Arzneimittel und Therapie

Dabigatran schützt nicht besser als ASS

Kein Vorteil bei kryptogenem Schlaganfall

Orale Antikoagulanzien konnten in der Rezidivprophylaxe bei Patienten mit einem Schlaganfall unklarer Genese bislang nicht überzeugen. Auch Dabigatran enttäuscht.

Rund 20 bis 30% der ischämischen Schlaganfälle werden den sogenannten kryptogenen Schlaganfällen zugeordnet. Bei diesen handelt es sich in der Mehrzahl um embolische Schlaganfälle mit unbekannter Ursache (ESUS, embolic stroke of undetermined source). Zur Sekundärprophylaxe nach einem ischämischen Schlaganfall empfehlen Leitlinien die Einnahme von Thrombozytenaggre­gationshemmern. Die Behandlung beinhaltet meist Acetylsalicylsäure (ASS) oder Clopidogrel. Orale Antikoagulanzien haben sich insbesondere zur Rezidivprophylaxe bei Patienten mit kardioembolischen Risikofaktoren wie z. B. Vorhofflimmern etabliert [1]. Auch bei Patienten mit einem Schlaganfall unklarer Genese könnte ein Vorhofflimmern zugrunde liegen und eine Therapie mit oralen Antikoagulanzien somit sinnvoll sein. Allerdings wurden im vergangenen Jahr die Ergebnisse der NAVIGATE-ESUS-Studie veröffentlicht, die dem Faktor‑Xa-­Inhibitor Rivaroxaban bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall keine Überlegenheit, sondern ein erhöhtes Risiko gegenüber ASS bescheinigten (s. DAZ 2018, Nr. 37, S. 30). Nun sind die Ergebnisse einer randomisierten Doppelblindstudie mit dem oralen Thrombin-Inhibitor Dabigatran und ASS zur Rezidivprophylaxe bei Patienten mit ESUS publiziert worden [2].

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Nicht besser wirksam ...

Für die große internationale RE-SPECT-ESUS-Studie, die unter Leitung von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen stand, sind Patienten aus Europa (58,8%), Asien (22,2%), Nordamerika (11,0%) und Lateinamerika (4,2%) rekrutiert worden. An 564 Studienzentren wurden insgesamt 5390 Patienten gleichmäßig in zwei Gruppen randomisiert. Je 2695 Studienteilnehmer erhielten zweimal täglich 150 mg oder 110 mg Dabigatran (Dabigatran-Gruppe) oder einmal täglich 100 mg ASS (ASS-Gruppe) nach dem Schema Dabigatran plus ASS-Placebo oder Dabigatran-­Placebo plus ASS.

Ein rezidivierender Schlaganfall trat während des medianen Nachbeobachtungszeitraums von 19 Monaten bei 177 (4,1% pro Jahr) der mit Dabigatran behandelten Patienten auf und bei 207 (4,8% pro Jahr) der mit ASS therapierten Studienteilnehmer (Hazard Ratio [HR] 0,85; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,69 bis 1,03). Dabei handelte es sich bei 172 Patienten (4,0% pro Jahr) in der Dabigatran-Gruppe und bei 203 Patienten (4,7% pro Jahr) in der ASS-Gruppe um einen ischämischen Schlaganfall (HR 0,84; 95%-KI 0,68 bis 1,03).

... aber auch kein erhöhtes Risiko für schwere Blutungen

Minderschwere aber klinisch relevante Blutungen traten im Rahmen der Studie unter Dabigatran verstärkt auf (1,6% pro Jahr vs. 0,9% unter ASS). Dagegen war die Anzahl schwerwiegender Blutungen bei einer Behandlung mit Dabigatran nicht signifikant erhöht. Diese wurden in der Dabigatran-Gruppe bei 77 Patienten (1,7% pro Jahr) registriert, während in der ASS-Gruppe mit 64 Fällen 1,4% der Patienten pro Jahr betroffen waren (HR 1,19; 95%-KI 0,85 bis 1,66).

Laut Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schäbitz, Pressesprecher der Deutschen Schlag­anfall-­Gesellschaft (DSG) konnte mit der RE‑SPECT-ESUS-Studie „die Sorge um durch überschießende Gerinnungshemmung ausgelöste schwere Blutungskomplikationen ausgeräumt werden“ [3]. Ähnlich wie mit Rivaroxaban bringt die Sekundärprävention mit Dabigatran bei Patienten, die kurz zuvor einen kryptogenen Schlaganfall erlitten haben, jedoch keinen Vorteil gegenüber einer Behandlung mit ASS. |

Quelle

[1] Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). S3-Leitlinie Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke. Stand 2015; AWMF-Register Nr. 030-133

[2] Diener HC et al. Dabigatran for prevention of stroke after embolic stroke of undetermined source. NEJM 2019;380(20):1906-1917

[3] RE-SPECT ESUS-Studie im „The New England Journal of Medicine“ publiziert. Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) vom 10. Mai 2019; www.dgn.org; Abruf am 11. Juni 2019

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

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