Die Seite 3

Etikettenschwindel

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Es ist schon bemerkenswert, welche Metamorphose der Referentenentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn durchlaufen hat. Liest man sich den daraus resultierten Kabinettsentwurf zum „Apotheken-Stärkungsgesetz“ von vorne bis hinten durch, könnte man meinen, dass es tatsächlich darum geht, die Apotheken vor Ort – nachhaltig und gegenüber den EU-Versendern – zu stärken. In der einleitenden Begründung wird das Sachleistungsprinzip im deutschen GKV-System ausführlich beschrieben. Es ist fast schon ein Plädoyer für die flächendeckende Versorgung durch Präsenzapotheken, für die freie Apothekenwahl und für einen Qualitäts- statt Preiswettbewerb unter den Leistungserbringern. Die Gleichpreisigkeit diene dazu, dass einerseits die Patienten nicht unsachlich beeinflusst werden oder im Krankheitsfall Kostenvergleiche durchführen müssen. Andererseits würden Apotheken die Rabattanreize wirtschaftlich gar nicht kompensieren können und massive Ertragseinbußen erfahren, wenn sie Preisnachlässe gewähren, die im europäischen Versandhandel marktüblich sind. Übrigens, auf diese Argumente wartet das Oberlandesgericht München seit fast 1,5 Jahren, und mit dieser Präambel könnte man auch ein Rx-Versandverbot einleiten!

Das Ministerium scheint also die Kritik aus der Apothekerschaft und von den prominenten Juristen aus jüngster Zeit gehört zu haben. Es entsteht sogar der Eindruck, als wolle man die Streichung des § 78 Absatz 1 Satz 4 im Arzneimittelgesetz argumentativ irgendwie kompensieren. Die EuGH-Entscheidung vom 19. Oktober 2016, dass die deutsche Arzneimittelpreisverordnung für die ausländischen Versender nicht gilt, wird zwar mit dem geplanten Gesetz umgesetzt, gleichzeitig hält man aber an den Grundpfeilern des nationalen Gesundheitswesens fest und verteidigt sie gegenüber den EU-Interessen. Die Rechtsauffassung der Europäischen Kommission wird im Kabinettsentwurf nämlich nicht mehr ausdrücklich anerkannt.

Doch die Gesetzesbezeichnung, die Einleitung und Begründung am Schluss sind nur eine neue Formulierung und Ver­packung für den fast identischen Inhalt aus dem Referentenentwurf. Daher sollte weniger über die weiche Schale, als vielmehr über den harten Kern diskutiert werden – sowohl im Parlament, als auch in der (Berufs-)Öffentlichkeit. Es wird nunmehr ­darauf hingewiesen, dass es kein grundsätzliches Rabattverbot mehr geben soll, sondern nur noch für die Arzneimittelversorgung von gesetzlich Versicherten. Damit steht dem Preiswettbewerb um Privatversicherte und Rx-Selbstzahler nichts mehr im Weg. Eine Debatte über soziale Ungerechtigkeit wird sich womöglich an dieser Regelung entzünden. Gleichzeitig könnte das Rabattverbot im GKV-Bereich durch ganz neue Kostenerstattungsmodelle einfach umschifft werden. Kreativ genug sind die Versender und werden erfahrungsgemäß auf nur wenig Widerstand im Kassenlager stoßen. Entsprechende Wahlleistungen sieht das Sozialrecht im Übrigen schon vor.

Mindestens ebenso problematisch erscheint die Idee, eine neue noch zu schaffende Stelle solle die Verstöße gegen das Rabattverbot ermitteln und sanktionieren. Kann der als Strafe vorgesehene Versorgungsausschluss überhaupt wirken, wenn die Krankenkassen nicht verpflichtet werden, diese Sanktion tatsächlich umzusetzen? Die Inländerdiskriminierung wird sich jedenfalls verschärfen. Ein neues Verfahren vor dem EuGH wird dadurch wahrscheinlicher, bei dem es dann auch wieder um die Frage gehen kann, ob ein Fremd­besitzverbot hierzulande überhaupt noch zu rechtfertigen ist.

Aktuell tragen Gesetze Namen, die aus Werbeagenturen stammen könnten. Das „Gute-Kita-Gesetz“, „Starke-Familien-Gesetz“ oder eben das „Apotheken-Stärkungsgesetz“ geben vor, politisch und moralisch korrekt zu sein. Aber ob ein Gesetz gut oder eben nur gut gemeint ist, entscheidet nicht sein Name, sondern am ­Ende die Umsetzung und vor allem die Durchsetzung. Darauf kommt es an – alles andere wäre Etikettenschwindel.

Armin Edalat

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