Deutscher Apothekertag 2019

E-Rezept: Vieles noch in der Schwebe

DAZ-Podiumsdiskussion am Vorabend des Deutschen Apothekertages 2019

eda | Diskutiert man über das Für und Wider im Zusammenhang mit dem E-Rezept, kommt man zu dem Schluss: Je nach Blickwinkel gibt es die verschiedensten Interessen und Anforderungen an die Verordnung der Zukunft. Gelingt dem Gesetz­geber am Schluss die Quadratur des Kreises und eine ausgewogene Interessenlage zwischen allen Gruppierungen? Bei der DAZ-Podiumsdiskussion am Vorabend des DAT wurde darüber sehr intensiv debattiert.

Das E-Rezept kommt – und mit ihm viele Fragen. Neben der technischen Umsetzung sind es vor allem die Marktveränderungen, die das digitale Tool auslösen wird. Stellen E-Rezepte nun eine Gefahr oder eine Chance dar? Bei der DAZ-Podiumsdiskussion am Dienstagabend eröffnete DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer die Runde mit einem interessanten Zitat von der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums (BMG): „Wenn Ihre Ärztin oder Ihr Arzt Ihnen bei der Videosprechstunde ein Medikament verschreibt, erhalten Sie ein E-Rezept, das Sie in einer Online-Apotheke Ihrer Wahl einlösen können“, hieß es Mitte September auf der Homepage des BMG, was bei den Apothekern für einen Aufreger sorgte. Kurze Zeit später wurde dieser Blogeintrag allerdings entschärft.

Foto: BPhD/Türschmann

Das E-Rezept – Chance oder Gefahr? Darüber diskutierten Christian Krüger (NGDA), Christian Buse (BVDVA), Lorenz Weiler (Apotheker), Stefan Odenbach (König IDV) und Benjamin Rohrer (DAZ.online). Odenbach stellte das E-Rezept-Pilotprojekt von der Techniker Krankenkasse in Hamburg-Wandsbek vor.

Riesenchance für den Versand?

Ist das nun die Situation, vor der sich alle fürchten, fragte Rohrer Lorenz Weiler, Apotheker aus der Nähe von Hannover mit einem eigenen E-Rezept-Entwurf. Weiler hält dieses Zitat und die aktuelle Vermarktung des E-Rezeptes durch Spahns Haus für ein Symbol. Es stehe exemplarisch für die Kulisse, die aufgebaut werden soll, wo und für wen das E-Rezept entsteht. Aus Sicht der Leistungserbringer vor Ort seien dies die „Schweinereien“ und Brandbeschleuniger, die es eigentlich nicht geben dürfe.

Ist die Einführung der digitalen Verordnungen also die Riesenchance für die Versandhandelsbranche, leitete Moderator Rohrer zu Christian Buse über, Vorsitzender des Bundesver­bandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA) und selbst Betreiber der Versandapotheke Mycare. Buse findet, das Wichtigste an diesem „etwas verdrehten“ Satz auf der BMG-Website sei der Ausdruck „Ihrer Wahl“. Auch er plädiert dafür, dass es im Zeitalter des E-Rezeptes eine Wahlfreiheit für die Patienten geben muss. Gleichzeitig räumt er ein, dass sich die Markt­anteile durchaus zugunsten der Arznei­mittelversender verschieben werden. Immerhin gebe es mit dem E-Rezept weniger Medienbrüche und gleichzeitig würde die Convenience verbessert. Genauso wie man ein Papierrezept aus der Praxis eines Ärztehauses meistens in der Apotheke im Erdgeschoss ein­löse, würden elektronische Verordnungen am Schluss bei dem Anbieter landen, der über das beste digitale Angebot verfüge. Doch vieles sei noch in der Schwebe. Die Gematik bastele aktuell noch an der Sicherheitsstruktur, und so sei es unklar, welche Aspekte am Schluss reguliert oder dem freien Markt überlassen würden.

Gematik: Wildwuchs verhindern

Apothekeninhaber Lorenz Weiler will das drohende Szenario nicht akzeptieren. Seiner Meinung nach entschärft Buse die Gefahr: „Es kann doch nicht sein, dass nach Verlassen der Arzt­praxis die Patienten mit drei Klicks – AGBs, Datenschutz bestätigen und bestellen – ihre Rezepte einlösen und der Postbote der einzige Mensch in diesem ganzen Verlauf ist.“

Christian Krüger, Chef der Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA), der für die Apothekerschaft auf Grundlage vom Modellprojekt GERDA das E-Rezept entwickelt, bekräftigt den Einwand, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass es am Ende ein diskriminierungsfreies System geben wird, an dem auch der Versandhandel partizipieren wird. „Wir müssen uns bei diesem Projekt an die Lebenswirklichkeit der Menschen halten, und dazu gehört, dass Rx-Arzneimittel auch im Versandhandel bestellt werden“, so Krüger. Der Gematik gehe es darum, Wildwuchs zu verhindern und von Anfang an nur das eine E-Rezept auf die Beine zu stellen. Dabei kon­zentriere man sich auf ein Minimum an Vorgaben.

„DAV-App ist quatsch“

Für Lorenz Weiler kommt dabei die Patientensicht viel zu kurz: „Die Menschen möchten eine Verordnung nach wie vor in der Hand halten und bestimmen, wer für sie das Rezept, wo und wie einlöst“.

Foto: Privat

Apotheker Lorenz Weiler aus der Nähe von Hannover hat selbst eine Version des E-Rezeptes als Papierausdruck samt QR-Code entwickelt.

So sieht er die vom Deutschen Apothekerverband (DAV) entwickelte Web-App kritisch. Sie würde den Patienten immer wieder vor die Wahl stellen, wem sie ihre Rezepte digital zusenden. Viel lieber hätte Weiler eigene, individualisierbare Lösungen. Als Beispiel nennt er das Angebot von apotheken.de. „Ich will als Apotheke meine Präsenz doch selbst gestalten und dem Patienten anbieten. Die DAV-App ist in dem Zusammenhang quatsch. Sie blockiert Individualität.“ Eine Aussage, mit der er ausgerechnet beim Versender-Lobbyist Buse auf Zustimmung stößt. Auch dieser würde seinen Kunden gerne eine eigene App anbieten. Buse wörtlich: „Die Menschen sollen mit den Füßen abstimmen und nicht staatlich gelenkt werden.“

Kurzfristig abgesagt hatte DAV-Chef Fritz Becker seine Teilnahme an der Podiumsdiskussion. Er hätte die Chance gehabt, das Konzept und die Absicht des Verbandes an dieser Stelle detaillierter vorzustellen. NGDA-Chef Krüger weist darauf hin, dass die Web-App des DAV die Entscheidung der Patienten, wo sie ihre Rezepte einlösen, vor äußeren Einflüssen abschirmen solle. Weiler dazu: „Dafür braucht man keine App. Der QR-Code eines E-Rezeptes kann ausgedruckt werden oder per E-Mail versendet werden. Alles andere ist ein technokratischer Kosmos, durch den niemand blicken kann.“ |

 

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