Die Seite 3

Aussterbende Spezies?

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Armin Edalat

Rabattverträge sind allgegenwärtig. Ein (Arbeits-)Leben ohne sie? Jüngere Apothekergenerationen werden sich das wohl eher weniger vorstellen können.

Von Rabattverträgen abzuweichen, ist im Versorgungsalltag selten und wird von den Krankenkassen oftmals torpediert. Setzen Ärzte ihrer Ansicht nach zu häufig Aut-idem-Kreuze, hagelt es „Beratungsanrufe“, mit denen das Verordnungsverhalten beeinflusst werden soll und bei denen mit Regressen gedroht wird. Ähnliches blüht den Apothekern. Pharmazeutische Bedenken und Nicht-Verfügbarkeiten, gewissenhaft mit Sonder-PZN und handschriftlichem Vermerk notiert, sind mittlerweile keine Garantie mehr dafür, dass es am Ende nicht doch zur Retaxation kommt.

Nichts als Ärger durch die Rabattverträge? In einer Gesprächsrunde mit jüngeren und älteren Berufskollegen versuchte ich vor einigen Jahren mal, die möglichen positiven Seiten herauszustellen – aus Apothekersicht, versteht sich. Gibt es durch sie vielleicht eine größere Vielfalt an Generika, sodass man im Notdienst oder bei Lieferengpässen Alternativen unmittelbar zur Hand hat? Immerhin sind die Apothekenschubladen und -automaten seit Einführung der Rabattverträge prall gefüllt mit Generika.

Müde gelächelt wurde über meine Vermutung. Lieferengpässe? Diesen Begriff gab es im „prä-generischen“ Zeitalter praktisch nicht. Arzneimittel – made in Germany oder zumindest: in Europe – waren damals meistens patentgeschützt, hauptsächlich original, oftmals konkurrenzlos und eigentlich immer existent. An Alternativen musste niemand denken.

Das sieht im Jahr 2019 bekanntlich anders aus: Die Evolution vom Original­präparat über das Generikum zum Rabattvertrag hat nicht zu einer Artenvielfalt, sondern zu einem Artensterben geführt. Im globalisierten System mit unzähligen Wirkstoff- und Generika­herstellern sind wir in eine selbstverschuldete Mangelwirtschaft geraten. Die Engpassliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zählt aktuell mehr als 500 Humanarzneimittel, die nicht verfügbar sind. Mit dieser Situation kämpft jede einzelne Apotheke sowohl in der ambulanten Versorgung als auch in den Kliniken. Unverständnis, Wut und Resignation machen sich im Berufsstand breit. Statt zu Medikationsmanagern sind wir zu Mangelverwaltern geworden.

Das Thema ist angekommen, in der Lokalpresse, der Tagesschau und auf politischer Ebene. Endlich? Oder besser: erst jetzt? (s. Seite 16)

Die schiere Übermacht der Rabatt­verträge im Arzneimittelmarkt muss gebrochen werden. Eine friedliche Koexistenz zwischen Lieferengpässen einerseits und Versorgungssicherheit andererseits kann es nicht geben. Einsparungen als Existenzberechtigung dürfen nicht mehr gelten. Mehr als vier Milliarden Euro sollen die Kranken­kassen 2018 durch Rabattverträge eingespart haben. Niemand erklärt öffentlich, wie dieser Wert genau zustande kommt und welcher Bezugspreis den Berechnungen zugrunde liegt. Werden vermeintliche Einsparungen nicht durch teure Neueinführungen von hochpreisigen Therapien wieder auf­gezehrt, oder von den Herstellern zum Teil bewusst kompensiert?

Kosten entstehen bei der Umsetzung in den Apotheken, bei der Verwaltung von Lieferengpässen und bald vielleicht auch, weil Patienten unzureichend oder gar nicht versorgt werden können. Daher steht es um die Rabattverträge so, wie um die Dinosaurier vor mehr als 60 Millionen Jahren: Ihre Zeit ist gekommen und sie müssen das Feld nun räumen, für eine neue, friedliche und intelligentere Art, Patienten mit (generischen) Arzneimitteln zu versorgen.

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

 

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