Aus den Ländern

„Lieber kein Apotheken-Stärkungsgesetz“

Lutz Engelen verabschiedet sich und befeuert die Diskussion

NEUSS (bro) | Nordrheins Kammerpräsident Lutz Engelen hat in der vergangenen Woche seine letzte Delegiertenversammlung der Apothekerkammer Nordrhein geleitet. Engelen tritt bei den Kammerwahlen nicht erneut an. Dabei moderierte der Präsident eine intensive, teils emotionale berufspolitische Diskussion, bei der Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, den derzeitigen Kurs der ABDA verteidigte. Engelen selbst stellte klar: Bevor es ein schlechtes Apotheken-Stärkungsgesetz gebe, würde er lieber gar kein Gesetz nehmen.

Foto: AKNR/Müller
Annette van Gessel, eine der Beisitzer der Apothekerkammer Nordrhein, überreichte Lutz Engelen zu seinem Abschied als Kammerpräsident bunte Blumen.

In seiner berufspolitischen Rede bei der Versammlung der Apothekerkammer Nordrhein in Neuss machte Lutz Engelen in der vergangenen Woche deutlich, dass er große Bedenken bei dem derzeitigen (gesundheits-)politischen Kurs der Bundesregierung habe. Im Gegensatz zur ABDA würde er auch gänzlich auf das Apotheken-Stärkungsgesetz verzichten können, weil es die Apotheken in den Ruin treiben könnte.

Trend zur „Industrialisierung und Ökonomisierung“

Grundsätzlich beschwerte sich der scheidende Kammerpräsident darüber, dass die Bundesregierung immer häufiger Politik „ohne Weitblick“ betreibe und nannte als weitere Beispiele den Atomausstieg und den Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Flüchtlingskrise „Wir schaffen das“. In beiden Fällen seien „quasi über Nacht“ weitreichende Entscheidungen getroffen worden, die aber wenig „ordnungspolitische Struktur“ hätten. Was die Gesundheitsversorgung betrifft, sieht der Kammerpräsident einen Trend zur „Industrialisierung und Ökonomisierung“. Er warf der Bundesregierung indirekt vor, nicht am Erhalt der Apothekenstruktur interessiert zu sein. Denn sonst hätte das Bundesgesundheitsministerium beispielsweise schon längst Argumente zum Erhalt der Rx-Preisbindung beibringen müssen, so wie es das OLG München eingefordert hatte, so Engelen.

Apotheken-Stärkungsgesetz: Lieber keines als ein falsches

Was das geplante Apotheken-Stärkungsgesetz betrifft, warnte Engelen davor, die Sichtweise des EuGH und der EU-Kommission zur Rx-Preisbindung zu übernehmen. Zur Erklärung: Zur geplanten Streichung des AMG-Satzes zur Rx-Preisbindung für EU-Versender steht im Entwurf begründend, dass die Bundesrepublik die Sichtweise des EuGH akzeptiere. Engelen verwies auf das laufende Verfahren seiner Kammer gegen DocMorris, bei dem es um mehrere Millionen Euro Schadenersatz geht. Auch ein weiteres Verfahren vor dem EuGH zur Verteidigung der Rx-Preisbindung könne dann „dahin“ sein. Er kritisierte außerdem, dass mit dem Gesetz die Strukturfrage, also die Frage nach der Rx-Preisbindung, mit der Honorarfrage verknüpft wird. Und so kommt er zu dem Schluss: „Wenn es bei diesem Stand bleibt, würde ich sagen: Dann lieber kein Gesetz als ein falsches Gesetz. Denn am Ende werden wir einen Scherbenhaufen haben, und die Politik wird erklären, dass wir das auch so wollten. Diese Verantwortung will ich aber nicht mittragen.“

Kiefer: Es gibt einiges am Gesetz zu ändern ...

Und so zeigte sich auch ein deutlicher Meinungsunterschied zwischen Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, und Engelen. Kiefer war zu Engelens letzter Kammerversammlung nach Neuss gereist. Der BAK-Präsident erklärte, dass die ABDA das Apotheken-Stärkungsgesetz weiterhin „positiv begleiten“ werde, gleichzeitig aber noch großen Nachbesserungsbedarf sehe. Konkret führte Kiefer die folgenden Regelungen an: Bei dem Plan, das „Makeln“ von E-Rezepten zu verbieten, müsse noch einiges geklärt werden. Auch die vorgesehenen Neuregelungen zum Botendienst werfen laut Kiefer Fragen auf. Es bestehe die Sorge, dass die Botendienste nicht mehr im „Regelkreis Präsenzapotheke“ geregelt werden. Und auch beim Thema „Automaten­abgabe“ müsse im Referentenentwurf noch einiges geändert werden.

Foto: AKNR/Müller
BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer (Mitte): trotz vieler offener Fragen will die ABDA das Apotheken-Stärkungsgesetz positiv begleiten. Rechts Lutz Engelen, links Prof. Dr. Hilko Meyer, der immer wieder vor der Streichung des AMG-Satzes zur Rx-Preis­bindung für EU-Versender warnt (s. a. Seite 20).

Was die vorgesehene Streichung des „alten“ Rx-Boni-Verbots aus dem Arzneimittelgesetz betrifft, machte der BAK-Präsident den Apothekern allerdings keine große Hoffnung. „Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Satz aus dem AMG gestrichen wird, ist ausgesprochen hoch.“ Kiefer verwies auf das laufende EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik wegen der Rx-Preisbindung für EU-Versender. „Deutschland wird im nächsten Jahr die Ratspräsidentschaft in der EU übernehmen. Es besteht der Wunsch, möglichst wenige offene Vertragsverletzungsverfahren in diese Präsidentschaft mitzunehmen.“

Der BAK-Präsident sprach aber auch über ein Szenario, das in der Gesundheitspolitik in Berlin immer häufiger zur Sprache kommt: die komplette Streichung des Apotheken-Stärkungsgesetzes. Zur Erklärung: Aufgrund des Widerstands der Apotheker gegen die Streichung des AMG-Satzes zur Gleichpreisigkeit und der Erklärung der Kassen, dass das neue Rx-Boni-Verbot im SGB V nicht praktikabel sei, sprechen immer mehr Gesundheitspolitiker hinter vorgehaltener Hand darüber, das Vorhaben fallenzulassen und nicht ins Kabinett einzubringen. Hinzu kommen die Widersprüche aus den Ministerien für Justiz und Wirtschaft. Kiefer sagte dazu, dass sich eine ganz neue Situation ergebe, die ABDA müsse sich dann neu mit dem Thema befassen und eine neue Beschlusslage und eine neue „Eskalationsstrategie“ erreichen. Er sei aber dafür, das für die Apotheker wichtige Vor­haben weiter „mitzu­gestalten“.

Resolution für Gleichpreisigkeit

Die Kammerdelegierten blieben aber skeptisch. Das zeigte sich auch in einer Resolution, die die Delegierten einstimmig durchwinkten. In der Resolution fordert die Kammer die Bundesregierung auf, sich „unverzüglich“ für den Erhalt der Gleichpreisigkeit einzusetzen. Der derzeitige Entwurf der geplanten Apothekenreform führe aber zum Gegenteil. Und weiter: „Zusätzlich steht eine ausdrückliche Anerkennung der Rechtsauffassung der Kommission der Aufforderung des BGH an die Bundesregierung entgegen, das Urteil durch Wiedervorlage vor dem EuGH korrigieren zu lassen.“ In letzter Konsequenz sei nur das Rx-Versandverbot dazu geeignet, die Gleichpreisigkeit zu erhalten.

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Der Präsident Lutz Engelen (li.) und sein Vize Peter Bar­leben sagten „Tschüss“.

Am Abend nach der Versammlung wurden Engelen und sein Vize Peter Barleben, der ebenfalls nicht mehr angetreten ist, von den Apothekern verabschiedet. Nach einer Laudatio des ehemaligen Vizepräsidenten Hans Kühle feierten die beiden Apotheker in Neuss gemeinsam mit den Kammerdelegierten ihren Abschied aus der Berufspolitik. Der 60-jährige Engelen aus dem nordrhein-westfälischen Herzogenrath war fast 14 Jahre lang Kammerpräsident. |

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