärkt aus diesen Lebensphasen zu treten. Die Insel Kauai steht dabei nicht für ein Ziel in weiter Ferne sondern für eine der ältesten und vielleicht sogar wichtigsten Pionierstudie auf dem Gebiet der Resilienzfoschung: Die Psychologin Emmy Werner untersuchte in einer Längsschnittstudie 698 Kinder, die 1955 auf Kauai geboren wurden, über 44 Jahre lang. Jedem dritten Kind drohte auf Kauai ein Entwicklungsdefizit aufgrund von biologischen und psychosozialen Einflüssen. Doch es zeigte sich, dass wiederum ein Drittel dieser Kinder sich zu leistungsfähigen, zuversichtlichen und fürsorglichen Erwachsenen entwickelte. Wie war das unter den widrigen gesellschaftlichen Umständen auf Kauai möglich?
Diese Frage behandelt die Wissenschaft rund um die Resilienz, ein Begriff, der ursprünglich aus der Physik stammt, da es um die Fähigkeit von Materialien geht, nach Druck und Belastung, wieder in ihre ursprüngliche Form zurückzukehren. In den letzten Jahren beobachtet man eine Zunahme der Risikofaktoren in der westlichen Welt, die zu psychosozialen Erkrankungen führen. So ist die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage von zwei Prozent vor 40 Jahren auf heute rund 15 Prozent gestiegen. Ursachen sieht Gades-Büttrich in der Globalisierung, der Ökonomisierung sowie der digitalen Transformation. Vor allem hätten Teams die Möglichkeit, sich vor den negativen Stressoren zu schützen. Am Beispiel der Fußballnationalmannschaft zeigte sie auf, dass der sogenannte „Spirit“, das Zusammenspiel, die persönlichen Potenziale und zwischenmenschlichen Beziehungen den Einzelnen positiv beeinflussen.
Die Medikamente der Anderen
In einem kurzweiligen Vortrag gab die Journalistin Marta Orosz vom Recherchebüro Correctiv einen Einblick in ihre Arbeiten der letzten Jahre über Parallelimporte aus Osteuropa nach Deutschland. Das Thema bekäme immer dann Aufmerksamkeit, wenn Fälschungen im Umlauf seien. Doch Orosz wies darauf hin, dass die Folgen des Parallelhandels auf den EU-Binnenmarkt ansonsten meist unbeachtet blieben. Vor zwei Jahren veröffentlichten ihr Recherchebüro und das „RTL Nachtjournal“ eine Dokumentation, die den Markt des Parallelimports kritisch betrachtet. Getrieben von der ‚Arbitrage, also den Arzneimittelpreisunterschieden an verschiedenen Orten in der EU würde das Geschäftsmodell der Importeure dazu führen, dass es zu Versorgungsengpässen in Niedrigpreisländern käme und so zum Teil schwerkranke Patienten keinen Zugang mehr zu ihren Arzneimitteln hätten. Vor allem Deutschland sei in der Liste aller EU-Staaten der größte Nutznießer in dem System. Im Jahr 2016 betrug der Wert aller Parallelimporte rund 5,4 Milliarden Euro. Der Anteil Deutschlands am Wert dieser Arzneimittel betrug 50 Prozent, gefolgt vom noch EU-Land Großbritannien mit 20 Prozent. Die Folgen seien ernsthafte Versorgungsprobleme in Ländern wie Rumänien. Patienten würden ihre Arzneimittel in Foren und sozialen Medien suchen und kaufen. In dem Zusammenhang sei der Schwarzmarkt ein nicht zu unterschätzender Nebenschauplatz.
Was verspricht Homöopathie – was bringt sie tatsächlich?
Die Veranstalter des Thüringer Apothekertages hatten sich für die Podiumsdiskussion ein sehr streitbares Thema ausgesucht: Es ging um die Frage, welche Argumente es für und gegen die Homöopathie gibt und wie diese diskutiert werden können. Als prominente Gegnerin war die Ärztin Dr. med. Natalie Grams eingeladen, als Befürworter der Professor für Pharmazeutische Chemie Michael Keusgen aus Marburg. Weitere Diskutanten waren Prof. Dr. Tilmann Betsch von der Universität Erfurt, Prof. Dr. Jutta Hübner vom Universitätsklinikum Jena, Apothekerin Margit Schlenk aus Nürnberg sowie Guido Dressel von der Techniker Krankenkasse in Thüringen. Grams, die bis vor einigen Jahren selbst praktizierende Homöopathin war, stellt die Lehre mittlerweile nur noch als einen wissenschaftlichen Anachronismus dar, der Patienten mitunter schaden könnte. Daher dürften homöopathische Präparate ihrer Meinung nach keinen Arzneimittelstatus haben und müssten aus der Apothekenpflicht entlassen werden. Gerade Apotheker sollten als Naturwissenschaftler, so Grams, „hier nicht dem wohlfeilen Beliebtheitsargument folgen, sondern ihren Kunden mit Aufklärung und Redlichkeit begegnen“.
Johann-Bartholomäus-Trommsdorff-Medaillen an Harald Brandt und Dr. Lutz Gebert
Im Rahmen des Thüringer Apothekertages erhielten in diesem Jahr zwei Apotheker die Trommsdorff-Medaille für ihr Engagement in der Standespolitik. Vor 20 Jahren stieg Harald Brandt in die Thüringer Standespolitik ein. 1999 wählten ihn die Mitglieder des Thüringer Apothekerverbandes zum zweiten Stellvertreter des Vorsitzenden. 16 Jahre lang war Brandt im Vorstand aktiv – zwischenzeitlich auch als erster Stellvertreter oder sogar „einfach nur als Beisitzer“, wie es Dr. Siegfried Schellin in seiner Laudatio betonte. Schwerpunkte von Brandts Aufgabenbereichen waren die Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen. Er beteiligte sich auch an der Diskussion und der Erstellung des Perspektivpapiers „Apotheke 2030“, das auf dem Deutschen Apothekertag 2014 in München mit großer Mehrheit verabschiedet werden konnte. Seit 1995 ist Apotheker Dr. Lutz Gebert Mitglied der Thüringer Kammerversammlung und im Kammervorstand aktiv. 1999 war er zweiter und seit 2011 ist er erster Vizepräsident der Landesapothekerkammer und damit das langjährigste Vorstandsmitglied in der Geschichte der Thüringer Apothekerkammer. Darüber hinaus führt er als ehrenamtlicher Landespharmazierat seit 1991 regelmäßig Apotheken-Revisionen durch. Damit war er damals nicht nur einer der ersten und jüngsten Amtsinhaber in den neuen Bundesländern, sondern er ist heute in seiner sechsten Amtsperiode definitiv der Dienstälteste. Seit 1995 ist er Mitglied der Prüfungskommission des Landesprüfungsamtes für akademische Heilberufe und er begleitete unzählige Pharmaziestudierende auf ihrem Weg zur Approbation.
Prof. Dr. Michael Keusgen, der auch Mitglied in verschiedenen Arzneibuchkommissionen ist, machte deutlich, dass es hohe Qualitätsansprüche an homöopathische Arzneimittel gebe und sie schon seit Jahrhunderten ihre Bedeutung in der Komplementärmedizin hätten. Auch wenn ihr Wirksamkeitsnachweis lückenhaft sei – Keusgen wies mehrmals auf die Datenbank der Homöopathie-fördernden Carstens-Stiftung hin – müsse man sie in der Hand von Heilberuflern lassen. |
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