Arzneimittel und Therapie

Tumore auf Methionin-Entzug

Wieso eine restriktive Ernährung kritisch zu bewerten ist

Das Konzept, Krebszellen mithilfe bestimmter Diäten auszuhungern und auf diese Weise einen direkten therapeutischen Effekt zu erzielen oder die Wirksamkeit einer Tumor­therapie zu erhöhen, ist nicht neu. Aktuell berichtet die Fachzeitschrift „Nature“ über Antitumoreffekte einer Methionin-restriktiven Ernährung. Doch ist dieser Ansatz bei Krebspatienten empfehlenswert?

Für Patienten sind solche Strategien attraktiv, weil sie Hoffnung vermitteln und ihnen das Gefühl geben, selbst ­etwas gegen ihre Erkrankung zu tun. Studien, die Erfolge solcher Konzepte berichten, werden daher auch in der Laienpresse aufgegriffen und können regelrechte Hypes zur Folge haben. Die Kehrseite der „Krebsdiäten“ ist aller­dings das Risiko einer Fehl- und Mangelernährung einschließlich der für Krebspatienten so kritischen Kachexie. Umso wichtiger, genau hinzuschauen, was solche Studien zeigen – und was nicht.

Methionin ist der zentrale Baustein im S-Adenosylmethionin, dem wichtigsten Methylgruppen-Donor in der Zelle. Methylierungen am Cytosin in der DNA oder von Histonen sind an der Genregulation beteiligt. Die Methy­lierung von Proteinen in der intra­zellulären Signaltransduktion bestimmt die Reaktion von Zellen auf äußere Reize. Methylgruppen werden bei der Synthese wichtiger Proteine (z. B. Kreatinin und Phosphatidylcholin) benötigt, und Methionin liefert Cystein für die Synthese von Glutathion sowie Ein-Kohlenstoff-Bausteine für die DNA- und RNA-Synthese. Mehr als 80% aller Methylierungsreaktionen erfolgen in der Leber [1 – 3]. Methionin ist somit gerade für Zellen mit intensivem Stoffwechsel ein wichtiges Substrat.

Methionin-Restriktion wirkt bei Mäusen …

In der nun veröffentlichten Studie wurden menschliche kolorektale Karzinomzellen in Mäuse injiziert oder mit viralen Vektoren Weichteilsarkome hervorgerufen [4]. Jeweils fünf bis acht tumortragende Mäuse wurden drei Wochen lang normal oder Methionin-arm ernährt. In regelmäßigen Zeit­abständen wurde ihnen für die Bestimmung von Methionin und Produkten des Methionin-Stoffwechsels Blut und Gewebe entnommen. Die Konzentrationen von Methionin, Purin- und Pyrimidintriphosphaten sowie das Tumor­volumen waren unter Methionin-Mangel reduziert. Der wachstumshemmende Effekt von 5-Fluorouracil bzw. einer Bestrahlung wurde durch die Methionin-Restriktion verstärkt.

… und bei Menschen?

Sechs gesunde Probanden mussten drei Wochen lang eine Diät einhalten, deren Methionin-Gehalt bei etwa 17% des durchschnittlichen Gehalts lag. Zuvor und danach wurden aus ihren Blutproben „relative Intensitäten“ von Methionin und Produkten des Methionin-Stoffwechsels bestimmt. Folge der Diät war eine Abnahme der Konzentrationen von Methionin, N-Acetylcystein, Glutathion, Adenin und Uracil. Das Muster zeigte eine gute Korrelation mit den Veränderungen bei den Mäusen. Die Folgerung der Autoren ist, dass der Effekt einer Methionin-Restriktion auf den Stoffwechsel von Mäusen und Menschen gleich sei.

Foto: New Africa – stock.adobe.com

Auf Methionin-reiche Lebensmittel sollte nicht einfach so verzichtet werden.

Was darf man daraus folgern?

Auch wenn es sich bei den Mausmodellen um ausgeklügelte Experimente handelt und der Stoffwechsel sechs gesun­der Menschen unter Methionin-Restriktion in einer unkontrollierten Studie ähnliche Veränderungen zeigte, bleiben es Befunde an wenigen Mäusen mit einem Beobachtungszeitraum von wenigen Wochen. Viel Methionin ist in Ei, Fisch, Fleisch, Nüssen und Saaten sowie Sojaprotein enthalten. Einen Hinweis darauf, ob Krebspatienten vom Verzicht auf diese Lebensmittel profitieren, kann diese Studie auch nicht ansatzweise liefern. Es gibt andererseits Hinweise, dass Methionin-Mangel den Fettstoffwechsel in der Leber stört und zu Leberschäden führt [1]. Auch das erhöhte Risiko für Mangelernährung bei 30 bis 40% der Krebspatienten ist gut belegt [5 – 7]. Anstelle des Methionin-Verzichts gibt es valide Ernährungstipps für Krebspatienten z. B. auf den Seiten des Krebsinformationsdienstes [8]. |

Literatur

[1] Froese DS et al. Vitamin B12, folate, and the methionine remethylation cycle-biochemistry, pathways, and regulation. J Inherit Metab Dis 2019;42(4):673-85

[2] Rosenzweig A et al. Beyond the Warburg Effect: How Do Cancer Cells Regulate One-Carbon Metabolism? Front Cell Div Biol 2018;6:90

[3] Zhang N. Role of methionine on epigenetic modification of DNA methylation and gene expression in animals. Animal Nutrition 2018;4(1):11-16

[4] Gao J et al. Dietary methionine influences therapy in mouse cancer models and alters human metabolism. Nature 2019;572(7769):397-401

[5] Bozzetti F et al. The nutritional risk in oncology: a study of 1.453 cancer outpatients. Support Care Cancer 2012;20(8):1919-1928

[6] Hébuterne X et al. Prevalence of malnutrition and current use of nutrition support in patients with cancer. J Parenter Enteral Nutr 2014;38(2):196-204

[7] Pressoir M et al. Prevalence, risk factors and clinical implications of malnutrition in French Comprehensive Cancer Centres. Br J Cancer 2010;102(6):966-971

[8] Krebsinformationsdienst. Ernährung für Tumorpatienten: Essen und Trinken bei Krebs. www.krebsinformationsdienst.de

Apothekerin Dr. Dorothee Dartsch

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